Der Dax-Konzern will seine CO2-Emissionen radikal kürzen. Dafür soll der Kern der Chemieproduktion künftig elektrisch betrieben werden. Die Technik könnte die Branche weltweit revolutionieren.
BASF geht einen weiteren Schritt beim grünen Umbau. Das Chemieunternehmen hat am Mittwoch die erste Demonstrationsanlage für elektrisch beheizte sogenannte Steamcracker-Öfen am Standort Ludwigshafen in Betrieb genommen. Die Anlage ist die erste ihrer Art in der weltweiten Chemieindustrie und für BASF einer der größten Hebel zur Senkung von CO2-Emissionen.
Steamcracker gelten als Herzstück der auf Rohöl basierenden Chemieherstellung. Sie stehen am Anfang der Produktionskette und liefern Basischemikalien wie Ethylen und Propylen, aus denen etwa Kunststoffe hergestellt werden. Bei BASF stehen diese Cracker im Zentrum der Verbundproduktion an Standorten weltweit.
Für die Aufspaltung von Rohölprodukten werden hohe Temperaturen bis zu 850 Grad gebraucht. Um diese zu erreichen, werden die Öfen bisher unter hohem Einsatz von Gas betrieben. Bei BASF entfallen allein 15 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen auf die Cracker.
BASF: Chemikalien mit Hitze aus Strom statt aus Gas herstellen
Künftig sollen diese energieintensiven Großanlagen mit Hitze aus Strom betrieben werden. Der Ludwigshafener Konzern treibt die Entwicklung nicht allein voran: Partner sind der saudi-arabische Chemiekonzern Sabic, gebaut wurde der elektrische Cracker von Linde. Konstruktion und Fertigstellung haben drei Jahre gedauert, jetzt startet der Regelbetrieb.
Mit der Demonstrationsanlage wollen BASF, Sabic und Linde zeigen, dass die Umstellung auf Strombeheizung technisch möglich ist und realen Produktionsbedingungen standhält. Die Pilotanlage ist vollständig in einen der beiden bestehenden Steamcracker in Ludwigshafen integriert. Sollte das klappen, könnten laut BASF bei den Prozessen gut 90 Prozent der bisher anfallenden CO2-Emissionen vermieden werden.
„Mit der Entwicklung von elektrisch betriebenen Steamcracker-Öfen bekommen wir Zugang zu einer Schlüsseltechnologie, die helfen kann, die Treibhausgasemissionen in der chemischen Industrie deutlich zu reduzieren“, sagte BASF-Chef Martin Brudermüller.
Brudermüller weihte die Anlage in Ludwigshafen am Mittwoch gemeinsam mit den Vorstandschefs der Projektpartner Sabic und Linde Engineering ein. Linde wird die Technologie künftig weltweit vermarkten, das geistige Eigentum bleibt im Besitz aller Partner.
Die Unternehmen testen in der Anlage dabei zwei Alternativen: die direkte und die indirekte Beheizung der Öfen. Erste Erkenntnisse aus den Versuchen erwartet BASF nach einem halben Jahr, weitere könnten aber auch erst nach Jahren folgen.
Die Gesamtkosten für die Anlage liegen bei gut 69 Millionen Euro. Das Bundeswirtschaftsministerium hat das Projekt mit knapp 15 Millionen Euro gefördert.
Für BASF ist das Gelingen des Projekts mitentscheidend beim Ziel, im Jahr 2050 klimaneutral zu produzieren. Die CO2-Emissionen sollen bis dahin auf netto null sinken. Die Aufgabe ist immens, denn allein am riesigen Standort Ludwigshafen werden jedes Jahr rund sechs Millionen Tonnen Treibhausgas in die Luft gepustet – rund ein Prozent der gesamten deutschen CO2-Emissionen.
Die Umstellung geht nur schrittweise: Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen von BASF um ein Viertel niedriger als 2018 liegen, in dem Jahr lag der Wert bei 22 Millionen Tonnen. 2023 schrumpfte der Wert bereits auf 17 Millionen Tonnen. Das lag aber überwiegend daran, dass BASF wegen der mauen Nachfrage viel weniger produzierte.
Riesiger Bedarf an grünem Strom
Um die energieintensiven Cracker und andere Anlagen wirklich klimaschonend betreiben zu können, sind riesige Mengen an Strom aus erneuerbaren Quellen nötig. BASF rechnet in Zukunft mit einer Verdopplung bis Verdreifachung. 2023 lag der Stromverbrauch von BASF bei 13.000 Gigawattstunden – das entspricht dem Verbrauch von zehn Städten der Größe Frankfurts.
Erst 20 Prozent davon stammten aus erneuerbaren Quellen. Doch hat sich BASF bereits den Zugang zu großen Windparkprojekten in der Nordsee gesichert. Der Konzern bezieht seit Herbst 2023 Strom aus dem weltgrößten Windpark an der holländischen Küste, an dem BASF neben Vattenfall und der Allianz beteiligt ist.
Mit RWE baut BASF einen eigenen Windpark in der Nordsee. Dessen Stromleistung soll ab 2030 den Standort Ludwigshafen versorgen – vor allem die dann dort installierten elektrisch betriebenen Steamcracker. Denn allein für den Betrieb dieser Anlagen dürfte die geplante Leistung des Windparks von jährlich zwei Gigawatt komplett verbraucht werden.
2030 will BASF seinen weltweiten Strombedarf zu über 60 Prozent aus erneuerbaren Quellen decken. Im Chinageschäft soll bis dahin ein noch höherer Wert von 65 Prozent erreicht werden. Der neue BASF-Verbundstandort im Süden Chinas werde der erste sein, der komplett mit regenerativer Energie betrieben wird, heißt es bei BASF.
Gut zehn Milliarden Euro investiert der Konzern in den neuen Chinastandort. Der Erfolg dort ist für BASF wichtig, denn das Chinageschäft soll die anstehenden Investitionen in den grünen Umbau weltweit wesentlich mitfinanzieren.
BASF hält sich Wasserstoff-Option offen
BASF will in den nächsten Jahren rund vier Milliarden Euro in die Reduzierung von CO2 investieren, den Großteil davon in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts. Das Geld fließt in verschiedene Projekte: Neben Wind- und Solarparks und den elektrischen Steamcracker-Öfen setzt der Konzern auch auf den Betrieb mit Wasserstoff, der mithilfe von grünem Strom gewonnen wird.
Offen ist, ob weltweit alle fünf existierenden BASF-Cracker sowie der neu entstehende in China am Ende auf Strombeheizung umgestellt werden. Eine Umstellung könnte auch schrittweise erfolgen – die Cracker haben mehrere Öfen, die nach und nach ausgetauscht werden könnten. BASF hält sich aber auch andere Optionen offen, etwa den Einsatz von Wasserstoff.
Wie hoch die Kosten wären, einen bestehenden Cracker umzurüsten und mit Strom zu beheizen, sagt BASF nicht. Die Technologie muss sich aber am Standort lohnen, BASF kalkuliert intern standortspezifische Business Cases. Die Kalkulation sei nicht machbar, wenn es schlechte Rahmenbedingungen gebe, so das Unternehmen.
Die Technologie des elektrischen Crackers ist längst nicht nur für BASF interessant. Alle großen Petrochemieunternehmen der Welt haben solche Anlagen in ihren Produktionskomplexen. „Die Technologie birgt ein enormes Potenzial für die Nachhaltigkeit der globalen petrochemischen Industrie“, sagte Abdulrahman Al-Fageeh, Chef von Sabic, bei der Einweihung in Ludwigshafen.
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