Das steckt hinter der ernüchternden Sparsamkeit der Deutschen

Der Umsatz im Einzelhandel ist deutlich zurückgegangen, im Februar um 2,7 Prozent. Das hat zwar auch einen statistischen Grund. Es gibt aber auch eine Reihe von anderen Gründen, warum die Deutschen in Supermarkt und Co. sparen. Dabei sind die Löhne gestiegen.

das steckt hinter der ernüchternden sparsamkeit der deutschen

Die Aldi-Werbekampagne zu Ostern. Der Discounter ist für die Preise der Konkurrenz ein wichtiger Indikator Aldi

Wie es um den Einzelhandel steht, zeigt oft am besten die Werbung. Zu Ostern liefern sich in diesem Jahr Aldi und Lidl ein Plakatduell: Beide werben mit Niedrigpreisen.

Aldi hat sich für seine Eigenmarken von bekannten Ostersüßigkeiten inspirieren lassen. Lidl hingegen bewirbt sein Feinkostsortiment zum Sparpreis. Denn beide Discounter wissen: Die hohen Lebensmittelpreise machen den Kunden noch immer zu schaffen.

Das spiegeln auch die aktuellen Statistiken. Laut den offiziellen Zahlen ist der Einzelhandelsumsatz im Februar noch einmal gegenüber dem Vorjahresmonat zurückgegangen – preis- und kalenderbereinigt um stolze 2,7 Prozent.

Und das, obwohl vor einem Jahr Preisschocks und Energiekrise noch deutlich virulenter waren. Entsprechend verwundert sind Branchenbeobachter: „Das ist eine kalte Dusche für jegliche Konsumhoffnungen“, erklärte der Chefvolkswirt der Bank Hauck Aufhäuser Lampe, Alexander Krüger.

Allerdings sind auch statistische Effekte für die überraschend schwachen Zahlen verantwortlich: Durch das Schaltjahr gab es im Februar einen Tag mehr Zeit für die Konsumenten, ihr Monatsbudget auszugeben.

Die Bundesbank bereinigt die offiziell erhobenen Zahlen um diesen sogenannten Kalendereffekt. Dadurch entsteht rechnerisch das deutliche Minus gegenüber dem Februar 2023.

Ohne diese Rechenoperation legte der Umsatz nämlich preisbereinigt um 1,7 Prozent zu. Das heißt: Wäre kein Schaltjahr gewesen, sähe die Februar-Statistik wohl gar nicht so schlecht aus.

Dazu kommt: Der deutsche Einzelhandel steckt noch immer in ungewöhnlichen Problemen. Wegen der Mega-Insolvenz der österreichischen Signa-Gruppe sind Galeria und die KaDeWe-Gruppe insolvent und hängen beide in Verkaufsverfahren.

Entsprechend eingeschränkt sind ihre Werbebudgets, und die Kunden sind entsprechend abgeschreckt. Die Situation dürfte sich allerdings bald auflösen: Im Fall Galeria verhandelt der Insolvenzverwalter nach seinen Angaben nur noch mit zwei bislang ungenannten Kaufinteressenten.

Bald dürfte also klar sein, ob und wie es weitergeht. Klar ist: Mindestens ein knappes Drittel der aktuell 92 Filialen dürfte wohl schließen.

Umbrüche gibt es auch bei Sport Scheck, das aus dem Signa-Reich an den Händler Cisalfa Sports geht. Die Italiener betreiben in Deutschland bereits seit einigen Monaten Sport Voswinkel.

Mehrere Händler sind gehen in die Insolvenz oder geben ganz auf

Eine Sanierung mit möglichen Filialschließungen hat der Haushalts-Krimskrams-Händler Depot angekündigt. Die Modekette Hallhuber verschwindet vom Markt.

Der Konkurrent Wormland ist in einem Schutzschirm-Verfahren. Und vorherige Schließungsrunden etwa bei Galeria und Gerry Weber haben Lücken in den Fußgängerzonen hinterlassen.

Insgesamt hellt sich die Stimmung in der Branche dennoch nach der langen Durststrecke auf – wenn auch auf niedrigem Niveau. Das zeigt die regelmäßige Umfrage des Ifo-Instituts zu den Geschäftserwartungen.

„Der zuletzt vorherrschende Pessimismus geht zurück. Das Ostergeschäft ist für viele Einzelhändler offenbar ein Lichtblick gewesen“, sagte Ifo-Experte Patrick Höppner am Freitag. Auch der Ramadan verleiht dem Supermarkt-Geschäft Schwung.

Dennoch ist der Branche klar, dass mit den stabilisierten Rohstoffmärkten die Preise wieder in den Griff kommen müssen. Preiserhöhungen planen laut der Ifo-Umfrage denn auch in den kommenden Monaten nur noch so wenige Einzelhändler wie vor drei Jahren, also vor dem Ukraine-Krieg.

Allerdings ist das Preisniveau vor allem bei Lebensmitteln seit zwei Jahren eben deutlich gestiegen – auch noch in den vergangenen Monaten bis Februar. Das zeigen die amtlichen Zahlen des Statistischen Bundesamts.

In der Folge kaufen die Menschen weniger ein und bevorzugen preisgünstigere Eigenmarken. Preisbereinigt liegt der Umsatz der Branche daher nur auf dem Niveau von Ende 2016.

Das Wirtschaftswachstum der vergangenen sieben Jahre ist also am Einzelhandel rechnerisch vorbeigegangen – und das trotz der Lohnsteigerungen in vielen Branchen, die zuletzt wieder über der Inflationsrate lagen.

Das liegt auch daran, dass die hohe Lebensmittel-Inflation das Preisgefüge insgesamt verändert hat. So sind Immobilienpreise eher rückläufig – und damit steigen auch die Mieten weniger stark als andere Preise. Relativ gesehen macht dieser Effekt Lebensmittel und andere Konsumgüter noch teurer.

Zudem bleiben die Konsumenten durch die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten sowie die schwache Konjunktur verunsichert. Sie sparen daher weiterhin bei größeren oder nicht essenziellen Anschaffungen: Der Umsatz mit Möbeln und Mode sank im Februar deutlich. Das trifft besonders den Online-Handel, der sich von dem starken Rückgang seit dem Ende der Pandemie nicht erholt.

Und so dürfte im Osternest in diesem Jahr der billige „Oster Phantasie Medaillon-Sitzhase“ von Aldi öfter den klassischen Lindt-„Goldhasen“ ersetzen. Das muss nicht mal schlecht sein: Immerhin ist der Aldi-Schokohase anders als sein Schweizer Vorbild Fair-Trade-zertifiziert.

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