Weg mit der „Rente mit 63“ - Wer von den FDP-Plänen profitiert - und wer nicht

weg mit der „rente mit 63“ - wer von den fdp-plänen profitiert - und wer nicht

Wer früh mit privater Altersvorsorge beginnt, ist nicht nur auf die staatliche Rente angewiesen. Getty Images

Weg mit der „Rente mit 63“, Moratorium für Sozialleistungen: Die FDP-Spitze hat ein neues 12-Punkte-Papier beschlossen. Darin soll auch die Rente reformiert werden. Das wären die Auswirkungen.

Der Entwurf eines neuen 12-Punkte-Papieres der FDP ist am Wochenende bekannt geworden, am Montag einigte sich die Parteispitze darauf. Darin stellt die Partei Programmpunkte für die kommenden Monate auf. Viele der Punkte stehen im Gegensatz zu den Inhalten des Koalitionsvertrages. Einiges davon betrifft die Rente. Wir erklären, welche Auswirkungen die FDP-Pläne in diesem Bereich hätten, auch wenn es sich bisher um einen Entwurf handelt. Das bedeutet erstens, dass die genauen Details der Pläne noch nicht öffentlich bestätigt sind, und zweitens, dass sich die Punkte noch ändern können. Die FDP trifft sich am Wochenende zum Bundesparteitag, auf dem das Papier sicherlich diskutiert werden wird.

1. Die „Rente mit 63“ soll abgeschafft werden

Was muss man dazu wissen? Was wir trivial als „Rente mit 63“ bezeichnen, sind eigentlich zwei Rentenarten, einmal die „Rente für langjährig Versicherte“ und einmal die „Rente für besonders langjährig Versicherte“. Im ersten Fall dürfen Menschen vor Erreichen der Regelaltersgrenze in Rente gehen, wenn sie mindestens 35 Versicherungsjahre vorweisen können, im zweiten Fall mindestens 45 Jahre.

Bei der ersten Variante können Sie bis zu vier Jahre vor der Regelaltersgrenze in Rente gehen – also tatsächlich schon mit 63 Jahren – müssen dann aber einen dauerhaften Abschlag von 0,3 Prozent pro Monat hinnehmen, den Sie von der Regelaltersgrenze entfernt sind. In zweiten Fall können vor 1964 Geborene tatsächlich schon ab 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen, wenn sie 45 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Dieses Alter steigt je nach Geburtsjahr analog zur Regelaltersgrenze an, bis 2031 auf dann 65 Jahre.

Bei der Einführung unterschätze das SPD-geführte Arbeitsministerium, wie viele Menschen früher in Renten gehen würden. Dadurch waren auch die Kostenkalkulationen deutlich zu niedrig. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) schätzt die Kosten durch die abschlagsfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren auf rund drei Milliarden Euro pro Jahr. Geld, dass die FDP durch eine Abschaffung einsparen möchte. Außerdem sollen dadurch mehr Erwerbstätige im Arbeitsmarkt bleiben und so dem Arbeitskräftemangel entgegenwirken.

Was wären die Auswirkungen? Für die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren qualifizieren sich nur bestimmte Gruppen des Arbeitsmarktes. Wer 65 Jahre alt ist, müsste dafür schließlich seit seinem 20. Geburtstag durchgehend gearbeitet haben. Deswegen scheiden Akademiker und selbst die meisten Abiturienten schon einmal aus. Auch Frauen sind hier unterrepräsentiert, weil sie durch Kindererziehung und Teilzeit meist weniger Versicherungsjahre aufweisen können. Deswegen sind es meist Menschen aus handwerklichen und damit körperlich anstrengenden Berufen, die überhaupt die 45 Versicherungsjahre erreichen. Für sie wurde die „Rente mit 63“ auch geschaffen, weil viele körperlich nach so langer Zeit nicht mehr leistungsfähig sind.

Die FDP plädiert stattdessen dafür, dass diese Menschen noch bis zu vier Jahre länger arbeiten sollen, damit der Staat drei Milliarden Euro pro Jahr sparen kann, was 0,6 Prozent des Bundeshaushalts entspricht. Den Punkt, dass hier vor allem Menschen mit geringer akademischer Bildung und körperlicher Arbeit benachteiligt werden, sollten Sie dabei kurz im Hinterkopf behalten.

2. Es soll ein Moratorium für Sozialleistungen geben

Was muss man dazu wissen? Sozialleistungen machen den Großteil des Bundeshaushaltes aus. Aktuell liegt ihr Anteil bei rund 40 Prozent, das sind in diesem Jahr fast 200 Milliarden Euro. Die größten Posten machen dabei der Zuschuss an die Rentenversicherung (rund 26 Prozent des Haushaltes), sowie das Bürgergeld und andere Leistungen für Arbeitslose und schlecht bezahlte Erwerbstätige wie zum Beispiel Kurzarbeitergeld und Ausbildungsgeld (~ 10 Prozent) aus. Die Höhe der Sozialleistungen wird dabei jedes Jahr angepasst. Dabei gibt es verschiedene Mechanismen, grundsätzlich soll aber die allgemeine Preissteigerung, also die Inflation, ausgeglichen werden.

Die FDP möchte diese Erhöhungen für drei Jahre stoppen, wobei aus dem bisherigen Entwurf allerdings nicht deutlich wird, ob es um jedwede Erhöhung der Sozialleistungen geht oder nur um solche, die über die Inflationsrate hinausgehen würden. Sollte Letzteres der Fall sein, ist die Frage, ob dafür die Inflation des Vorjahres oder die Prognose für das kommende Jahr als Grundlage genommen wird.

Was wären die Auswirkungen? Wir gehen für die Auswirkungen einmal vom günstigeren Fall aus, also dass die allgemeine Preissteigerung weiterhin durch höhere Sozialleistungen ausgeglichen wird. In diesem Fall würde ein dreijähriges Moratorium bedeuten, dass Empfänger von Sozialleistungen – also Rentner, Arbeitslose, Aufstocker, Schüler, Studenten, Schwerbehinderte, Witwen, Eltern, Kinder und so weiter – sich dauerhaft weniger leisten können werden. Die Löhne von Erwerbstätigen steigen nämlich in der Regel deutlich stärker steigen als die Inflationsrate.

Wer arbeiten kann, hat also mehr Geld in der Tasche als Menschen, die das nicht können. Wenn die Reallöhne stärker als steigen, als die Real-Sozialleistungen, wächst die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland weiter. Sie ist heute schon eine der größten auf der Welt. Die Vermögen in Deutschland sind jetzt schon ungleicher verteilt als in den meisten anderen Staaten. Sinnvoll begründet werden müsste zudem noch, warum ein dreijähriges Moratorium besser ist als ein Einjähriges oder ein Fünfjähriges.

3. Arbeitgeber sollen für Rentner keine Sozialbeiträge mehr zahlen

Was muss man dazu wissen? Wer heute in Rente gehen könnte, aber noch weiterarbeiten will, kann das tun. Für jeden Monat, den Sie nach der Regelaltersgrenze arbeiten und keine Rente kassieren, erhöht sich Ihr Rentenbezug um 0,5 Prozent. Wer also mit 72 statt mit 67 Jahren in Rente geht, bekäme 30 Prozent mehr Rente. Dafür zahlen Arbeitnehmer aber auch weiter Beiträge.

Das macht Arbeiten im Alter bereits attraktiv, die FDP möchte da aber noch einen draufsetzen. Um ältere Arbeitnehmer auch für Arbeitgeber attraktiv zu machen, soll der Arbeitgeber-Anteil für die Arbeitslosenversicherung nach Erreichen der Regelaltersgrenze eines Mitarbeiters gestrichen werden. Der macht derzeit 1,3 Prozent des Bruttolohns aus. So sollen mehr Rentner im Arbeitsmarkt gehalten werden und somit dem Arbeitskräftemangel ein Stück entgegengewirkt werden.

Was wären die Auswirkungen? Es ist nicht klar, wer durch diesen Schritt motiviert werden soll. Direkt sparen erstmal nur Unternehmen Geld, nämlich 1,3 Prozent der Bruttolöhne ihrer Mitarbeiter im Rentenalter. Sollte der FDP-Plan sein, dadurch Unternehmen dazu zu bewegen, ältere Mitarbeiter länger im Unternehmen zu halten, ist das ein fraglicher Schritt, denn angesichts des Arbeitskräftemangels sollten Firmen dazu heute schon genug Motivation haben. Die FDP würde hier ein Problem lösen, was vermutlich nicht existiert.

Sollte der Plan sein, dass Rentner dadurch höhere Löhne bekommen, weil die Unternehmen die eingesparten 1,3 Prozent Sozialbeiträge in Löhne umsetzen könnten, ist wiederum fraglich, ob Unternehmen das tun werden. Eine Firma könnte sich die gesparten Beiträge auch einfach einstecken. Ginge es der FDP darum, Rentnern mit Arbeit höhere Löhne anzubieten, wäre es sinnvoller gewesen, den Arbeitnehmer-Anteil zu streichen.

Ein dritter Kritikpunkt: Erinnern Sie sich, dass wir weiter oben schrieben, dass Sie im Hinterkopf behalten sollten, dass die FDP handwerklich, körperlich arbeitende Menschen durch die Abschaffung der Rente mit 63 benachteiligen möchte? Nun, mit diesem Schritt hier würden Menschen bevorteilt, die über die Regelaltersgrenze hinaus noch arbeiten können. Das sind eben in der Regel Akademiker und andere Menschen mit körperlich einfachen Bürojobs. Diese gehören sowieso schon zu den Besserverdienenden in der Gesellschaft. Während die FDP Menschen mit geringem Einkommen bestrafen möchte, sollen also Menschen mit höherem Einkommen belohnt werden.

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