Gärtner Karl Foerster: Der verehrte Staudenzüchter

gärtner karl foerster: der verehrte staudenzüchter

Seit über 100 Jahren ein fest fürs Auge: Der Garten Karl Foersters in Bornim bei Potsdam.

Für nicht wenige Gartenbegeisterte – jedenfalls im weiteren Berliner Raum – ist der Gang in Karl Foersters Staudengärtnerei in Potsdam ein Frühjahrsritual. Man freut sich angesichts noch stoppeliger Beete und im legendären Senkgarten, der mit seinem milden Binnenklima alles schon etwas früher blühen lässt, auf kommende Farbenfreuden im eigenen Garten. Es wird Ersatz gesucht für trotz aller Sorge doch eingegangene Pflanzen. Man trifft ebenfalls Foerster-begeisterte Bekannte, kauft wenigstens eine Postkarte. Andere bestellen zu Hause oder in ihrer Gärtnerei aus dem nun schon mehr als 114 Jahre erscheinenden Stauden-Katalog.

gärtner karl foerster: der verehrte staudenzüchter

Der Meister inspiziert: Karl Foerster 1961 bei der Besichtigung des Primelgartens der Bundesgartenschau in Stuttgart, begleitet von einer Hostess.

Foerster-Stauden, das ist ein Markenname, etabliert seit 1910, als Karl Foerster seine sieben Jahre vorher in Berlin-Westend begründete Gärtnerei umzog nach Potsdam. Immer wieder wird er neu aktiviert durch den überaus lebendigen Mythos vom über aller Politik schwebenden, das ideale Leben predigenden „Gartenphilosophen“, dessen Weisheit das bürgerliche Leben nicht nur schöner, sondern auch besser machen soll. In diesem Jahr werden noch mehr Menschen als sonst pilgern – der 150. Geburtstag Karl Foersters ist in Potsdam Anlass zu Symposien, Vorträgen und zur von der Gartenhistorikerin Heidi Howcraft kuratierten Ausstellung im Potsdam Museum am Alten Markt.

gärtner karl foerster: der verehrte staudenzüchter

1920 zog Karl Foerster von Berlin-Westend nach Potsdam und baute diese Villa mit dem inzwischen legendären Garten drumherum.

Nicht mehr wandeln, selber graben

Herrlich farbkräftige Fotos von Gärten und Pflanzen sind zu sehen, eine Auswahl der vielen, vielen Bücher, die Foerster schrieb, auch Zeitschriften, die seine ungezählten Artikel publizierten, seine Vasensammlung – kein Aspekt des Lebens, den er nicht bedachte, wenn er nur irgendwie mit Blumen, Gräsern und Stauden zu verbinden war. Da ist der Schreibtisch als mit Postschubläden aus Pappe wohlinszenierte Reliquie, sind Gemälde und Aquarelle von Rittersporn und Phlox – beide legendäre Foerster-Züchtungen.

Nicht mehr repräsentativ wandeln, breite Landschaftsbilder bewundern wie in den Parkanlagen Peter Joseph Lennés, auch nicht mehr nur die Arbeit der Gärtner bewundern, sondern selbst graben und pflanzen, vor allem aber im Garten leben, das war seine Kernbotschaft. Und für dieses Leben brauchte es neue Pflanzen: Mehr als 370 winterharte Blütenstauden hat er gezüchtet, ganz ohne Genschneiderei, mehr als 100 davon sind bis heute auf dem Markt. Ein Geschäft mit Höhen und Tiefen, aber Foerster kam aus finanziell gut gestellter Familie, da konnte das Potsdamer Wohnhaus schon 1911 entstehen, in einem angenehm wohnlich erscheinenden Land-Jugendstil: gemütlich breit heruntergezogenes Dach, Veranda, freundlich aufstrebender Schornstein.

In der Ausstellung wird durchaus klar, dass seine Familiengeschichte viele deutsche Widersprüchlichkeiten des 20. Jahrhunderts spiegelt: die Herkunft aus klassisch bildungsbürgerlicher Familie. Der bankrottierende, aber aufgefangene Onkel. Der Vater Wilhelm ein weithin bekannter Astronom, der mit einem ganz Europa und Nordamerika umfassenden Netzwerk für Frieden, den Glauben an das letztlich Gute im Menschen focht, für eine idealistisch und naturwissenschaftlich begründete, antinationalistische, aber patriotische, durchaus auch monarchistische und zugleich sozialistisch intonierte umfassende Lebensreform,

Der eine Bruder, Friedrich Wilhelm Foerster, war ein radikaler Pazifist, der die Nazis und andere Feinde der Weimarer Demokratie früh attackierte, dessen Bücher auf den Scheiterhaufen geworfen wurden und der 1933 nach Frankreich um sein Leben floh. Der andere Bruder Ernst, ein höchst erfolgreicher Schiffbauingenieur, trat schon früh für die Ideen der Nazis ein. Ohne die energetische Schwester Martha, die nach dem Tod der Mutter 1908 ihrem Vater und Bruder den Haushalt führte, wäre der Betrieb wohl nie so gewachsen, wie er wuchs. Und die Tochter Marianne ging in den Westen, kehrte erst nach dem Fall der Mauer zurück nach Potsdam. Aber warum nur?

Die Biografie enthält auch unliebsame Tatsachen

Nun, diese Frage wird nicht so gerne gestellt, selbst mehr als ein halbes Jahrhundert nach Karl Foersters Tod nicht. Es ist kein Zufall, dass ein von außen kommender Historiker, Marius Schmiedinger, im Katalog die am wenigsten verehrenden Texte geschrieben hat. Bis heute dominieren die Foerster-Forschung jene, die sich ganz mit seinem Lebenswerk identifizieren wollen. Auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die sich seit 2004 engagiert und 2010 das Haus mit der von Foersters Tochter eingerichteten Marianne-Foerster-Stiftung übernahm, feilt eher mit am Ruhm als ihn historisch-kritisch zu hinterfragen.

Umso wichtiger ist also „das Buch“, wie es in der zur Ausstellungseröffnung gut vertretenen Foerster-Gemeinde hieß. Wenn nicht schlimmere Worte benutzt werden. Also die gerade veröffentlichte Biografie Foersters aus der Hand des Gartenhistorikers Clemens Alexander Wimmer. Ein Buch, dem gleich zwei Vororte vorangestellt sind, die betonen, dass es die Pflicht des Historikers sei, auch unliebsame Tatsachen zu erzählen.

Sprachlich knapp und genau gehalten gleicht es einem Zettelkasten der Quellen und Ereignisse von der Kindheit im offenbar höchst liebevollen Elternhaus bis in die Ehrungen der DDR-Zeit und der Aufnahme wesentlicher Teile seines Nachlasses in die Sammlungen der heutigen Staatsbibliothek in Berlin. Wimmer stellt die Fragen und liefert einige der Antworten, die in der Ausstellung, wenn überhaupt, nur angedeutet werden.

Etwa die, warum Foerster 1940, als das gar nicht mehr so leicht war, noch in die NSDAP eintrat. Das war mehr als nur geschäftstüchtige Anpassung, da ging es auch um den patriotischen Höhenflug nach der Niederlage Frankreichs – der sein pazifistischer Bruder nur knapp in die USA entkam. Überhaupt gelang es dem 1970 mit 96 Jahren gestorbenen Foerster bemerkenswert, die diversen Regime- und Kulturwechsel seines Lebens fast bruchlos zu überspannen: In der Kaiserzeit galten er und seine Firma für winterharte Stauden als Teil der liberalbürgerlichen Lebensreformer-Szene, inklusive jugendstiliger Villa und goethischer Naturphilosophie.

Empört schreibt er seinem Vater aus der Ausbildungszeit in Thüringen, hier gebe es ja „nur Antisemiten“. In der Weimarer Republik wird er als Teil der ästhetischen Avantgarden wahrgenommen, der sogar das gartentechnisch oft eher einfallslose Neue Bauen oder den strengen Bauhaus-Direktor Ludwig Mies van der Rohe bei der Planung des Berliner Landhauses Lemke zu mehr Farbenfreude und wogenden Gräsern inspirierte.

Gleich 1933 wurde ein NSDAP-Mitglied zum Geschäftsführer

In der Nazizeit reüssierte der Betrieb dank hervorragender Beziehungen – gleich 1933 wurde ein NSDAP-Mitglied als Geschäftsführer eingestellt – aus dem Fast-Bankrott in der Wirtschaftskrise heraus zu neuer Blüte. Die Aufrüstung des Deutschen Reichs ließ indirekt Steuereinnahmen in die kommunalen Kassen fließen, der Staat wurde nun einem seiner wichtigsten Kunden. Foerster belieferte die Gärten von Nazi-Größen im besetzten Polen, beschäftigte Zwangsarbeiter, reiste ununterbrochen durch das besetzte Europa, um neue Staudenzüchtungen zu studieren und zu erwerben.

Doch nach 1945 entnazifizierte ihn die sowjetische Besatzungsmacht schnell, Foerster wurde zum gefeierten Gartenplaner der sozialistischen DDR, geehrt mit Auszeichnungen, Publikationen und Orden. Zwar wurde der Betrieb 1972 enteignet, aber Wohnhaus und Garten blieben Familienbesitz, 1981 wurde eine „Gedenkstätte“ eröffnet – und der Export in die Bundesrepublik boomte. Dort galten Foerster-Stauden als unabdingbar für den auf schmalen Reihenhausgrundstücken entstehenden Naturgarten.

Der Garten und seine Pflanzen als angeblich ideologie- und geschichtsfreier Raum des reinen Wohlgefallens – Wimmer zerlegt diese Grundlage des Mythos um den Gartenphilosophen Foerster gründlich, macht aber auch deutlich, warum dieser Mann und sein Werk so faszinieren. Dennoch: Man sieht sich mit anderen Augen die Fotografien der angeblich naturnahen Gärten in den USA an, die unter Foersters Einfluss entstanden, die Huldigungen bunter Bauerngärten, die schon von Gartenreformern wie Willy Lange oder Alfred Lichtwark um 1910 als Sinnbild des angeblich „deutschen“ Gartens idealisiert wurden, die „Pflanzgemeinschaften“, in denen nur das leben durfte, was der Gärtner als Lebenswert betrachtete – um es weiter zu verkaufen. Denn der Mythos vom milden Gartenphilosophen, das macht auch Ausstellungskuratorin Heidi Howcraft deutlich, war immer Teil eine Geschäftsmodells. Und ist es bis heute.

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