Daniela Klette: Die entscheidenden Momente an der Wohnungstür der Ex-RAF-Terroristin

Ein Hund bellte, eine Tür schlug zu, Daniela Klette musste noch aufs Klo: Ein Polizeidirektor aus Hannover hat die Festnahme der Ex-RAF-Terroristin geschildert und erklärt, wie sie ihren Kumpanen noch warnen konnte.

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Daniela Klette: Die entscheidenden Momente an der Wohnungstür der Ex-RAF-Terroristin

Die Zielfahnder des niedersächsischen Landeskriminalamtes (LKA) waren sich wohl nicht sicher, wen sie vor sich hatten. Sie hatten Hinweise auf eine Frau erhalten, die in der Berliner Sebastianstraße wohnen sollte. Sie hatten einen Tarnnamen genannt bekommen, doch die zuständige Hausverwaltung kannte keine Mieterin namens »Claudia«. Auch das Foto der Gesuchten erschien der Verwaltung fremd. Und auf den Klingelschildern des Wohnblocks in der Sebastianstraße fanden die Ermittler ebenfalls keinen Namen, der zu der Spur passte. Trotzdem sollte sie schließlich zu der seit 35 Jahren gesuchten Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette führen.

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So schilderte es ein Polizeidirektor des niedersächsischen Innenministeriums am Donnerstagmorgen in einer Sitzung des Innenausschusses des Landtags in Hannover. Der Sprechzettel liegt dem SPIEGEL vor. Der Beamte zeichnete die entscheidenden Minuten der Enttarnung Klettes nach und erklärte – zumindest aus Sicht der verantwortlichen Behörde –, wie es der Verdächtigen möglich war, ihren flüchtigen Kumpanen Burkhard Garweg zu warnen.

»Ich würde das nicht als Fehler bezeichnen«

Demnach hatten die Zielfahnder schließlich Leute befragt, die aus dem Mehrfamilienhaus in der Sebastianstraße kamen, und ihnen Fotos von Klette gezeigt. Und tatsächlich: Sie wiesen der Polizei den Weg in den fünften Stock. Dort standen die Beamten vor einer Wohnungstür. Eine Routineüberprüfung. Keine Gewissheit. So erzählte es der Polizeidirektor in der Sitzung.

Bei der Fahndung nach Klette, Garweg und Ernst-Volker Staub hatte es etliche solcher Routineüberprüfungen gegeben. Keine hatte zu einer Festnahme geführt. Seit 35 Jahren lebte das Trio, dem eine Serie von Raubüberfällen auf Supermärkte und Geldtransporter vorgeworfen wird, unerkannt im Untergrund.

Nun also die Sebastianstraße und die Wohnung im fünften Stock. Neben den Beamten aus Niedersachsen standen Streifenpolizisten aus Berlin, die sie zur Verstärkung gerufen hatten. Wie genau die folgenden Minuten verliefen, ist bisher nicht klar gewesen. Eine Version hatte Holger Münch, Chef des Bundeskriminalamts, in einem ARD-Interview beschrieben. Demnach sagte Klette, sie mache gleich die Tür auf und ließ sich dann Zeit, so erzählte es Münch am 17. März in »Bericht aus Berlin«. »Das war ein Zeitraum, in dem es tatsächlich möglich war, dann auch noch jemanden zu warnen.« Er würde das nicht als Fehler bezeichnen, erklärte der BKA-Chef.

Aggressiv bellender Hund

Der Polizeidirektor des niedersächsischen Innenministeriums schilderte den Parlamentariern den Ablauf nun etwas anders. Laut Sprechzettel für den Innenausschuss öffnete Klette die Tür »einen kleinen Spalt weit«. In der Wohnung habe sich ein aggressiv bellender Hund befunden, so der Polizeidirektor in seinem Vortrag. Die Beamten hätten der Frau an der Tür den Alias-Namen genannt. Klette bestätigte demnach, dass sie diese Person sei. Daraufhin habe man ihr eröffnet, sie müsse mit aufs Revier kommen. Klette willigte ein.

Dann lief der Polizeieinsatz allerdings offenbar nicht ganz so lehrbuchmäßig weiter, wie sich die Beamten das vielleicht gewünscht hätten. Denn Klette soll den Ermittlern die Tür vor der Nase wieder geschlossen haben, angeblich um den Hund in einen anderen Raum zu bringen. Als sie die Tür dann erneut öffnete, konnten die Beamten die Wohnung betreten. Die Frau habe dann gebeten, noch kurz die Toilette aufsuchen zu dürfen. Weder die Zivilfahnder aus Niedersachsen noch die Streifenpolizisten aus Berlin sollen das verhindert haben.

Sie verschwindet für eine Weile im Bad

Klette verschwand für eine Weile im Bad. Hat sie in dieser Zeit eine Nachricht an Garweg abgesetzt? Und hat sie dann die SIM-Karte in der Toilette heruntergespült? Im Innenausschuss erklärte der Polizeidirektor: »Unterdessen war der Geräuschpegel durch das laute, ununterbrochene Bellen des Hundes in der Wohnung hoch, sodass bis heute unklar ist, ob die Toilettenspülung betätigt wurde oder nicht«. Später stellten Polizisten ein Handy sicher, in dem die SIM-Karte fehlte.

Als die Frau aus dem Bad zurückkam, machten sich die Ermittler auf den Weg zur Polizeidienststelle, wo ein Fingerabdruck schließlich die Gewissheit brachte: Nach 35 Jahren war Daniela Klette aufgeflogen. Seither sitzt die 65-jährige in Untersuchungshaft.

Hatte Klette die Ermittler bei ihrer Festnahme ausgetrickst? Klette habe die Ausrede genutzt, den Hund wegzusperren und auf die Toilette zu müssen, hieß es nun im Innenausschuss. Das sei zwar misslich, aber »nach der Bewertung der Situation zum Zeitpunkt des Antreffens vor Ort durchaus erklär- und nachvollziehbar«. Dass Burkhard Garweg gewarnt wurde, steht jedenfalls außer Zweifel.

Bis zu diesem 26. Februar lebte der 55-Jährige auf einem Bauwagenplatz in der Nähe von Klettes Wohnung. Er konnte entkommen, sein Handy ist seit der Festnahme Klettes ausgeschaltet. Die Fahndung nach ihm läuft weiter. Man sei zuversichtlich, heißt es beim niedersächsischen LKA, auch ihn noch zu erwischen.

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