Friedensmusik in stürmischen Zeiten

MÜNCHEN. Die Münchner Sicherheitskonferenz begeht am Wochenende ihre 60. Auflage und hofft auf einen Impuls für einen Waffenstillstand in Nahost. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hofft auf weitere Waffenhilfe aus dem Westen

friedensmusik in stürmischen zeiten

Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, der frühere deutsche UN-Botschafter Christoph Heusgen, erwartet rund 180 hochrangige Regierungsvertreter aus aller Welt bei dieser inzwischen 60. Auflage der Veranstaltung.

Vielleicht hilft Klassik, vielleicht helfen sanfte Töne auf höchstem Niveau. Wenn die Welt schon aus den Fugen ist, dann will es Christoph Heusgen gegen all die Kriege, Krisen und Konflikte auf diesem Globus musikalisch versuchen. Wenn sich Staats- und Regierungschefs, Außen- und Verteidigungsminister aus aller Welt von Freitag bis Sonntag bei der Münchner Sicherheitskonferenz versammeln, gibt Konferenzchef Heusgen zum Auftakt einem Streichquartett des Dirigenten Daniel Barenboim die Bühne, in dem Israelis, Palästinenser und Ägypter gemeinsam musizieren — Völkerverständigung. Barenboim war Gründungsmitglied des West-Eastern Divan Orchestra, das sich für friedliche Lösungen in Nahost einsetzt. Und Frieden in Nahost, wenigstens jedoch ein Waffenstillstand, ist in diesen Tagen, da Israel eine nächste militärische Offensive im Gaza-Streifen plant, notwendiger denn je. Barenboim gilt dabei als perfekte Symbiose für Aussöhnung zwischen den beiden Konfliktparteien, denn: Der Musiker hat als einziger Mensch der Welt gleichzeitig die israelische und palästinensische Staatsbürgerschaft. Also werden die Teilnehmer zum Start in drei lange Konferenztage besinnlichen Tönen der Klassik-Profis lauschen. Ehe es dann losgehen kann mit einem Ritt über die Krisen dieser Zeit: Ukraine, Russland, Nahost, Iran, Jemen, Irak, Syrien, Taiwan, China.

Die Münchner Sicherheitskonferenz, einst vom Widerstandskämpfer Ewald von Kleist als Wehrkundetagung gegründet, feiert in diesem Jahr ihre Gründung vor gut 60 Jahren. Die Leitlinie „Frieden durch Dialog“, die diese Konferenz durch sechs Jahrzehnte gelenkt habe, sei in einer Zeit mehrerer gleichzeitiger großer Krisen besonders gefordert. Und so treffen sich an den drei Tagen von München wieder Staatenlenker, Minister und Vertreter von Konfliktparteien unter einem Dach, die womöglich schon länger nicht mehr direkt miteinander gesprochen haben. Die Münchner Sicherheitskonferenz sei auch ein „Marktplatz von Ideen“, so Heusgen. Wenn aus einer dieser Ideen an einem Konfliktort der Erde Frieden würde, er hätte nichts dagegen. 84 Außen- und Verteidigungsminister haben sich angekündigt, darunter auch der Chefdiplomat der Weltmacht China, Wang Yi. Dabei dürfte auch der Konflikt um den Inselstaat Taiwan, den China als Teil seines Staatsgebietes betrachtet, Konferenzthema sein. Peking hatte mehrfach mit der Eroberung der Insel gedroht und ein Militärgroßmanöver vor Taiwans Küsten abgehalten.

Nicht eingeladen in München sind auch in diesem Jahr: Der politische Outlaw Nordkorea –- wie auch offizielle Vertreter der Russischen Föderation, wo deren Außenminister Sergej Lawrow ein Stammgast in München war – bis zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Heusgen verweist auch darauf, dass Russlands Machthaber Wladimir Putin wegen des Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs gegen ihn in Deutschland sofort verhaftet würde. Friedensverhandlungen zwischen Russland und der angegriffenen Ukraine wären ohnehin erst möglich, wenn Putin sich durchringen würde, die Regierung in Kiew, die der Kreml-Chef ein „Regime“ nennt, anzuerkennen. Die Konferenz plant derweil mit der Teilnahme des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, von dem es heißt, er kommt am Freitag nach Berlin. Heusgen sagt dazu: „Wolodymyr Selenskyj ist eingeladen, und es ist nicht ausgeschlossen, dass er (nach München) kommt.“ Der ukrainische Präsident dürfte dann, wie schon 2022, als er noch kurz vor dem russischen Angriff zur Sicherheitskonferenz nach München reiste, die Bühne im Tagungshotel „Bayerischer Hof“ nutzen, um vor allem bei westlichen Staaten für weitere Waffenhilfe für seine Truppen zu werben. 2023 ließ er sich per Video zuschalten — in Olivgrün, Statement eines Präsidenten im Krieg. Besonders dringlich: der Wunsch nach deutschen Marschflugkörpern vom Typ „Taurus“. Doch Bundeskanzler Olaf Scholz zögert hier bislang. Vielleicht hilft dabei ein Gespräch in einem der Hinterzimmer des Hotels. Auch dafür ist die Konferenz gemacht.

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