Die Verhältnisse in der Republikanischen Partei haben sich verändert: Was bedeutet das für die mögliche Regierung Trump 2.0?

die verhältnisse in der republikanischen partei haben sich verändert: was bedeutet das für die mögliche regierung trump 2.0?

Vor der Hotelanlage Mar-a-Lago des früheren amerikanischen Präsidenten Donald Trump in Florida wirbt eine Anhängerin für ein Trump-Comeback. ; Ricardo Arduengo / Reuters

«It ain’t over ’til it’s over» – es ist nichts gelaufen, bevor es wirklich zu Ende ist. Der legendäre Spruch des 2015 verstorbenen Baseballstars Yogi Berra trifft natürlich auch auf die Präsidentenwahl in den USA zu. Gegenwärtig deutet alles darauf hin, dass es am 5. November zu einer Neuauflage des Duells zwischen Joe Biden und Donald Trump kommen wird. Es ist ein Duell, das die Mehrheit der amerikanischen Bürgerinnen und Bürger nicht will. Trump hat dabei gute Chancen auf einen Sieg, da er in den entscheidenden Swing States die Nase vorn hat.

Das ist geradezu atemberaubend, wenn man sich an die Stimmung im Januar 2021 zurückerinnert, als er – als Erster in der Geschichte der amerikanischen Demokratie – versuchte, die friedliche Übergabe der Macht nach seiner Wahlniederlage zu torpedieren. Trump galt als politisch tot, doch die Republikanische Partei, die sich ohne seine Anhänger keine realistischen Chancen auf einen Sieg ausrechnen kann, warf sich vor ihm in den Staub.

Tabubruch mit Folgen

Besonders ominös ist die Tatsache, dass bis heute eine Mehrheit der republikanischen Wähler glaubt, Trump sei der Sieg gestohlen worden, auch wenn kein einziger Beweis für eine schwerwiegende Manipulation oder gar Betrug vorliegt. Der Sturm auf das Capitol am 6. Januar 2021 blieb ohne gravierende Folgen, weil die Unruhen nicht auf den Rest des Landes übergreifen konnten. Das muss nicht so bleiben, falls das Resultat der diesjährigen Wahl von einem der grossen politischen Lager grundlegend in Zweifel gezogen würde.

die verhältnisse in der republikanischen partei haben sich verändert: was bedeutet das für die mögliche regierung trump 2.0?

Der gewaltsame Sturm auf das Capitol am 6. Januar 2021 ist politisch noch immer nicht aufgearbeitet. Shannon Stapleton / Reuters

Der Sommer 2020, als der Aufruhr über Polizeigewalt gegen schwarze Amerikaner, der allzu häufig in Gewalt und Plünderungen ausartete, zusammen mit den einschneidenden Massnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie ein explosives Gemisch bildete, hat gezeigt: In den USA können Proteste schnell aus dem Ruder laufen. Dazu trägt nicht nur die aussergewöhnlich starke Polarisierung der Bevölkerung bei, sondern auch das enorme Arsenal von Feuerwaffen in privater Hand. Eine Umfrage der University of California zeigt, dass bewaffnete Gewalt in der politischen Auseinandersetzung nicht mehr einhellig abgelehnt wird.

Trump hat in seiner ersten Amtszeit sein Faible für die eiserne Hand nicht versteckt. Im Sommer 2020, als «Black Lives Matter»-Demonstrationen auch die Hauptstadt Washington erschütterten, liebäugelte er mit der berüchtigten Insurrection Act. Dies ist ein archaisches Gesetz, das dem Präsidenten direkten Befehl über die Nationalgarde gibt. Hohe Kabinettsmitglieder konnten Trump die Sache damals noch ausreden, doch andere Mitarbeiter im Weissen Haus liessen offenbar schon eine entsprechende Proklamation ausarbeiten.

Schliesslich verzichtete Trump auf dieses äusserste Mittel, raunzte aber dafür die Gouverneure der Gliedstaaten in einer Telefonkonferenz an, sie müssten die Nationalgarde selber viel früher und massiv einsetzen, um die Strasse zu «dominieren». Der Politologe William Galston rief nicht zuletzt darum in einem Kommentar den Kongress dringend dazu auf, die Insurrection Act noch zu ändern, bevor die nächste Inauguration ansteht. Das Hauptproblem ist nämlich, dass das Gesetz dem Präsidenten heute nicht nur umfassende Befugnisse gibt, das Militär im Inland einzusetzen. Er kann auch in Eigenregie beschliessen, das Gesetz anzuwenden. Dies wurde von einem bald 200 Jahre alten Entscheid des Supreme Court bestätigt.

Zuversicht unter den Konservativen

Auf der rechten Seite des politischen Spektrums werden solche Gedanken als Hysterie abgetan. Hier wartet man vielmehr sehnsüchtig darauf, den von Biden ausgelösten Linksrutsch so schnell wie möglich umzukehren. So bereitet sich eine Arbeitsgruppe von 80 konservativen Organisationen unter der Führung der Heritage Foundation mit dem «Projekt 2025» auf die Machtübernahme Trumps im Januar 2025 vor. Im Vordergrund steht die Absicht, geeignete Kaderleute in genügender Zahl zu rekrutieren und Reformprozesse vorzubereiten.

Ziel ist, schnell handlungsfähig zu werden. Dazu wird auch vorgeschlagen, wichtige Regierungsämter interimistisch zu füllen, wofür es unter Umständen keine Bestätigung durch den Senat braucht. Ein wesentliches Element dieses Plans ist, den Beamtenapparat, der als linkslastig angesehen wird, zu dezimieren und gefügig zu machen. Dazu sollen Zehntausende von Staatsbeamten leichter entlassen werden können.

die verhältnisse in der republikanischen partei haben sich verändert: was bedeutet das für die mögliche regierung trump 2.0?

Donald Trump, hier in einer Aufnahme von 2016, setzt wie damals weiter auf seinen Erfolgsslogan: «Make America Great Again.» Jeff J Mitchell / Getty

Das «Projekt 2025» ist in keiner Weise demokratiefeindlich. Es will einer konservativen amerikanischen Regierung eine fundamentale Kursänderung erleichtern, was im Fall eines Wahlsiegs legitim ist. Allerdings sind die Initianten des Projekts offenbar überzeugt, dass Trump seine autoritären Instinkte im Zügel halten wird oder dass im anderen Fall besonnene Konservative ihn auch in einer zweiten Amtszeit «unter Kontrolle» halten können. Tatsächlich hatten republikanische Kongressmitglieder ihrem Präsidenten in der ersten Amtszeit oft Widerstand geleistet. Trump mochte provozieren, doch im Grunde veränderte er die Aussen- und Sicherheitspolitik kaum.

Ende 2019 veröffentlichte die Denkfabrik Brookings Institution einen ganzen Katalog von Schritten und Stellungnahmen, mit denen die amerikanische Regierung auf aggressive russische Aktionen reagiert hatte. Die Liste umfasst für den Zeitraum zwischen März 2017 und Dezember 2019 insgesamt 52 Punkte, darunter Verschärfungen von Sanktionen, Anklagen gegen russische Staatsbürger und Ausweisungen von «Diplomaten» Moskaus. Unter Präsident Trump lieferten die USA auch erstmals Kriegswaffen an die Ukraine, damit sich Kiew besser gegen die russische Bedrohung wappnen konnte.

Die Frage ist, ob sich diese Konstellation auf eine mögliche zweite Amtszeit übertragen liesse. Trump selbst hat ausgiebig Zweifel an seinem Willen genährt, Kiew weiterhin im nötigen Mass zu unterstützen. Er prahlte damit, er würde den Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden. Das kann nur bedeuten, dass er den Ukrainern mit dem Entzug der Unterstützung drohen würde, um sie an den Verhandlungstisch – und vielleicht auch zum Akzeptieren eines Trumpschen «Deals» – zu zwingen.

Im Vergleich zur ersten Amtszeit haben sich die Verhältnisse in der Republikanischen Partei verändert. Zwischen 2017 und 2021 hatte unter den Republikanern im Kongress noch die Regel gegolten, dass man hinter vorgehaltener Hand zwar beissende Kritik an Trump üben konnte, öffentlich aber jeden Konflikt vermied. Das war nicht nur politisches Kalkül, sondern geschah zum Teil auch aus Angst vor gewaltsamen Reaktionen radikaler Trump-Anhänger.

Doch viele jener, die sich damals offen oder wenigstens verdeckt gegen Trumps Launen gewehrt hatten, sind inzwischen nicht mehr im Amt oder haben ihren Ausstieg aus der Politik angekündigt. Sollte Trump im November deutlich siegen und mit seinem Schwung auch radikalen Anhängern die Wahl in den Kongress ermöglichen, wäre von solchen Abgeordneten und Senatoren gegenüber dem Präsidenten in erster Linie Loyalität zu erwarten, aber bestimmt nicht Widerstand.

Transatlantische Zerreissprobe

Aber selbst wenn die Schreckensszenarien Fiktion bleiben sollten: Das transatlantische Verhältnis würde sich unter einer Präsidentschaft Trumps mit Sicherheit ändern. Der 77-Jährige ist zur Symbolfigur eines Amerika geworden, das sich nicht mehr als ordnende Hand auf der globalen Bühne verstehen will, sondern einzig und knallhart seine eigenen, durchaus auch kurzfristigen Interessen wahrnimmt. Er hat diesen Trend nicht losgetreten, aber er hat diesen Stimmungswandel früher gewittert als andere und mit seinem grossen Megafon verstärkt.

Für Trump selbst ist anscheinend das einzige lohnende Ziel seines Tuns, dass er persönlich eine gute Figur macht, Lobpreisungen und Bewunderung einheimst oder mindestens Aufregung erregt. Alles andere ist zweitrangig. Wie schon zwischen 2017 und 2021 wäre nach einem neuen Einzug ins Weisse Haus von grosser Bedeutung, wer ihn beraten würde. Trump dürfte jedoch in einer zweiten Amtszeit anders vorgehen. 2017 hatte er zumeist kompetentes Personal angeheuert, gerade wenn es um Aussen- und Sicherheitspolitik ging. Dieses nutzte er aber rasch ab, und die Betroffenen wurden nicht selten mit Schimpf und Häme in die Wüste geschickt. General Mark Milley, Trumps höchster Militärberater, musste Personenschutz für seine Familie organisieren, nachdem Trump angeregt hatte, Milley verdiene eine Exekution.

die verhältnisse in der republikanischen partei haben sich verändert: was bedeutet das für die mögliche regierung trump 2.0?

Trump geniesst den Auftrag vor seinen Anhängern und versteht sie zu unterhalten. Cheney Orr / Reuters

Wer unter solchen Umständen nochmals für einen Präsidenten Trump seinen Ruf und seine Sicherheit aufs Spiel setzen will, ist nicht klar. Auch deshalb ist die Sorge gross, dass Trump im Fall einer Wahl nicht auf Persönlichkeiten mit Rückgrat zurückgreifen könnte – sogar, wenn er dies wollte. Wahrscheinlicher ist, dass er vor allem loyalere Kräfte anzuheuern versuchen würde.

Eine ähnliche Rechnung tut sich für die transatlantischen Beziehungen auf. Trump gebührt das Verdienst, dass er die Europäer in seiner ersten Amtszeit an die alte Wahrheit erinnerte, wonach nichts umsonst zu haben ist. Ob er nur dies im Sinn hatte und daneben aus purer Lust das Enfant terrible spielte, blieb immer etwas unklar. Tatsache ist, dass in seiner Regierung an den entscheidenden Stellen Frauen und Männer sassen, die nie auch nur ansatzweise bereit gewesen wären, die Nachkriegsordnung und die amerikanische Führungsrolle im Westen aufzugeben. Diese Gewissheit wird es unter Trump 2.0 nicht mehr geben.

Peter Winkler war NZZ-Korrespondent von 1995 bis 2021. Soeben erschienen ist im Quadriga-Verlag sein Buch «Amerika hat die Wahl. Wie der Kampf ums Weisse Haus unsere Zukunft bestimmt».

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