Einfamilienhäuser: Warum vielen die Lust am Bauen und Umbauen vergangen ist

einfamilienhäuser: warum vielen die lust am bauen und umbauen vergangen ist

Früher Zehntscheune, heute Wohn- und Bürrohaus: Diesem baudenkmal in Tübingen hat eine Baugruppe um Architekt Christoph Manderscheid neues Leben eingehaucht.

Das Einfamilienhaus mit dem eigenwillig geknickten Dach im Berliner Norden ist eines der wenigen neuen Häuser, die in den vergangenen vierzehn Monaten fertig geworden sind. Neubauten, große wie kleine, haben gerade Seltenheitswert. Drei bis vier solcher Privathäuser plant das Büro Steiner Weißenberger Architekten normalerweise in einem Jahr, 2023 jedoch nur dieses eine. „Der Wohnungsbau ist quasi zum Erliegen gekommen“, sagt Mitinhaber Karl Weißenberger. Das Haus in Reinickendorf habe sich der Eigentümer nur deshalb leisten können, weil er das Grundstück geerbt hatte.

Für alle Möchte-zu-gern-Bauherren und Eigenheimträumerinnen sind es schwierige Zeiten. Da können Immobilienmakler und Baufinanzierer noch so viel Optimismus verbreiten, indem sie auf die große Auswahl (so viele Angebote wie lange nicht mehr!), günstige Gelegenheiten (kräftiger Preisrückgang!) und die wieder ziemlich berechenbaren Kreditkosten (stabile Hypothekenzinsen von um die 3,7 Prozent!) verweisen. Denn erschwinglicher sind Bau und Umbau dadurch nicht geworden. Daran sind unter anderem die in die Höhe geschnellten Baukosten schuld: Rohbau, Dach, Heizung – alles ist 2023 noch teurer geworden. Weiter gestiegen sind außerdem die Materialpreise. Zwar kosten Holz und Stahl gerade weniger als 2022. Andere Bauteile wie Fenster und Glastüren haben dagegen deutlich im Preis zugelegt.

Nie war Bauen so teuer

Hinzu kommen die nicht unerheblichen staatlichen Abgaben wie die Grunderwerbsteuer sowie Baunebenkosten, zum Beispiel für Bauantrag und Erdaushub. Alles zusammen genommen, kostet ein Quadratmeter Neubau in Deutschland mittlerweile rund 5000 Euro. Das ist mehr als in jedem anderen EU-Land. Der Baukostenindex der Architektenkammern zeigt: Nie war Bauen so teuer.

All das trägt dazu bei, dass der Kreis der Bauwilligen geschrumpft ist. Schaut man auf die Zahlen des Statistischen Bundesamtes, sieht man, dass nicht nur die Anträge für neue Geschosswohnungsbauten regelrecht eingebrochen sind. Die Behörden haben 2023 im Jahresvergleich fast 40 Prozent weniger Einfamilienhäuser genehmigt und bei Zweifamilienhäusern sogar nur knapp die Hälfte. Neue Häuser werden in diesem Jahr also noch rarer sein.

Die hohen Kosten machen aber auch denen zu schaffen, die gern ein altes Haus auf Vordermann bringen würden. Eigentlich sind gebrauchte Eigenheime gerade für Familien ideale Objekte, um sich den Wunsch nach einem eigenen Haus zu erfüllen. Sie liegen oft in einer gewachsenen Nachbarschaft, in der es Schulen, Kindergärten, Geschäfte und eine halbwegs vernünftige Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr gibt.

Viele lassen von maroden Altbauten die Finger

Es ist noch nicht lange her, da fanden solche Angebote reißenden Absatz, egal, wie viele Macken sie hatten. Bieterwettbewerbe und Gekauft-wie-gesehen-Zusagen waren vor allem auf den heiß umkämpften Häusermärkten in den Großstädten keine Seltenheit. Nun sind die Anzeigenportale voll mit Angeboten, für die sich ewig kein Abnehmer findet. Denn viele, die eigentlich gern würden, lassen, anders als noch in der Niedrigzinsphase, von schwer kalkulierbaren Sanierungsfällen mit marodem Dach und veralteter Haustechnik die Finger.

Besonders die Heizungsfrage verunsichert. Das liegt auch an der öffentlich ausgefochtenen Debatte um das 2024 in Kraft getretene Gebäudeenergiegesetz: Muss die alte Gasheizung raus? Lohnt es sich womöglich, abzuwarten? Wäre es besser, gleich auf eine Wärmepumpe umzustellen, aber kann man sich das Haus dann noch leisten? Selbst manch solide Immobilie wird über solche Abwägungen zum Ladenhüter, wenn die Anbieter nicht den Preis senken. Seit Ende Februar bietet die KfW Eigentümern, die ihre Immobilie selbst bewohnen, immerhin wieder eine Heizungsförderung an.

Man könnte die vielen im vergangenen Jahr geplatzten Wohnträume als reine Privatangelegenheit betrachten, fehlten in Deutschland nicht mehrere Hunderttausend Wohnungen. Bis 2027 sollen es Schätzungen der „Immobilienweisen“ zufolge sogar 830.000 sein. Die Mehrzahl davon wird im Geschosswohnungsbau entstehen. Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln geht davon aus, dass in der Vergangenheit jedes Jahr etwa eine Viertelmillion Haushalte durch den Umzug ins Eigenheim eine Mietwohnung freigemacht hat. So beeinflussen neben bewohnten Eigentumswohnungen auch alte und neue Häuser den lokalen Wohnungsmarkt.

Unter Architekten, Stadt-und Raumplanern, aber auch vielen Politikern quer durch alle Lager hat sich im vergangenen Jahrzehnt die Einschätzung durchgesetzt, dass das großflächige Bauen neuer Einfamilienhäuser das Problem nicht lösen wird. Erstens mit Blick auf den enormen Flächenverbrauch und die gewaltigen Treibhausgasemissionen im Neubau. Zweitens, weil der Aufwand für jedes einzelne Haus vergleichsweise groß, die Zahl der Menschen, die darin leben, aber in der Regel klein ist. Außerdem gibt es noch ein Argument: Gerade Landgemeinden, die gegen das Sterben ihres Ortskerns kämpfen, schadet ein Ring an Neubauten im Zweifelsfall eher.

Wohnraumpotential im Altbau

Dabei sind klug geplante Privathäuser, die in Städten auf schwierigen Restgrundstücken Lücken schließen, als Aufstockung auf ein Dach gesetzt werden oder wie der Neubau in Berlin-Reinickendorf in zweiter Reihe stehen, eine Möglichkeit, Reserven zu nutzen.

Das gilt genauso für betagte Altbauten, in die neues Leben einzieht. Im ganzen Land stehen alte Einfamilienhäuser, aber auch Scheunen, ehemalige Gemüselager und Schulen, in denen enormes Wohnraumpotential schlummert. Besser als bisher genutzt, könnten Altbauten nach Ansicht von Wohnungsmarktexperten nicht nur individuelle Wohnwünsche erfüllen, sondern auch den Wohnungsmarkt entlasten und Neubau vermeiden. Einer Studie des Forschungsinstituts Empirica zufolge förderten 2022 schon 117 Kommunen über das Angebot „Jung kauft Alt“ den Erwerb eines alten Hauses durch junge Käufer. Die Bundesregierung will dafür in diesem und nächstem Jahr ein Förderprogramm auflegen.

Der Kauf eines alten Hauses würde aber vor allem auch wesentlich günstiger und attraktiver, wäre der finanzielle Aufwand für die Sanierung niedriger. „Eines der größten Probleme ist, und das macht das Umbauen auch bisweilen unnötig teuer, dass es extrem schwierig sein kann, neue Standards und Bauvorschriften zu erfüllen“, kritisiert Florian Nagler. Der Architekt widmet sich nach seinem Forschungsprojekt „Einfach Bauen“ an der TU München nun einer Studie zum einfachen Umbauen.

Es wäre klug, an bereits einmal genehmigte, über Jahrzehnte gut funktionierende Gebäude keine höheren baurechtlichen Anforderungen zu stellen als zum Zeitpunkt der Baugenehmigung, sagt Nagler. „Warum muss beispielsweise ein Treppengeländer erhöht werden, obwohl hundert Jahre lang niemand abgestürzt ist?“ Ähnliches gilt für Schallschutz, Brandschutz und andere Vorgaben, die die sechzehn verschiedenen Landesbauordnungen für Umbauten machen. Viele Bauexperten halten die Regelwerke längst für ein zen­trales Problem.

Der Planungsfachmann hat aber auch beobachtet, dass sich jene Bauherren mit einem Umbau leichter tun, die nicht erwarten, dass ihr umgebautes Haus wie neu sein muss. Denn wer aus einem Altbau einen Neubau machen will, zahlt entsprechend viel. Zudem können Bauherren an anderer Stelle Kosten senken, bei der Wohnfläche. Das kann auch im Bestand klappen, etwa wenn sich zwei oder sogar mehr kleinere Haushalte ein großzügiges Einfamilienhaus teilen.

Der Berliner Architekt Karl Weißenberger erzählt, dass vor einigen Monaten der Eigentümer einer alten Villa an ihn herangetreten sei. Sein Auftrag: aus dem stattlichen Altbau ein Mehrgenerationenhaus zu machen.

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