Der Neuzeller Klosterplan: eine Neugründung in der Diaspora

der neuzeller klosterplan: eine neugründung in der diaspora

In einem alten Vierkanthof müssen Pater Kilian und Pater Simeon (Mitte) mit ihren Brüdern zunächst ein Übergangskloster einrichten.

Jeden Morgen gegen 4.50 Uhr setzt sich ein kleiner Tross ­ von Zisterziensermönchen in ihrem weiß-schwarzen Habit vom Katholischen Pfarrhaus Neuzelle, in dem sie eine Art WG führen, über den kopfsteingepflasterten Vorplatz zur imposanten Kirche ­ St. Mariä Himmelfahrt in Bewegung. Im Sommer sehen sie an einigen wenigen Tagen gerade die Sonne aufgehen. Normalerweise beten Zisterziensermönche, die um vier Uhr aufstehen, auf dem Weg zum Frühgebet im Kreuzgang für sich ein Credo, in Neuzelle ist das nicht mehr möglich. Es gibt zwar noch einen Kreuzgang, sogar ein komplett erhaltenes Kloster auf der Nordseite, doch das gehört nicht mehr den Zisterziensern, die es einst erbauten. Es ist heute ein Museum, das von einer staatlichen Stiftung betrieben wird. Die Neuzeller Mönche gehen von Süden her ungeschützt zur Kirche, manchmal sind um fünf Uhr schon Spaziergänger unterwegs, die lautstark ihre Stöcke einsetzen, mittags geraten sie zuweilen in Touristenschwärme.

In den kalten Monaten führt der Weg durch den Seiteneingang in den Altarraum, von dort über die Sakristei in die Winterkapelle, die ans nördliche Seitenschiff grenzt. Der barocke Schmuck des 17. Jahrhunderts wirkt frühmorgens, nur notdürftig beleuchtet, lebendiger und eindrucksvoller als bei Tageslicht. In der gut beheizbaren Kapelle gibt es ein Chorgestühl, in dem die Mönche in voller Stärke gerade genug Platz haben. Es ist fünf Uhr, die Glocke läutet, die Zisterzienser erheben sich und gehen, anfangs sichtbar müde, der für sie wichtigsten Aufgabe nach, dem Chorgebet. Man muss nicht gläubig sein, um bei der Betrachtung des fein abgestimmten Sprechgesangs in lateinischer Sprache zu verstehen, dass hier eine rituelle Routine in großer Konzen­tration stattfindet, durch die etwas in der Welt ins Gleichgewicht gebracht werden soll. Insgesamt sieben Mal erklingen die Choräle des Stundengebets täglich bis 20 Uhr.

der neuzeller klosterplan: eine neugründung in der diaspora

Der Weg der Mönche: rechts das Pfarrhaus

Gestiftet wurde die historische Abtei auf einer Anhöhe am Rande der Oderniederung 1268 vom Wettiner Markgrafen Heinrich dem Erlauchten im Gedenken an seine früh verstorbene Frau. Die erste Bauphase, noch vom Stil der Backsteingotik geprägt, dauerte mehrere Jahrzehnte. Das Kloster überstand die Hussitenkriege und die anschließende Reformationszeit; nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde es im Stil des böhmischen Barocks umgestaltet. Die Stiftskirche strahlte anschließend eher den Geist der Gegenreformation als einen ursprünglichen Zisterziensischen Purismus aus. Auch ein Barockgarten und eine Orangerie wurden angelegt, später kam ein Weinberg hinzu. In der Phase der Säkularisation wurde das Kloster zunächst verschont, erst 1817 erfolgte die Zwangsauflösung unter dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. Nach 550 Jahren mussten die Zisterzienser ihr Kloster verlassen, Bildungseinrichtungen hielten Einzug, die katholische Kirche behielt lediglich das Nutzungsrecht für die Stiftskirche St. Mariä Himmelfahrt und das Pfarrhaus.

der neuzeller klosterplan: eine neugründung in der diaspora

Modell des zukünftigen Zisterzienserklosters Neuzelle auf einem ­früheren Stasi-Gelände im Wald bei Treppeln

In der NS-Zeit wurde das Areal als Schule für den „Führernachwuchs“ genutzt, in der DDR gab es hier ein Institut für Lehrerbildung und ein Priesterseminar, das auch der aktuelle Bischof von Görlitz besuchte. Nach der Wende ging das vollständig erhaltene Kloster und dessen ehemaliger Besitz von mehr als 11.000 Hektar, auf denen heute zu großen Teilen Wald steht, an die „Stiftung Stift Neuzelle“ des Landes Brandenburg über. Eine Privatschule mit Internat belegte das frühere Konventgebäude, die Wohnräume der Mönche. In dreißig Jahren investierte die Stiftung 50 Millionen Euro in die historische Klosteranlage, doch den ursprünglichen Kult, aus dem alles andere hervorgegangen war, gab es nicht mehr.

Die erwarteten Gesamtkosten werden nicht bekanntgegeben

der neuzeller klosterplan: eine neugründung in der diaspora

Backstein und Holz sind die Grundmaterialien für die von Tatiana ­Bilbao entworfene neue Stiftskirche.

2016 kehrten die Mönche überraschend und mit Symbolkraft zurück: 199 Jahre nach ihrer Vertreibung erfolgte „ein Ruf“ des Bischofs von Görlitz an die besonders nachwuchsstarke Zisterzienserabtei Heiligenkreuz im Wienerwald, eine Neubesiedlung zu prüfen. Das Kloster schickte darauf eine kleine Abordnung von Mönchen nach Neuzelle, die sich mietfrei zunächst im alten Pfarrhaus einrichteten und seelsorgerische Tätigkeiten übernahmen. Anfangs dachte man noch, in den Trakt der ehemaligen Kanzlei umziehen zu können, doch die Vorstellung erwies sich im Lauf der Verhandlungen mit der Stiftung und angesichts der Auflagen des Denkmalschutzes als naiv.

Zahlreiche Rückschläge mussten die Mönche hinnehmen und schließlich feststellen, dass auch der laufende Schulbetrieb und der Tourismus nicht zum klösterlichen Leben passten – sodass sie 2018 in Absprache mit dem Mutterkloster schon abbrechen wollten. Doch am nächsten Tag trafen sie sich morgens in der WG-Küche, und allen war plötzlich klar: „Wir können jetzt nicht aufgeben. Wenn wir als Mönche nicht zuerst nach geistlichen Kriterien entscheiden – wer dann?“ Und sie blieben getreu dem monastischen Leitbild der Beharrlichkeit in Brandenburg, zwei Autostunden entfernt vom nächsten Kloster, unter einem der größten Funklöcher Deutschlands. Bekräftigt wurde die endgültige Entscheidung durch die Errichtung eines Priorats, der Vorstufe eines Klosters, mit sechs Gründermönchen. Und auch einen neuen Plan gab es: den Neubau eines Klosters in der näheren Umgebung von Neuzelle.

Das Baugrundstück sollte auf früherem Stiftsbesitz liegen und möglichst noch die Neuzeller Postleitzahl tragen. Die Wahl fiel auf das Areal des alten Forsthauses Treppeln, mitten im Wald gelegen. Bis in die Achtzigerjahre war es von der Stasi genutzt worden, doch die mehr als zwei Dutzend verfallenen Bauten stießen die Mönche nicht ab. Sie kauften die Fläche von 75 Hektar (zurück) und beauftragten die mexikanische Architektin Tatiana Bilbao mit der Planung eines neuen Klosters mit mehr als 40 Mönchszellen und sieben etwas abgelegenen Einsiedeleien, die auch von Besuchern genutzt werden könnten. Als Anschubfinanzierung stellte das Bistum Görlitz eine Summe von einer Million Euro zur Verfügung, die mittlerweile schon zu drei Vierteln aufgebraucht ist. Alles andere muss sich nun über Spenden finanzieren. Die erwarteten Gesamtkosten werden nicht bekanntgegeben.

der neuzeller klosterplan: eine neugründung in der diaspora

Auf diesem freigelegten Innenhof des „Bernhardshofs“ soll später mal ein Kreuzgang entstehen.

Was befähigt die Neuzeller Mönche dazu, im weitgehend visionsfreien 21. Jahrhundert einen solch provozierenden Optimismus zu verbreiten? Es hat natürlich mit ihrem Gottesglauben zu tun.

Die Chorgebete wirkten zunächst spooky

Die beiden treibenden Kräfte hinter der Klosterneugründung, die schon in Heiligenkreuz eng zusammenarbeiteten, sind der Prior Pater Simeon und der Subprior Pater Kilian. Letzterer – schlank gewachsen, schwarzes Käppi auf dem kahlen Schädel, markante Hornbrille, freundliches Lächeln, Mehrtagebart – ist so etwas wie der PR-Mönch in Neuzelle. Wir treffen ihn im Gesprächszimmer des alten Pfarrhauses, wo gerade mal zwei Stühle mit etwas Abstand nebeneinander passen. Davor steht ein Couchtisch und ein ungemütlicher Ikea-Wippsessel, in dem die Patres mehr kauern müssen als bequem sitzen zu können.

Pater Kilian wurde 1976 im hessischen Lich geboren und evangelisch getauft. Sein Vater war BWL-Professor mit einer in dieser Berufsgruppe eher seltenen Begeisterung für die Architektur der Zisterzienser. Mitte der Neunzigerjahre machte Müller Abitur, studierte in Bamberg und Montpellier BWL, zog anschließend in die Hauptstadt. Beruflich enttäuscht nahm er Anfang der Zweitausenderjahre von Berlin aus ein Studium der Kulturwissenschaft in Frankfurt (Oder) auf. Im Alter von 27 Jahren erhielt er eine „schwierige Diagnose“, die ihn mit einer begrenzten Lebenserwartung konfrontierte. Müller beschloss, sein Leben voll auszukosten, setzte die Medikamente ab und stürzte sich in die Clubkultur.

Im dritten Semester wurde in Frankfurt von einem Diözesanpriester ein Seminar über Bernhard von Clairvaux angeboten, den prägenden Ordensvater der Zisterzienser. Müller ging hin, obwohl er, wie er sagt, voller Vorurteile gegen alles Kirchliche war. Doch als der hagere Dozent im Kollarhemd zu sprechen begann, versprühte er „so ein Feuer“, dass es Kilian Müller komplett mitriss, wie er sagt. Noch bei der Nacherzählung muss er kurz innehalten, weil Tränen der Rührung seine Stimme brechen. „Das war ein Lichtstrahl in der Dunkelheit“, sagt er zur Erklärung. Im Grunde hatte er sich von seinem zwölften Lebensjahr an „innerlich leer“ gefühlt, sagt er, „einsam“. Das vernetzte Wissen dieses Priesters löste etwas in ihm aus – zunächst ohne allzu große Nachwirkungen.

Das Jahr 2006 kam, Müller wurde 30, die Lust auf Partys war verflogen. Eine Sehnsucht nach Auszeit überkam ihn. Auf der Website des Zisterzienserklosters Heiligenkreuz blieb er hängen. Für Ende August meldete er sich für eine Woche „Kloster auf Zeit“ an – und betrat „mit schlotternden Knien“ an einem „wunderschönen Spätsommertag“ die Abtei. Als Erstes registrierte er, wie „belebt“ die Architektur war. Die Chorgebete fand er zunächst „spooky“, der Gesang beeindruckte ihn in seiner Fremdheit.

„An manchen Tagen fragt man sich schon, was mache ich eigentlich hier?“

Am dritten Tag gab es eine Jugendvigil – in die Kirche strömten knapp 400 junge Leute. Von da an fühlte er sich wie in einem „krassen Traum“, hin und her gerissen zwischen „Sehnsucht, Angst, Fluchtinstinkt und dem Bedürfnis, innerlich aufzuräumen“. Das Gefühl, ein Heuchler zu sein, schwang überall mit. Zwei Tage vor der Abreise geriet er in ein Hochgefühl, auf einem Fahrradausflug fühlte er sich geradezu „high“, freute sich übermäßig über die Schönheit der Natur. Am Abend nahm er die Bibel aus dem Regal und schlug sie willkürlich an einer Stelle auf, sie handelte von „Heuchlern“. Am nächsten Tag in der Sonntagsmesse bezog sich der Predigttext, der sich nur alle sechs Jahre wiederholt, auf ebenjene Stelle. „Ich bin fast davongeflossen“, sagt er. Er suchte das Gespräch mit dem Prior, dem er ein bis zwei Stunden lang sein Herz ausschüttete. Dieser sagte anschließend knapp: „Dann kommen Sie zu uns, oder?“ Kilian Müller sagte gleich mehrfach „ja“.

In Berlin zurück konvertierte er und reiste wenige Tage später zurück in den Wienerwald, wo bald darauf seine Erstkommunion erfolgte. Und dann war, wie er sagt, von einem Tag auf den anderen das Gefühl, „high“ zu sein, weg, und die Trauer kam wieder. Es dauerte einige Zeit, bis er als „Kandidat“ innere Ruhe fand. „Vielleicht hätte mein Glaube allein nicht für meine Entscheidung gereicht. Doch das Wissen um diese Gotteserfahrung konnte ich nicht ignorieren. So ein starkes und schnelles Berufungserlebnis ist auch bei Mönchen eher selten. Dass es bei mir so war, nimmt mir einerseits ein Stück Freiheit – ich kann nicht mehr sagen, dass es Gott nicht gibt, dabei sollte man ihm ja eigentlich in Freiheit zugetan sein –, andererseits ist es großartig, denn diese Berufung ist für mich auch in schwierigen Momenten ein sicherer Halt.“

Die drei Jahre alte Diagnose habe auf seine Entscheidung damals keinen Einfluss gehabt, sagt er und weiß, dass das seltsam klingt, aber er hatte den Befund einfach verdrängt. Doch angehende Mönche müssen schwere Krankheiten melden, daher suchte Müller zum ersten Mal seit Langem wieder einen Spezialisten auf, voller Sorge. Das überraschende Ergebnis: Die lebensgefährliche Krankheit erwies sich, da der neue Arzt ganz andere Fragen stellte, als seltene, aber ungefährliche Hautkrankheit. Damit stand dem Leben im Kloster nichts mehr im Weg. Auf das Noviziat folgte die erste und zweite Profess, 2013 schloss Kilian Müller das Theologiestudium in Heiligenkreuz ab, im selben Jahr wurde er zum Priester geweiht. Für seine Arbeit bekommt er vom Kloster ein bescheidenes Taschengeld und einen Tag im Monat frei. Es gehe ihm darum, „Leben gelingen zu lassen“, sagt er.

Pater Simeon Wester, Jahrgang 1965, bezeichnet Pater Kilian als polyglotten Visionär und versierten Organisator. Als der Abt von Heiligenkreuz ihn, Simeon, 2016 fragte, ob er bereit sei, nach Neuzelle zu gehen, sei ihm nach seiner Zusage klar gewesen, dass er Bruder Kilian an seiner Seite brauchte. Pater Simeon ist ein kräftiger Mann mit rheinischer Sprachmelodie, der gerne lacht und kein Blatt vor den Mund nimmt: „An manchen Tagen fragt man sich schon, was mache ich eigentlich hier?“ Auch er wurde recht spät Mönch, dabei hatte er eine Berufung schon im Alter von 15 Jahren gespürt. Doch stark verwurzelt in seinem Heimatort Unkel am Rhein wurde er das Gefühl nicht los: „Das schaffe ich nicht.“ Er studierte Chorleitung und Gesang und wurde Berufsmusiker, voller Begeisterung machte er auch Karnevalsmusik. Mit 35 Jahren stand er kurz vor der Hochzeit mit seiner langjährigen Freundin, da wurde sein Drang ins Kloster plötzlich so stark, dass er ihm nachging. In Heiligenkreuz wurde er schnell Novizenmeister, dann Prior, als Kantor war er verantwortlich für die erfolgreichen Choral-CDs „Chant“, die dem Kloster große Bekanntheit einbrachten.

Jedem Bauherrn würden die Haare zu Berge stehen

Für Pater Simeon ist Neuzelle „der richtige Ort“, auch der Papst habe ja gefordert: „Geht an die Ränder!“ Von Beginn an sei ihm klar gewesen, dass es in den ersten zehn Jahren erst einmal darum gehe, Wurzeln zu schlagen. Seine Hauptaufgabe sieht er darin, „die Gemeinschaft zusammenzuhalten“. Das Chorgebet sei die Grundlage („Die Form hält einen“), alles Weitere entwickle sich daraus. Gerade in der beengten WG-Situation der letzten Jahre habe sich jeder Einzelne in wachsender Toleranz üben müssen, auch sich selbst gegenüber: „Wir sind ganz offensichtlich keine Heiligen. Wir machen uns nicht perfekt, wir versuchen, das Geschenk der Liebe anzunehmen. Das Geheimnis von Neuzelle besteht in einer starken Gemeinschaft vollkommen unterschiedlicher Typen.“

Gibt es auch einen missionarischen Hintergrund? „Wir sind einfach da“, sagt Pater Simeon, Mönche und ein Kloster zögen von selbst die Menschen an, das Konzept der „Barmherzigkeit ohne Ende“ funktioniere seit Jahrhunderten. Nur im Pfarrhaus könne die Gemeinschaft nach dem erfreulichen Zuwachs der letzten Jahre nicht länger bleiben: Ein Bruder musste schon in einen Wohnwagen ziehen, für Besucher wurde ein Zimmer im Ort angemietet. Dann die Überraschung aus heiterem Himmel: Eine Erbengemeinschaft bot den Mönchen Ende des Jahres 2023 günstig einen alten, zum Teil verfallenen Vierkanthof mitten in Treppeln an, nur einen Kilometer entfernt vom neuen Klostergelände – eine fast zwingende Übergangs­lösung.

Den Mönchen gefiel das eingefriedete Gelände zwischen zwei Nachbarhäusern an der Landstraße sofort, sie tauften ihn „Bernhardshof“ nach ihrem Ordensvater. Die Arbeit, die jetzt beim Um- und Ausbau vor ihnen liegt, ist enorm, auch wenn bei wichtigen Gewerken Fachleute hinzugezogen werden. Die Scheune mit dem kaputten Dach soll eine kleine Kirche werden – kreuzförmige Belüftungsschlitze hat sie schon –, das Wohnhaus aus dem 19. Jahrhundert wird Begegnungsstätte, eine Lagerhalle und der Stall zum Wohnbereich der Mönche. In der Hofmitte soll ein überdachter, aber offener Kreuzgang angelegt werden, noch liegt dort umgegrabene Erde. Jedem Bauherren würden zwischen Schutt und Krume die Haare zu Berge stehen, doch die Mönche sind guter Dinge.

Durch Patina soll alles schöner werden

Sie sind derzeit zu neunt, und körperliche Arbeit hat bei den Zisterziensern einen hohen Stellenwert. Pater Kilian sieht schon die Hühner auf dem großen Grundstück hinter der Scheune gackern und die Bienen summen. Die Bauern im Ort könnten ihnen den Baumschnitt beibringen. Hatten sie den im Mittelalter nicht von den Mönchen gelernt? Pater Kilian muss lachen, den einstigen Pionieren fühlt er sich neuerdings besonders stark verbunden. An den Wochenenden helfen Freiwillige aus dem Dorf und von weiter her, Handwerker leihen Geräte. Die Entrümpelung und Entkernung sind größtenteils abgeschlossen. 2025 soll der Umzug vom Pfarrhaus auf den Hof erfolgen, wobei die Pfarrseelsorge in Neuzelle erhalten bleibt.

Wir verlassen die eine Baustelle und fahren zur nächsten, dem etwa hundert Mal so großen Grundstück für das Kloster „Maria Friedenshort“, das eigentliche Ziel. Der asphaltierte Weg endet vor einem verschlossenen Tor, das kaum überschaubare lichte Waldstück betreten wir durch eine Zaunlücke. Die Stasi-Gebäude wurden bereits alle abgerissen, die unterirdischen Dieseltanks entsorgt, nur ein paar Bunkerteile liegen noch in einer Ecke herum, die Wege aus Betonplatten bleiben für kommende Baumaschinen liegen.

Das Gelände ist leicht abschüssig und regt die Phantasie an. Es hat, auch wegen der alten Eichenallee in der Mitte, etwas von einem Gemälde Caspar David Friedrichs, an der höchsten Stelle wurde schon ein mächtiges Kreuz errichtet. Pater Kilian freut sich über die ersten wild verpflanzten Blumenkissen im Waldboden. „Es riecht wie im Süden“, sagt er, viele Kiefern gibt es hier. Die Umfriedung des Klosters wird 11 Hektar einfassen. Die prägenden Baumaterialien sollen Backstein und Holz sein. Der Neuzeller Klosterplan, von Tatiana Bilbao in enger Abstimmung mit den Mönchen erstellt, ist geprägt von symbolischen Proportionen, bei denen die Zahlen drei, vier, sieben und zwölf eine wichtige Rolle spielen. Alle Achsen treffen sich im Kreuzgang. Eine Grundidee ist es, dass durch Patina alles immer schöner wird.

Wenn alles gut geht und ausreichend Spenden fließen, kann die erste von drei Bauphasen ab 2026 beginnen. Sie allein würde ein paar Jahre dauern. Pater Kilian sagt, er wisse nicht, ob er das fertige Kloster erleben werde, daher habe er ­beschlossen, „den Prozess zu lieben“. Daran, dass es das neue Kloster geben wird, glaubt er fest. Zu zahlreich waren in den letzten Jahren die Erfolgserlebnisse an heiklen Punkten. „Das Ganze passt zur Handschrift Gottes“, sagt er und setzt in schönster Alltagssprache hinzu: „Es ist against the odds, aber gerade noch möglich.“

News Related

OTHER NEWS

Ukraine-Update am Morgen - Verhandlungen mit Moskau wären „Kapitulationsmonolog" für Kiew

US-Präsident Joe Biden empfängt Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus. Evan Vucci/AP/dpa Die US-Regierung hält Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zum jetzigen Zeitpunkt für „sinnlos”. Bei einem Unwetter in Odessa ... Read more »

Deutschland im Wettbewerb: Subventionen schaden dem Standort

Bundeskanzler Olaf Scholz am 15. November 2023 im Bundestag Als Amerikas Präsident Donald Trump im Jahr 2017 mit Handelsschranken und Subventionen den Wirtschaftskrieg gegen China begann, schrien die Europäer auf ... Read more »

«Godfather of British Blues»: John Mayall wird 90

John Mayall hat Musikgeschichte geschrieben. Man nennt ihn den «Godfather of British Blues». Seit den 1960er Jahren hat John Mayall den Blues geprägt wie nur wenige andere britische Musiker. In ... Read more »

Bund und Bahn: Einigung auf günstigeres Deutschlandticket für Studenten

Mit dem vergünstigten Deutschlandticket will Bundesverkehrsminister Wissing eine junge Kundengruppe dauerhaft an den ÖPNV binden. Bei der Fahrkarte für den Nah- und Regionalverkehr vereinbaren Bund und Länder eine Lösung für ... Read more »

Die Ukraine soll der Nato beitreten - nach dem Krieg

Die Ukraine soll nach dem Krieg Nato-Mitglied werden. Die Ukraine wird – Reformen vorausgesetzt – nach dem Krieg Mitglied der Nato werden. Das hat der Generalsekretär des Militärbündnisses, Jens Stoltenberg, ... Read more »

Präsidentin droht Anklage wegen Tod von Demonstranten

Lima. In Peru wurde eine staatsrechtlichen Beschwerde gegen Präsidentin Dina Boluarte eingeleitet. Sie wird für den Tod von mehreren regierungskritischen Demonstranten verantwortlich gemacht. Was der Politikerin jetzt droht. Perus Präsidentin ... Read more »

Novartis will nach Sandoz-Abspaltung stärker wachsen

ARCHIV: Das Logo des Schweizer Arzneimittelherstellers Novartis im Werk des Unternehmens in der Nordschweizer Stadt Stein, Schweiz, 23. Oktober 2017. REUTERS/Arnd Wiegmann Zürich (Reuters) – Der Schweizer Pharmakonzern Novartis will ... Read more »
Top List in the World