AfD-Enthüllungen von Correctiv: LinkedIn-Top-Voices und Dax-Vorstände weiterhin still

Zahlreiche Führungskräfte positionieren sich auf Linkedin nach den Correctiv-Recherchen gegen Rassismus – ein bislang einzigartiger Fall für das eher apolitische Businessnetzwerk. Doch die großen Stimmen schweigen.

afd-enthüllungen von correctiv: linkedin-top-voices und dax-vorstände weiterhin still

AfD-Enthüllungen von Correctiv: LinkedIn-Top-Voices und Dax-Vorstände weiterhin still

Mehrere Zehntausend Menschen gingen am Wochenende gegen die AfD auf die Straße und auch im Netz ist das Entsetzen über die am vergangenen Mittwoch aufgedeckten Abschiebefantasien von Rechtsextremen groß. Das Recherchezentrum Correctiv hatte Details zu einem Treffen in einer Potsdamer Villa enthüllt, an dem im November vergangenen Jahres hochrangiger AfD-Politiker, Neonazis und finanzstarker Unternehmer teilgenommen und dabei die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland geplant hatten. „Remigration“ nannten sie das, ein euphemistischer Begriff für die Deportation jeglicher Menschen, die nicht dem AfD-ideologischen Deutschen entsprechen. Inzwischen ist das der Ausdruck von Sprachwissenschaftlern zum „Unwort des Jahres“ gewählt worden.

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Die Details dieses Treffens waren so menschenverachtend, dass sich nun auch Topunternehmerinnen und -unternehmer berufen fühlen, sich klar gegen Rassismus und die AfD zu positionieren. Sogar auf der sozialen Plattform Linkedin melden sich ungewöhnlich viele von ihnen zu Wort – eine Kehrtwende für das sonst apolitische Netzwerk, das in den vergangenen Jahren vielmehr als Selbstbeiweihräucherung vieler Manager diente.

Führungskräfte von Evonik, der Bahn und Daimler melden sich zu Wort

Zu den lauter werdenden politischen Stimmen zählt etwa Jörg Kathenbach, Head of Foreign Trade bei Evonik Industries. Er schreibt: „Keine Politik auf LinkedIn? Daran halte ich mich sonst gern. Die aktuelle, viel zu lang andauernde Entwicklung und das Geschehenlassen unsäglicher Auswüchse im rechtsextremen Parteienspektrum sollten uns jedoch alle gemeinsam aufrütteln. Jede(r) sollte öffentlich seine Position teilen, nicht länger leise, sondern laut. Überall.“

Ähnliches kommt von Carmen Maria Parrino, Geschäftsführerin für den Vertrieb Nahverkehr bei der Deutschen Bahn. „Als Demokraten und Demokratinnen haben wir die Pflicht dafür einzustehen, Haltung zu zeigen und laut zu sein“, so die Managerin.

Volker Hasenberg, Manager International Hydrogen Strategy bei Daimler kommentiert: „Ich bin fassungslos über derartige Umtriebe und (…) darüber, dass sich die AfD immer unverblümter NS-Gedankengut zu eigen macht, ohne dass es ihrer Popularität offenbar schadet.“

An der Spitze bleibt es still

Die CEOs der Dax-Konzerne hüllen sich dagegen in Schweigen, sie haben sich zu dem Thema bei Linkedin bisher im Großen nicht zu Wort gemeldet. Auch bei den zehn größten Linkedin-Influencern, unter ihnen etwa Carsten Maschmeyer (64), gab es bisher keine Beiträge dazu.

Doch während auf vielen einflussreichen Profilen gähnende Leere in Sachen Rechtsextremismus herrscht, äußern sich andere dafür umso lauter. Zu den wenigen Unternehmerinnen und Unternehmern, die sich bei dem Netzwerk schon vor den Correctiv-Enthüllungen gegen Rechtsradikale und die AfD positioniert hatten, gehörte etwa die Familie Rossmann und zahlreiche Mitarbeiter der gleichnamigen Drogeriekette. Raoul Roßmann (39), der als Geschäftsführer in die Fußstapfen seines Vaters Dirk Roßmann (77) in der familiengeführten Drogeriekette stieg, schrieb: “Es gibt Momente, wo man Haltung zeigen muss. Wir haben alle eine Stimme und sollten ab und zu von ihr Gebrauch machen”.

Auch die Geschäftsführerin und Gründerin von RatePAY, Miriam Wohlfahrt, äußerte sich schon vor der Correctiv-Veröffentlichung deutlich: „Es ist wichtig, nicht zu Schweigen und jede Gelegenheit zu nutzen, um unsere Stimme deutlich zu erheben und klare Standpunkte zu vertreten – selbst in kleinsten Gruppen“, schrieb die Seriengründerin. Wohlfahrt bezog sich bei ihrem Statement auf die Wahlprognosen für die Bundestagswahl, bei der die AfD derzeit auf 22 Prozent der Stimmen käme.

Hans im Glück trennt sich von Limmer

Bei den von Correctiv aufgedeckten Plänen waren auch einige Namen von Unternehmern genannt worden, die an der Organisation des Treffens beteiligt gewesen sein sollen. Darunter Hans-Christian Limmer, Gründer der Bäckereikette „Backwerk“ sowie Gesellschafter bei der Burgerkette Hans im Glück und dem Lieferdienst Pottsalat. Er hat den Recherchen zufolge einige der Einladungen für das Treffen unterschrieben.

Limmer selbst blieb dem Treffen fern und stritt später jegliche inhaltliche Beteiligung ab. Er habe zunächst einige Einladungen des Veranstalters unterschrieben, ohne sich vorher ausreichend mit den dort genannten Vortragenden zu beschäftigen, sich aber danach davon mehrfach distanziert, wie er etwa gegenüber der Zeitschrift „Capital“ erklärte.

Seine Unternehmen zogen dennoch deutliche Konsequenzen. “Hans im Glück” teilte mit, ein Angebot von Limmer, seine Gesellschafterstellung umgehend aufzugeben, angenommen zu haben. Auch bei Pottsalat zog sich der Unternehmer als Gesellschafter zurück. Laut Pottsalat-Chef Ben Küstner werde Limmer zudem seine Anteile verkaufen. Die dafür notwendigen juristischen Vorbereitungen seien bereits angelaufen.

Empörung beim Verein Deutscher Sprache

Neben diesen beiden Unternehmen kam es auch beim Verein Deutscher Sprache (VDS) zu Zerwürfnissen. Dort trat Vorständin Silke Schröder zurück, nachdem sie auf Twitter die „Remigration“ von unliebsamen Journalistinnen und Journalisten gefordert hatte. Die Recherche von Correctiv offenbarte zudem, dass Schröder an der Organisation des Treffens in Potsdam beteiligt gewesen sein soll.

Während der enthüllte “Geheimplan gegen Deutschland” über die Teilnehmer und dessen Deportationsvorhaben von Menschen mit Migrationshintergrund deutschlandweit für Empörung sorgte, zeigte sich die AfD nüchtern. Der sozialpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, René Springer, stellte schnell klar, dass der millionenfache Abschiebeplan kein Geheimnis, sondern ein Versprechen sei, „für den Erhalt unserer Identität. Für Deutschland“. Ein Grund mehr, sich auch bei Linkedin dagegen aufzulehnen.

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