Zur Montage geht es raus auf das Meer

Die REM Energy von Siemens Gamesa kreuzt auf der Nordsee, damit Offshore-Windparks zuverlässig laufen. Spezialschiffe und Fachkräfte sind knapp – für die Unternehmen sind sie ein entscheidender Faktor, um die ehrgeizigen Ausbauziele der Politik erreichen zu können.

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Maximilian Rodrigues Fröhlich (l.) und André da Silva Marquez in Arbeitsmontur auf der „REM Energy“ im Hamburger Hafen Bertold Fabricius

Zwei Wochen Arbeit, zwei Wochen Freizeit, das ist in Deutschland ein ungewohnter Rhythmus. Aber auf der „REM Energy“ läuft das immer so. Mit seinen Servicetechnikern ist das Schiff auf der Nordsee unterwegs, um Windturbinen des deutsch-spanischen Herstellers Siemens Gamesa instand zu halten.

Siemens Gamesa hat das 2021 gebaute Spezialschiff von der norwegischen Reederei REM Offshore gechartert, zunächst bis 2026: „Wir brauchen das modernst-mögliche Schiff aus vielen verschiedenen Gründen“, sagt Stephan Hauhs, Aera Service Manager und Geschäftsführer von Siemens Gamesa Deutschland: „Um das Ziel null Arbeitsunfälle zu erreichen, um den Seeleuten und unseren Servicetechnikern den bestmöglichen Arbeitsplatz auf See anbieten zu können, und natürlich für einen hocheffizienten Arbeitsalltag bei der Wartung der Windturbinen.“

Mehr als 100 Kilometer vor die Nordseeküste hinaus bis zum Windpark Global Tech 1 fährt die „REM Energy“ üblicherweise. Meist gehen die Servicetechniker in Bremerhaven oder Emden von und an Bord. An diesem Tag allerdings liegt die „REM Energy“, 90 Meter lang und 19,60 Meter breit, neben dem Kreuzfahrtterminal auf Steinwerder in Hamburg. Die Besatzung wird getauscht, und die Techniker, die von Bord gehen und neu an Bord kommen, besuchen in der Hansestadt vor dem Auslaufen ein Seminar ihres Arbeitgebers. Rund 1600 Windturbinen stehen derzeit in den deutschen Seegebieten von Nord- und Ostsee, das ist eine installierte Gesamtleistung von etwa 8,5 Gigawatt. In vielen europäischen Ländern soll die Offshore-Windkraft in den kommenden Jahren stark ausgebaut werden – allein Deutschland will bis 2030 eine installierte Leistung von 30 Gigawatt erreichen. Für dieses Crashprogramm mangelt es bislang an allem: an Hafenanlagen, industriellen Kapazitäten, Fachkräften und Spezialschiffen.

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Stephan Hauhs, Geschäftsführer von Siemens Gamesa Deutschland Bertold Fabricius

Schiffe wie die „REM Energy“ unter Vertrag zu haben, ist für ein Unternehmen wie Siemens Gamesa ein wesentlicher Faktor für das bevorstehende Wachstum. Die Windturbinen des Unternehmens auf See werden jeweils drei- bis fünfmal im Jahr von Servicetechnikern aufgesucht. „Aus wirtschaftlicher Sicht geht es darum, die Standzeiten der Windturbinen für unsere Kunden zu minimieren, damit die Anlagen so lange wie möglich zuverlässig Strom erzeugen können“, sagt Hauhs. Dafür braucht das Unternehmen hoch qualifizierte und zufriedene Mitarbeiter: „Für uns ist es – im Wettbewerb um Fachkräfte und um Nachwuchs – sehr wichtig, solch ein Schiff als einen attraktiven Arbeitsplatz zu gestalten.“ Bei Siemens Gamesa in Deutschland direkt sind derzeit rund 250 Offshore-Servicetechniker beschäftigt, Tendenz steigend. Zusätzlich zu den eigenen Technikern fahren auf den Schiffen noch externe Techniker und Subunternehmer mit.

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Ein Servicetechniker im Materiallager der „REM Energy“ Bertold Fabricius

Die „REM Energy“ ist eine Kombination aus hoch technisiertem Arbeitsschiff, Ersatzteillager, Büroetage – und ein Ort, an dem sich Servicetechniker und nautische Besatzung nach der Arbeit wohlfühlen sollen. Ein Minikino und ein Fitnessstudio zählen dazu ebenso wie Aufenthaltsräume und eine Messe mit vier Mahlzeiten am Tag. Es gibt einige Einzel-, vor allem aber Doppelkabinen. Eine Doppelkabine steht jedem Servicetechniker immer elf Stunden allein zur Verfügung. Bei einer Zweierbelegung arbeitet die andere Person in diesem Zeitraum. Eine Schicht dauert zwölf Stunden plus eine Stunde Pause, dann folgen elf Stunden Ruhezeit.

In der Frühphase der Offshore-Windkraft vor 15 Jahren charterten die beteiligten Unternehmen für den Aufbau und den Betrieb der Meereswindparks nahezu alles, was verfügbar war und nautisch akzeptabel erschien. Es gab damals kaum hoch spezialisierte Schiffe für die Wartung der Anlagen. Einer der großen Fortschritte an Bord der „REM Energy“ ist die Gangway, auf der Techniker vom Schiff auf die Windturbinen und zurück gehen. „Die REM Energy hat ein hydraulisches System für die Gangway und für die Kräne“, sagt André da Silva Marquez, Site Manager und zuständig für die Aufsicht von Siemens Gamesa auf der „REM Energy“. „Im Wellengang bleibt die Kranlast und auch die Brücke für den Übergang der Servicetechniker auf die Windturbinen und von dort zurück an Bord immer auf derselben Höhe.“ Unterstützt durch diese Vorrichtung, könnten die Techniker auch bei Wellenhöhen von drei bis 3,50 Metern sicher ihren Arbeitsplatz auf der Turbine erreichen: „Maximal ausgleichen kann das Schiff notfalls Wellen von bis zu 5,50 Meter Höhe. Aber in einem solchen Seegang würde an den Windturbinen nicht mehr gearbeitet werden.“

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Die „REM-Energy“ im Hamburger Hafen Bertold Fabricius

Die Sicherheitsauflagen und die Regularien für die Arbeit auf See seien strikt, sagt da Silva Marquez: „Die Servicetechniker nehmen maximal einen Rucksack mit, wenn sie auf die Windturbinen gehen, zum Beispiel mit ihrem Essen und Trinken darin. Ihr Material und auch ihr Werkzeug hievt der Kran auf die und von der Windturbine.“ Auf der Windturbine wiederum hebt deren eigener Kran das Material von der Zugangsplattform hinauf in das Maschinenhaus. Wenn auf einer Windturbine ein Großbauteil wie etwa ein Rotorblatt ausgetauscht werden muss, wird dafür allerdings ein spezielles Montageschiff eingesetzt, das über einen oder mehreren wesentlich größere Kräne verfügt.

Maximilian Rodrigues Fröhlich ist einer jener jungen Menschen, die Unternehmen wie Siemens Gamesa dringend suchen. „Mein Vater arbeitet bei Siemens. Deshalb kam ich früh auf die Idee, beruflich selbst in die Energiewirtschaft zu gehen. Etwas mit ,grüner Energie‘ zu machen ist wirklich spannend“, sagt der Auszubildende, der im zweiten Lehrjahr als Elektroniker für Betriebstechnik bei Siemens Gamesa arbeitet. Zweimal war er 24-Jährige beruflich bislang auf See: „Die Ausbildung zum Servicetechniker bietet auch die Perspektive, später in verschiedenen Ländern arbeiten zu können.“

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Hristo Vasilev, Kapitän „REM-Energy“, auf der Brücke des Schiffes Bertold Fabricius

Draußen auf See, in vielen Ländern der Welt, arbeitet Kapitän Hristo Vasilev aus Bulgarien seit Jahrzehnten. Früher fuhr er auf Tankern, Containerschiffen, Automobiltransportern oder Massengutfrachtern. 2008 wechselte er in die Offshore-Windkraft-Branche. Für 23 Mann Besatzung und 53 Servicetechniker ist Vasilev auf der „REM Energy“ verantwortlich. Das gefalle ihm besonders, sagt der Seemann auf der geräumigen Schiffsbrücke mit einem prächtigen Rundumblick über den Hamburger Hafen: „Hier arbeiten wir nicht mit Ladung, sondern mit Menschen.“

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