„Das Beste, was die Iraner haben“: Diese Waffen feuerte der Iran auf Israel ab – ein Raketenspezialist erklärt

Kurz nach dem Angriff auf Israel droht das iranische Regime mit einem noch umfangreicheren Schlag. Experte Fabian Hinz erläutert, was Teheran noch im Arsenal hat – und was nicht.

„das beste, was die iraner haben“: diese waffen feuerte der iran auf israel ab – ein raketenspezialist erklärt

Dieses von der iranischen Nachrichtenagentur Tasnim News Agency veröffentlichte Bild zeigt eine Drohne, die während des iranischen Großangriffs auf Israel am 14. April gestartet wird.

Herr Hinz, mehr als 300 Raketen und Drohnen hat der Iran in der Nacht zum Sonntag auf Israel abgefeuert. Um welche Waffensysteme handelte es sich?

Der Iran hat parallel dreierlei Waffensysteme eingesetzt: ballistische Raketen, Marschflugkörper und sogenannte Selbstmorddrohnen. Sie sind unterschiedlich schnell. Daher hat der Iran sie gestaffelt abgeschossen, damit sie ungefähr zur gleichen Zeit in Israel einschlagen.

Wie unterscheiden sie sich?

Am schnellsten sind die ballistischen Raketen. Sie brauchen vom Iran aus nur ein paar Minuten, um Israel zu erreichen. Sie bewegen sich auf einer ballistischen Kurve. Das heißt, sie fliegen durch den Weltraum, treten dann mit sehr hoher Geschwindigkeit in die Erdatmosphäre ein und schlagen schließlich ins Ziel ein oder werden abgefangen.

Was können Marschflugkörper demgegenüber?

Sie sind deutlich langsamer – sie brauchen für die Strecke Iran-Israel etwa zwei bis drei Stunden. Marschflugkörper fliegen sehr tief, auf einer Höhe von 15 bis 100 Metern. Damit können sie nur schwer vom gegnerischen Radar erfasst werden. Es ist auch nicht leicht, ihre genaue Position ausfindig zu machen. Zudem können Marschflugkörper in der Luft auch noch die Flugbahn ändern – man weiß also nie genau, wo die Rakete in einer Stunde sein wird. Das alles macht das Abfangen sehr schwierig.

Und Selbstmorddrohnen?

Sie ähneln in vielem den Marschflugkörpern. Sie fliegen ebenfalls relativ tief, sind allerdings noch deutlich langsamer – sie benötigen für die Strecke etwa neun Stunden. Sie haben in der Regel Verbrennungsmotoren. Ihr Vorteil ist, dass sie sehr günstig sind. Das heißt, dass der Iran sie in großer Menge abfeuern kann.

Israel hat den Großteil der Raketen und Drohnen abgefangen. Wie genau?

Die Israelis haben ein mehrschichtiges Verteidigungssystem mit verschiedenen Komponenten, die nach Reichweite der angreifenden Flugkörper unterscheiden. Das ist ein zentrales Kriterium, denn je größer die Reichweite der Rakete ist, desto höher fliegt sie und desto schneller schlägt sie in der Endphase ein.

Woraus besteht das Verteidigungssystem?

Auf der höchsten Ebene ist das „Arrow 3“, was jetzt auch nach Deutschland verkauft wird. Damit können Raketen sogar noch im Weltraum abgefangen werden. Das ist ziemlich spektakulär. Dann kommt „Arrow 2“ zur Abwehr ballistischer Raketen mit größerer Reichweite innerhalb der Atmosphäre. Und dann „David’s Sling“ für ballistische Kurzstreckenraketen.

Auf dem untersten Level gibt es den „Iron Dome“. Er wird für Artillerieraketen mit sehr kurzer Reichweite eingesetzt, so wie sie zum Beispiel von der Hamas aus dem Gazastreifen oder von der Hisbollah aus dem Libanon abgefeuert werden. Man könnte auch Drohnen und Marschflugkörper damit abwehren, aber keine Mittelstrecken- oder Interkontinentalraketen. Der „Iron Dome“ kam am Wochenende daher wohl auch gar nicht zum Einsatz.

Sondern?

Die Drohnen und die Marschflugkörper scheinen von Israel, den USA und Großbritannien größtenteils mit Kampfjets abgefangen worden zu sein, zum Teil auch schon bevor sie israelischen Luftraum erreichten.

Das Abfangen mit Kampfjets bedeutet bei 300 angreifenden Flugkörpern vermutlich auch ein hohes Risiko.

Es ist überschaubar. Es kann riskant sein, wenn man diesen Drohnen zu nahe kommt. Wenn sie explodieren, könnte man von Fragmenten getroffen werden. Verglichen mit Kampfjets fliegen diese Drohnen allerdings sehr langsam, so etwa 200 Kilometer pro Stunde. Bei den schnelleren Marschflugkörpern, die bei etwa 500 bis 7100 Kilometern pro Stunde liegen, ist das Risiko eher die niedrige Flughöhe. Aber gut trainierte Kampfpiloten können das.

Der Iran wollte Schaden anrichten. Daran besteht kein Zweifel.

Fabian Hinz, Raketenexperte vom International Institute for Strategic Studies (IISS)

Der Iran hatte vor den Angriffen gewarnt und musste davon ausgehen, dass das israelische Raketenabwehrsystem die Flugkörper abfängt.

Der Iran konnte gar nicht genau wissen, wie effektiv die israelische Abwehr sein würde. Die Technologie durchläuft in diesem Bereich gerade einen starken Wandel. Die Raketenabwehr als solche existiert in der heutigen Form noch gar nicht so lange. Für derartige Verbundangriffe, bei denen verschiedene Waffensysteme kombiniert werden, gibt es in dieser Größenordnung auch wenig Präzedenzfälle.

Manche Beobachter sahen im iranischen Angriff einen Versuch zu eskalieren, ohne zu eskalieren. Sollte es ein untauglicher Angriff sein?

Nein, da würde ich radikal widersprechen. Wäre das das Ziel gewesen, hätte der Iran vielleicht zehn ballistische Raketen älterer Bauart abgeschossen mit ein bisschen Vorwarnung. Es gab ja bereits kleinere Angriffe mit Raketen, Drohnen, Marschflugkörpern, zum Beispiel durch die Huthis. Die hat Israel erfolgreich abgefangen. Um ein so gutes Abwehrsystem zu überwinden, gibt es verschiedene Möglichkeiten.

Nämlich?

Sie können die Waffen im Verbund einsetzen, in der Hoffnung, durch die kombinierte Stärke die Abwehr zu überwinden. Sie können auf technologische Überlegenheit setzen, zum Beispiel auf Raketen, die man in der Endphase noch manövrieren kann. Daran arbeitet der Iran derzeit, die Systeme sind aber wahrscheinlich noch nicht einsatzfähig. Oder Sie versuchen, sich einen mengenmäßigen Vorteil zu verschaffen.

Auf zwei der drei Punkte hat der Iran bei diesem Angriff gesetzt: nämlich den Verbundangriff und die große Zahl an eingesetzten Waffen. Es war ein gezielter Angriff, um die israelischen Systeme zu überwältigen. Der Iran wollte Schaden anrichten. Daran besteht kein Zweifel.

Hundert ballistische Raketen gleichzeitig abzufeuern, ist eine enorme logistische Herausforderung.

Fabian Hinz, Raketenexperte vom International Institute for Strategic Studies (IISS)

Israel sagt, dass es 99 Prozent der angreifenden Flugkörper abgewehrt hat. Wie ist es dem Iran gelungen, das israelische Abwehrsystem an manchen Stellen doch zu durchdringen?

Grundsätzlich gilt, dass auch das beste Verteidigungssystem seine Schwächen hat und gerade bei einem so großen Angriff nicht zu 100 Prozent funktionieren kann.

Woran es jetzt genau lag, können wir derzeit noch nicht mit Sicherheit sagen. Es könnte auch sein, dass einige Raketen zum Einsatz kamen, die in der Endphase manövrierbar sind und die der Abwehr somit ausweichen können. Das ist momentan die Speerspitze der technologischen Entwicklung, und es gibt kaum Erfahrungswerte damit.

Der Iran hat bereits mit einem noch umfangreicheren Schlag gedroht, sollten Israel und die USA zurückschlagen. Was hat das Regime noch so im Arsenal?

Das ist eine wichtige Frage: Kann der Iran überhaupt noch einen umfangreicheren Schlag machen? Meiner Einschätzung nach verfügt das Land qualitativ nicht über deutlich mehr als das, was wir gesehen haben. Die Waffensysteme, die jetzt zum Einsatz kamen, waren das Beste, was die Iraner haben.

Mengenmäßig ginge theoretisch noch mehr, aber es ist eine Frage der Umsetzbarkeit. Hundert ballistische Raketen gleichzeitig abzufeuern, ist eine enorme logistische Herausforderung. Sie brauchen Startrampen, ausgebildetes Personal.

In den Angriff am Wochenende waren mit Sicherheit Hunderte, wenn nicht Tausende iranische Soldaten und Spezialisten involviert. Ich denke nicht, dass man das nun noch mit Faktor fünf oder zehn steigern könnte.

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