Die CSU hat große Ziele für die Europawahl, doch das Verhältnis ihrer Spitzenleute ist weiter frostig. Beim Parteitag in Passau meiden sich Markus Söder und Manfred Weber, so gut es geht. Dabei bleibt die größte Streitfrage unbeantwortet.
CSU-Europaparteitag: Wo genau steht noch mal die Brandmauer?
Die Halle liegt auf dem Weg nach Passau, in einem Münchner Industriegebiet neben der Autobahn 94. Und auch inhaltlich hat der Parteitag nur bedingt mit der Polter-Show zu tun, die die CSU jedes Jahr zum Aschermittwoch in Ostbayern abliefert. Schon der Spruch auf der Torwand, die die Junge Union draußen aufgebaut hat, ist etwas sperrig: »Erhöhte Erfolgschancen nur mit europäischem Binnenmarkt.«
Es geht um Europa, ein Politikfeld, in dem die Partei regelmäßig intern um ihren Standpunkt ringt. Mit dem Parteitag am Wochenende startet die CSU in ihren Wahlkampf für den 9. Juni. Nach der Wahl will sie laut Parteichef Markus Söder sieben Abgeordnete plus X ins EU-Parlament schicken. Bisher hat man dort sechs, Söder gibt also einen Zugewinn gegenüber den 40,7 Prozent 2019 als Ziel aus.
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Die Umfragen sind derzeit nicht schlecht. Doch ob die CSU ihre Zahlen wirklich auf die Straße bringt, ist unsicher. Zum ersten Mal dürfen auch in Bayern Jungwähler ab 16 Jahren wählen, die zeigten zuletzt wenig Hang zur CSU. Mit der Wagenknecht-Partei und erstarkten Freien Wählern ist die Konkurrenz für die CSU größer geworden.
Kein gemeinsamer Einzug von Söder und Weber
Und: Die beiden Hauptprotagonisten, Parteichef Markus Söder und EU-Spitzenkandidat Manfred Weber können nicht gut miteinander. In den Münchner Eisbach-Studios, dem Veranstaltungsort des Parteitages, reicht es nicht für einen gemeinsamen Einzug in die Halle.
2022 zofften sich Parteichef Söder und sein Vize Weber, der zugleich EVP-Chef und EVP-Fraktionsvorsitzender ist, etwa im Parteivorstand darüber, wie man am besten mit den Fratelli d’Italia umgehen solle, der Partei von Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni. Weber wirbt dafür, auf die Meloni-Partei zuzugehen und so bei knappen Stimmverhältnissen EVP-Anliegen eine Mehrheit zu sichern, wie jüngst beim Migrationspakt.
Söder wiederum ordnete Meloni dem rechtsradikalen Lager zu. Auf sein Betreiben hin errichtete die CSU eine virtuelle Brandmauer gegenüber Meloni, die in der Praxis aber nicht eingehalten wird. Dabei gilt eigentlich Weber als der liberalere der beiden Kontrahenten, jedenfalls nach CSU-Standards.
Söder besucht Meloni
Um die Sache noch zu verkomplizieren, besucht Söder in zwei Wochen selbst die andere Seite der Brandmauer. Bei seiner Italien-Reise wird er nicht nur den Papst treffen, sondern auch die italienische Regierungschefin, allerdings in seiner Funktion als Ministerpräsident, nicht als Parteivorsitzender, so betont man in Söders Umfeld – alles ziemlich viel Herumgeeiere.
In ihren beiden Reden auf dem Europaparteitag positionieren sich weder Söder noch Weber zu Meloni. Dabei ist klar, dass sich zentrale Forderungen aus der Europa-Agenda der CSU nur mit Meloni umsetzen ließen: illegale Migration begrenzen zum Beispiel oder den Grenzschutz an den EU-Außengrenzen verstärken.
Söder setzt in seiner Rede auf klassische Anti-Grünen- und Anti-Berlin-Rhetorik. »Wir wollen keine Grünen-Dominanz in Europa«, sagt der Parteichef. Außerdem: »Kein Schwarz-Grün für Deutschland.« Er teilt gegen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) aus: Der sei »ein guter Kinderbuchautor«, aber ein »schlechter Ökonom«.
»Die Ampel muss weg«, so Söder. Und sein Appell an die FDP, die am Wochenende ebenfalls ihren Parteitag abhält: »Entweder ihr beendet es oder ihr seid Teil des großen Problems.« Die CSU hat die Europawahl zur Abstimmung über die Performance der Ampel erklärt, ein durchschaubarer Versuch, den Protest dorthin zu lenken.
»Neu um den Wohlstand kümmern«
Weber legt seine Rede breiter an. Er betont die europäische Solidarität mit der Ukraine und mit Israel und wirbt als Antwort auf Emmanuel Macrons Untergangswarnung darum, den »european way of life« zu stärken. »Europa muss der Welt zeigen, dass Klimaschutz, Wohlstand und Sozialfragen zusammengehen.«
Der EVP-Chef hält sich länger beim Thema Wirtschaft auf. »Wir werden uns wieder neu um den Wohlstand kümmern müssen«, so Weber. Er erinnert daran, wie Deutschland einst führend war bei der Produktion von Fotovoltaik-Anlagen, ein Geschäft, das mittlerweile in chinesischer Hand liege. So drohe es auch mit dem E-Auto zu laufen, aufgrund der offensiven chinesischen Industriepolitik.
Nach Webers Rede gibt es nur ein kurzes Händeschütteln von Söder am Fuß der Bühne, auf ausführliche Zweier-Posen für die Fotografen verzichten die beiden. Erkennbar ist, dass sie die EU-Wahl auch mit Blick auf die eigenen Karrierechancen betrachten – wohl der tiefere Grund der Meloni-Kontroverse.
Diesmal ein Pro-Europa-Wahlkampf
Wo sich die CSU dieses Mal immerhin sicher ist: Man führt einen Pro-Europa-Wahlkampf. »Denkt daran, wie ihr tagtäglich von der Europäischen Union profitiert«, so intonierte es Generalsekretär Martin Huber in Richtung der Jungwähler, als er am Vortag die Kampagne vorstellte. »Schon immer war die CSU die Europa-Partei«, behauptet Söder auf der Bühne des Parteitages.
Nur zehn Jahre ist es her, da klang die Partei noch anders: 2014 führte die CSU mit Peter Gauweiler einen Anti-Brüssel-Wahlkampf. Eine »Flaschenmannschaft« sitze dort, polterte der. Zuvor hatte Edmund Stoiber lange gegen die europäische Gemeinschaftswährung gewettert, ohne dass die Partei daraus politischen Profit schlug.
2019 trat Weber dann mit dem Ziel an, als EVP-Spitzenkandidat Kommissionspräsident zu werden. Es kam anders, die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen bekam den Spitzenjob, viele in der CSU waren frustriert. Söder stellt sich bei seiner Rede hinter die Kommissionspräsidentin, die eine ausführliche Video-Botschaft nach München schickt. Und in Richtung Manfred Weber sagt er: »Wir haben gemeinsam das Trauma von damals überwunden.«
Wenn es doch nicht reicht für die sieben Parlamentarier plus X? Dann werden wohl beide jeweils ihre eigenen Erklärungen haben.
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