Thomas Gassiloud, der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses der französischen Nationalversammlung im Januar 2023 in Paris
Von Scheitern ist offiziell nicht die Rede. Aber zum ersten Mal wird von diesem Dienstag an in der Nationalversammlung über „neue Partnerschaften mit Afrika“ debattiert. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Thomas Gassilloud, gesteht im Gespräch mit der F.A.Z. ein, dass eine Fehleranalyse bislang nicht erfolgt sei.
„Was in der Sahelzone passiert, erinnert mich an das, was die Amerikaner in Afghanistan erlebt haben. Indem wir viel militärische Hilfe in ein Land investierten, hofften wir, es auf dem Weg zu mehr Demokratie, Stabilität und Entwicklung zu begleiten“, sagt Gassilloud. „Wir müssen mehr Bescheidenheit bei den Lösungen an den Tag legen, die wir in der Lage sind anzubieten“, sagt der 42 Jahre alte Politiker.
Der Truppenabzug gehe zügig voran. Ein Großteil des Materials ist über den Landweg von Niger in den Tschad gebracht worden. In Niamey verbleiben etwa 400 Soldaten, die bis Jahresende das Land verlassen haben sollen. Künftig seien andere Formen der Partnerschaften gefragt. „Wir haben uns selbst eine unmögliche Mission gegeben, die scheitern musste, solange die Verantwortlichen in den Gastländern untätig blieben“, sagt Gassilloud.
Truppenstärke an der NATO-Ostflanke soll nicht erhöht werden
Die Rückschläge bedeuteten jedoch nicht das Ende des französischen Streitkräftemodells einer schnell verlegbaren Expeditionsarmee, wie er betont. So sei nicht geplant, die Truppenstärke an der NATO-Ostflanke signifikant zu erhöhen. „Unser Ziel ist es nicht unbedingt, große Bataillone im Osten zu stationieren. Es gibt andere Möglichkeiten, die Sicherheit im Osten der EU und der NATO zu gewährleisten“, meint er.
Die französische Armee sei so organisiert, dass sie reaktionsschnell ist. „Nach dem 24. Februar 2022 waren wir die Ersten, die im Osten waren. Ein paar Stunden nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hatten wir Flugzeuge am polnischen Himmel. Die ersten Kräfte, die in Rumänien eingesetzt wurden, waren unsere, da wir Regimenter in ständiger Alarmbereitschaft haben, die jederzeit einsatzfähig sind“, erläutert er. Truppenstärke sei nicht alles. „Es ist besser, 1000 Soldaten mit nuklearer Abschreckung in Rumänien zu haben als 5000 Soldaten ohne Abschreckung“, meint Gassilloud.
Er sei erstaunt, wie wenig in Deutschland über die zentrale Rolle der nuklearen Abschreckung diskutiert werde. „Frankreich sagt nicht, dass es nur einen Zweitschlag in Erwägung zieht“, sagt er. Frankreich behalte sich vor, auch auf konventionelle Angriffe mit einem nuklearen Erstschlag zu reagieren. Die Sprache der nuklearen Abschreckung sei „subtil“. „Nachdem Putin Europa mit Atomschlägen drohte, haben wir ein erstes Signal gesendet, indem wir ein zweites Atom-U-Boot in der Ostsee kreuzen ließen“, erläutert er.
„Sicherheit nicht von amerikanischem Wahlergebnis abhängig machen“
Er hofft, dass der Verteidigungsausschuss bald Gelegenheit zu einem vertieften Austausch mit dem des Bundestages erhalte. Ein Termin im November war von deutscher Seite kurzfristig verschoben worden. Gassilloud bedauert, dass die Bundesregierung überwiegend in außereuropäische Rüstungsprojekte investiert.
„Wir können unsere eigene Sicherheit nicht von den Wahlergebnissen in den USA abhängig machen“, sagt er. Das deutsch-französische Kampfflugzeugsystem FCAS bezeichnet er als „Souveränitätsprojekt“. Die Bundesregierung habe Kampfflugzeuge vom Typ F-35 bestellt. „Wir verstehen das, aber man darf nicht vergessen, dass Deutschland seine Einsätze auf einer amerikanischen Software vorbereiten wird, die vom Willen Washingtons abhängt“, sagt er. „Wenn ihre Interessen auf dem Spiel stehen, mischen sich die Amerikaner in die Bedingungen für die Nutzung ihres Materials ein.“ In der Sahelzone etwa hat Washington Paris auf strikte Einsatzregeln für die französischen Reaper-Drohnen verpflichtet.
Die Souveränitätsfrage stelle sich auch beim Luftabwehrsystem European Sky Shield Initiative (ESSI), das die Bundesregierung ohne Frankreich aufbaut. „Wir halten es für illusorisch, es den Israelis gleichzutun. Israel ist flächenmäßig ein kleines Land. Europa mit einem Raketenabwehrschild zu schützen ist materiell unerreichbar“, sagt Gassilloud. Er vermisse eine globalere Sichtweise bei der Bundesregierung. „In die Logik des Raketenabwehrschildes einzusteigen könnte eskalierend wirken, da es unsere Gegner dazu bringen wird, noch größere Durchschlagkapazitäten mit mehr Raketen zu entwickeln“, warnt er. „Ich bedauere, dass wir keine gründliche Diskussion geführt haben, um unsere strategische Vision anzunähern“, sagt er.
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