Licht am Ende der Schiedsklage

licht am ende der schiedsklage

Sonnenschein lockte Investoren wie Eon: Ein Solarpark südspanischen Andalusien (Symbolbild)

Im Hochsommer 2015 ist bei Eon die Geduld am Ende gewesen. Am 10. August legten die Anwälte des Energiekonzerns vor dem Schiedsgericht der Weltbankgruppe in Washington (ICSID) eine Klage gegen das Königreich Spanien ein, weil Eon als ausländischer Investor langfristig auf eine großzügige Einspeisevergütung für Ökostrom vertraut hatte – die von der spanischen Regierung rückwirkend gekippt worden waren.

Jahre zuvor hatte sich Eon mit der Aussicht auf sichere Renditen nach Spanien locken lassen. In dem Land mit der höchsten, durchschnittlichen Sonnenscheindauer Europas gab es in den 2000er Jahren immensen Finanzierungsbedarf für neue Solarparks. Der damalige Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero versprach ausländischen Investoren eine Einspeisevergütung von bis zu 45 Cent pro Kilowattstunde Solarstrom für mehr als 25 Jahre, was dem Zehnfachen des durchschnittlichen Marktpreises entsprach.

Krise schlägt zurück

Infolge der Finanzkrise kassierte die Regierung ihre Versprechen aber ein. Um 45 Prozent ließ die Zapatero-Regierung die Tarife für große Solarparks kürzen und befristete deren Förderung auf 25 Jahre. Unter seinem Nachfolger Mariano Rajoy kam es 2013 zu weiteren Kürzungen, die zudem rückwirkend galten. Damit begannen die Streitigkeiten mit Investoren, die sich auf den Schutz der Energiecharta beriefen – ein völkerrechtliches Abkommen, das neben Deutschland und Spanien auch von der Europäische Union unterschrieben worden war.

Am vergangenen Donnerstag, nach fast achteinhalb Jahren Dauer, urteilte das dreiköpfige ICSID-Schiedsgericht und sprach Eon einen Schadenersatz zu. In englischsprachigen Fachmedien ist vom bislang „einer der größten Schiedssprüche“ in den Investorenklagen gegen Spanien im Zusammenhang mit der Rücknahme staatlicher Subventionen für erneuerbare Energien die Rede. Ein Sprecher des Energiekonzerns teilte der F.A.Z. auf Anfrage schriftlich mit: „Eon begrüßt die Entscheidung der ICSID-Schiedsorganisation. Sie stärkt international das Vertrauen in verlässliche Investitionen in Erneuerbare-Energien-Projekte.“ Zur Höhe des Schadensersatzes, den Spanien nach der Entscheidung des Schiedsgerichts an den Mutterkonzern Eon SE und zwei seiner Tochtergesellschaften zahlen muss, wollte er sich nicht äußern.

Nach Angaben der Welthandels- und Entwicklungskonferenz (UNCATD) hatten die Kläger bei der Einreichung der Schiedsklage in Washington im Jahr 2015 eine Summe von 324,7 Millionen Euro gefordert. Hinzu kommen in der Regel Zinsen für mehrere Jahre sowie die Erstattung der Anwaltskosten für die auf Eon-Seite beteiligte Großkanzlei Luther. Im Ergebnis wäre das deutlich mehr als die 290 Millionen, die der amerikanische Stromkonzern NextEra 2019 als bisher höchste Entschädigung erstreiten konnte.

Illustre Liste an Investoren

Mit der Klage vor einem Schiedsgericht reihte sich Eon in eine lange Liste von privaten und kommunalen Energieversorgern, Banken, Finanzierern und Projektentwicklern ein, die sich in den vergangenen 20 Jahren in Südeuropa als Investoren in Solarparks engagierten. In der Folge kam es aus Sicht der Investoren nicht nur auf der iberischen Halbinsel zu Eingriffen in Eigentumsrechte, auch Italien oder Griechenland finden sich wegen Erneuerbare-Energien-Projekten als Beklagte vor dem ICSID-Schiedsgericht wieder. Doch in der Liste der Klagen liegt Spanien mit 39 – abgeschlossenen und noch anhängigen – Verfahren weit vorne. Und das sind nur die Streitfälle, in denen sich ausländische Investoren auf eine Verletzung der Energiecharta berufen.

Im Jahr 2017, als nur 27 Schiedsklagen gegen das Königreich anhängig waren, belief sich das Gesamtvolumen der Forderungen von Investoren schon auf 5 Milliarden Euro – in den vergangenen Jahren dürfte die Summe nach Informationen der F.A.Z. noch deutlich gestiegen sein. Denn in den Reihen der Kläger finden sich neben Eon weitere illustre Namen wie RWE, BayWa, die Stadtwerke München, der Infrastrukturfonds RREEF oder die Landesbank LBBW. Immerhin 27 Klagen konnte das spanische Justizministerium nach ICSID-Angaben inzwischen abschließen, wobei die Inhalte der einzelnen Schiedssprüche trotz aller Transparenz kaum veröffentlicht werden.

Wer für seine Investitionen in Solarparks tatsächlich noch Geld aus Madrid erhält, kann sich wie der deutsche Versorger Steag glücklich schätzen: immerhin 27,7 Millionen Euro inklusive Zinsen bekam der Stromerzeuger, der seit wenigen Wochen dem spanischen Investor Asterion Industrial Partners gehört, im Jahr 2021 zugesprochen.

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