Blockierte Ukraine-Hilfen: "Es gibt stillschweigende Zusammenarbeit zwischen MAGA-Republikanern und Russland"

Seit vielen Monaten blockieren die US-Republikaner dringend notwendige neue Ukraine-Hilfen und beeinflussen damit den Verteidigungskrieg zugunsten Russlands. Politiker seien nicht mehr bereit, die Interessen des Landes über die der Partei zu stellen, sagt der US-Politologe Geoffrey Kabaservice.

Will US-Präsident Joe Biden im Wahljahr keinen

Geoffrey Kabaservice: Die Republikanische Partei ist wie ein Planet, auf den Schwerkräfte aus verschiedenen Richtungen einwirken. Es gibt einen Teil in der republikanischen Fraktion im Kongress, der tatsächlich regieren und Dinge wie die Ukraine-Hilfe verabschieden will. Dann gibt es Donald Trump, der seine eigene Agenda hat, die sehr stark von seinen eigenen Wahlkampfbedürfnissen diktiert wird. Und die MAGA-Fraktion (“Make Amerika Great Again”, Trumps Unterstützer im Kongress), die das tut, was sie denkt, dass Trump es will, oder die einfach nur versucht, die Republikanische Partei und das Establishment zu sabotieren. Es ist schwierig zu bestimmen, welche Gruppe zu einem bestimmten Zeitpunkt oder Thema den größten Einfluss in der Partei hat.

Bis zu einem gewissen Grad sind das Machtspiele. Wenn wir über konventionelle Links-Rechts-Politik nachdenken, dann wäre die Lieferung von Waffen an die Ukraine die konservative Vorgehensweise von Ronald Reagan gewesen (Ex-Präsident und Republikaner, Anm. d. Red.). Populismus verkompliziert die Art und Weise, wie wir über Ideologie sprechen. Wir erleben eine schwindende Führungsmacht in der Republikanischen Partei. Früher wäre eine Marjorie Taylor Greene wie ein Käfer zerquetscht worden. Sie ist nicht von der Republikanischen Partei abhängig. Sie hat die Unterstützung der Basis, wodurch sie finanziell besser ausgestattet ist als die meisten Mitglieder des Kongresses. Und sie hat Trumps Unterstützung.

Sie hat nicht unbedingt freie Hand. Sie hat angekündigt, Sprecher Mike Johnson im Repräsentantenhaus absetzen zu wollen, falls er die Ukraine-Hilfe zur Abstimmung stellt. Es ist nicht klar, ob Donald Trump diesem Plan zustimmen würde. Denn in gewisser Weise schadet das Chaos unter den Republikanern im Repräsentantenhaus Trump. Ich vermute, dass Trump den Republikanern sagt: Ihr wisst, dass es nur gut für die Demokraten ist. Es gibt einen politischen Vorteil für die Populisten, gegen die Ukraine-Hilfe zu stimmen, indem sie behaupten, dass Wolodymyr Selenskyj ein korrupter Diktator sei, dass Russland die besseren Argumente habe. Es ist nicht bekannt, ob es geheime Absprachen zwischen diesen Republikanern oder MAGA-Kräften im Allgemeinen und den Russen gibt. Aber es besteht kein Zweifel, dass die Russen diese Botschaften aufgreifen und weitertragen, dass sie für sie sehr nützlich sind, es zumindest eine stillschweigende Art von Arbeitsbeziehung zwischen Russland und seinen Desinformationsdiensten sowie der MAGA-Fraktion der Republikanischen Partei gibt.

Wir erinnern uns an die Zeiten, in der Politiker bereit waren, das Land über die Partei oder ihre eigenen Interessen zu stellen. Das ist eindeutig nicht mehr der Fall. Mit dem Grenzabkommen hätten die Demokraten mehr ihrer Positionen aufgegeben als je zuvor, und die Republikaner wollten oder erwarteten auch nicht viel mehr, als sie schon bekommen hatten. Aber aus Sicht der Republikaner muss die Grenze ein Problem bleiben, damit Donald Trump die Wahl gewinnt. Nach einem verabschiedeten Ukraine-Deal wäre die normale Kommunikation: Wir haben die Finanzierung der Ukraine lange genug blockiert, die Demokraten haben schließlich nachgegeben, wir haben gewonnen. So könnten sie am Ende auch versuchen, es der Öffentlichkeit zu verkaufen. Aber alles, was der Kongress verabschiedet, wird als Sieg der Demokraten und Bidens angesehen. Und viele Republikaner wollen dies nicht. Egal, worum es geht.

Es gibt viele Faktoren, die eine Rolle spielen. Einer davon ist, dass die Republikaner im Jahr 2022 eine beträchtliche Mehrheit im Repräsentantenhaus hätten gewinnen können. Aber das ist nicht passiert, weil sich Trump in die Vorwahlen eingemischt und diese verrückten MAGA-Figuren unterstützt hat, mit denen keine Wahl zu gewinnen ist. Damit ist eine potenziell beträchtliche Mehrheit, in der man ein paar Verrückte hätte ignorieren können, auf eine geschrumpft, in der die Verrückten eine entscheidende Bedeutung haben. Viele aus dem republikanischen Establishment haben bereits aufgegeben, weil sie es satthaben. Vor nicht allzu langer Zeit wurde etwa Mike Gallagher als möglicher zukünftiger republikanischer Präsident gehandelt, oder als Sprecher. Jetzt ist er weg, wahrscheinlich kehrt er nicht einmal in die Politik zurück, weil er es nicht aushält.

Johnson müsste im Fall der Ukraine-Hilfen mit den Demokraten zusammenarbeiten, um zu bekommen, was er will. Ein Großteil der Basis der Republikanischen Partei würde dies aber als Verrat ansehen. Johnsons Vorgänger Kevin McCarthy wurde sogar wegen einer routinemäßigen Haushaltsfinanzierung mit Stimmen der Demokraten aus dem Amt gejagt. Das war ein selbstzerstörerischer Schachzug der Republikanischen Partei. McCarthy hat intern mehr Gutes für die Partei getan, als Johnson es je tun wird. Aber es herrscht die von Trump geförderte Mentalität, dass eine Zusammenarbeit mit den Demokraten unabhängig von der Angelegenheit schlicht Verrat ist. Marjorie Taylor Greene, Matt Gaetz und die anderen dieser Spinner werden als Randfiguren gesehen, aber sie haben wegen der Mehrheitsverhältnisse beträchtlichen Einfluss.

McCarthy hat behauptet, die Demokraten hätten ihn betrogen, weil diese ihm in Verhandlungen über den Sprecherposten zugesichert hätten, ihn im Fall der Fälle mit ihren Stimmen zu retten. Das haben sie aber nicht getan. Die Lage ist aktuell ähnlich. Aber falls die MAGA-Republikaner versuchen, Johnson abzusetzen, könnten die Demokraten ihn mit ihren Stimmen retten.

Es scheint so. Die Republikaner befinden sich in einer fast unmöglichen Situation, denn allein um die Regierung am Laufen zu halten (mit der Verabschiedung von Haushaltsfinanzierung, Anm. d. Red.), ist ein gewisses Maß an demokratischer Zusammenarbeit erforderlich. Nehmen wir mal an, Johnson fällt wegen einer Abstimmung in sein eigenes Schwert, etwa wegen der Ukraine-Hilfen und einem Deal für die Südgrenze. Er wird abgewählt. Für den nächsten Sprecher wäre die Situation nicht anders. Johnsons Wahl hat Wochen gedauert. In dieser Zeit unternimmt das Parlament nichts. Johnsons Motive könnten auch mit wenig Eigennutz zu tun haben: das Land keiner noch größeren politischen Lähmung aussetzen, während ernsten Problemen im In- und Ausland zu kämpfen haben. Es könnte aber auch Feigheit sein oder Opportunismus, weil er seinen Posten nicht aufgeben will. Es kommt darauf an, wie man es betrachtet.

Die Republikanische Partei hat sich bei jeder Gelegenheit dafür entschieden, gegenüber den Randgruppen nachzugeben, anstatt sie in ihre Schranken zu weisen. Sie befindet sich in einer fast vollständig selbst verschuldeten Situation. Auch Sie würden sich nicht mit der Kandidatur von Donald Trump und all den möglichen Auswirkungen auf die derzeitige Regierungsfähigkeit befassen, wenn (der republikanische Senatsfraktionschef, Anm. d. Red.) Mitch McConnell im Amtsenthebungsverfahren wegen des 6. Januar 2021 ein paar mehr Senatoren erlaubt hätte, für eine Verurteilung Trumps zu stimmen. Ähnliches gilt auf allen Ebenen. Die Partei hätte etwa Marjorie Taylor Greene viel früher und effektiver an den Rand drängen können. Sie hätten dafür stimmen können, Matt Gaetz wegen all seiner Sexualverbrechen zu verurteilen, derer er zu Recht beschuldigt wird. Es gibt eine Menge Dinge, die sie hätten tun können. Aber jedes Mal hat die Partei die falsche Entscheidung getroffen.

Noch mehr aktuelle Nachrichten finden Sie auf ntv.de

News Related

OTHER NEWS

Ukraine-Update am Morgen - Verhandlungen mit Moskau wären „Kapitulationsmonolog" für Kiew

US-Präsident Joe Biden empfängt Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus. Evan Vucci/AP/dpa Die US-Regierung hält Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zum jetzigen Zeitpunkt für „sinnlos”. Bei einem Unwetter in Odessa ... Read more »

Deutschland im Wettbewerb: Subventionen schaden dem Standort

Bundeskanzler Olaf Scholz am 15. November 2023 im Bundestag Als Amerikas Präsident Donald Trump im Jahr 2017 mit Handelsschranken und Subventionen den Wirtschaftskrieg gegen China begann, schrien die Europäer auf ... Read more »

«Godfather of British Blues»: John Mayall wird 90

John Mayall hat Musikgeschichte geschrieben. Man nennt ihn den «Godfather of British Blues». Seit den 1960er Jahren hat John Mayall den Blues geprägt wie nur wenige andere britische Musiker. In ... Read more »

Bund und Bahn: Einigung auf günstigeres Deutschlandticket für Studenten

Mit dem vergünstigten Deutschlandticket will Bundesverkehrsminister Wissing eine junge Kundengruppe dauerhaft an den ÖPNV binden. Bei der Fahrkarte für den Nah- und Regionalverkehr vereinbaren Bund und Länder eine Lösung für ... Read more »

Die Ukraine soll der Nato beitreten - nach dem Krieg

Die Ukraine soll nach dem Krieg Nato-Mitglied werden. Die Ukraine wird – Reformen vorausgesetzt – nach dem Krieg Mitglied der Nato werden. Das hat der Generalsekretär des Militärbündnisses, Jens Stoltenberg, ... Read more »

Präsidentin droht Anklage wegen Tod von Demonstranten

Lima. In Peru wurde eine staatsrechtlichen Beschwerde gegen Präsidentin Dina Boluarte eingeleitet. Sie wird für den Tod von mehreren regierungskritischen Demonstranten verantwortlich gemacht. Was der Politikerin jetzt droht. Perus Präsidentin ... Read more »

Novartis will nach Sandoz-Abspaltung stärker wachsen

ARCHIV: Das Logo des Schweizer Arzneimittelherstellers Novartis im Werk des Unternehmens in der Nordschweizer Stadt Stein, Schweiz, 23. Oktober 2017. REUTERS/Arnd Wiegmann Zürich (Reuters) – Der Schweizer Pharmakonzern Novartis will ... Read more »
Top List in the World