Bundestag: Rechnungshof wirft Fraktionen Missbrauch von Steuergeldern vor

bundestag: rechnungshof wirft fraktionen missbrauch von steuergeldern vor

Rolf Mützenich, SPD, bei der Verleihung des Otto-Wels-Preises im Deutschen Bundestag, 20.3.2024, Bun data-portal-copyright=

Laut einem neuen Rechnungshof-Bericht haben die Bundestagsfraktionen vor der letzten Bundestagswahl eifrig Wahlwerbung betrieben – und damit gegen geltendes Recht verstoßen.

Olaf Scholz (SPD) wandert betroffen durch das von der Flutkatastrophe gebeutelte Ahrtal. Soeben hat das Bundeskabinett Hilfen für die Flutopfer beschlossen. „Wir stehen zusammen in der Not“, steht unter dem Bild des Kanzlers auf der Kurznachrichtenplattform X, früher Twitter.

Abgesetzt hat den Tweet, auf dem Scholz zu sehen ist, die SPD-Bundestagsfraktion kurz vor der Bundestagswahl 2021. Scholz ist zu dieser Zeit Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat – aber kein Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion. Trotzdem wird in dem Post der Fraktion auf die Seite des Kanzlerkandidaten verwiesen.

Für den Bundesrechnungshof verstößt dieser Tweet gegen geltendes Recht, ebenso wie alle, die die SPD-Bundestagsfraktion eine Woche vor der Bundestagswahl in den sozialen Medien absetzte. Denn alle enthielten mehr oder weniger verdeckte Wahlwerbung. Dies geht aus einem neuen Bericht des Bundesrechnungshofs hervor.

Die Rechnungsprüfer haben sich darin die Posts sämtlicher Bundestagsfraktionen in den Wochen vor der Bundestagswahl 2021 angesehen. Die SPD ist danach kein Einzelfall. Mindestens 70 Prozent aller Posts der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, Grünen, FDP, Linken und AfD in den sechs Wochen vor der Wahl waren unzulässig, weil sie nicht oder nicht nur über Tätigkeiten der Fraktionen unterrichteten, sondern Wahlkampfzwecken dienten. In der Woche vor der Wahl waren wie im Fall der SPD sogar teils 100 Prozent der Posts nicht rechtens.

„Prüfungsergebnisse des Bundesrechnungshofs zeigen, dass die Fraktionen Mittel bei der Nutzung sozialer Medien überwiegend zweck- und damit regelwidrig – auch für Parteiaufgaben – verwenden“, heißt in dem Gutachten der Rechnungsprüfer. Teilweise enthielten die Posts sogar direkte Partei- oder Wahlwerbung.

///Eklatanter Missbrauch von Steuergeldern // .

Der Rechnungshof erhebt damit gegenüber den Fraktionen schwere Vorwürfe. Im Prinzip wirft der Rechnungshof den Fraktionen einen eklatanten Missbrauch von Steuergeldern vor. Denn es geht hier nicht um „Peanuts“.

Die Fraktionen erhalten zusammen jährlich 140 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt. Aus diesen Mitteln finanzieren sie ihre Öffentlichkeitsarbeit, einschließlich ihrer Auftritte in den sozialen Medien. Mittel, die die Fraktionen aus Sicht des Rechnungshofs aber gern auch für den Wahlkampf zweckentfremden.

Ein zentrales Problem ist laut Bundesrechnungshof dabei der derzeitige Rechtsrahmen. „Er gibt systemisch bedingt erhebliche Fehlanreize, für die eigene Politik, für die eigene Partei und damit für die Wiederwahl zu werben. Und das ist regelwidrig“, sagt Rechnungshof-Präsident Kay Scheller.

So sind die Mittel für die staatliche Finanzierung der Fraktionen in der Höhe nicht begrenzt – anders als bei der staatlichen Parteienfinanzierung. Die Fraktionen bewilligen sich ihre Fraktionsmittel dazu selbst. Deshalb besteht die Gefahr, dass sie sich übermäßig viele Mittel freigeben, mit denen sie über ihre Aufgaben hinaus auch Parteiaufgaben wahrnehmen, so der Rechnungshof.

Zu befürchten hätten die Fraktionen nichts, wenn sie sich nicht an die Regeln halten. Denn es fehlten wirksame Sanktionsmechanismen. Die Fraktionen müssten zweck- und regelwidrig verwendete Gelder nicht zurückzahlen. Sie könnten auch nicht gezwungen werden, unzulässige Posts in den sozialen Medien wieder zu löschen.

///Fraktionen wehren sich gegen die Kritik // .

Die Fraktionen können die Kritik nicht nachvollziehen, sie fühlen sich durch die bestehenden Regelungen vielmehr eingeengt. Die derzeit gültigen Restriktionen seien „nicht zeitgemäß“, teilten sie dem Rechnungshof mit.

Soziale Medien böten eine völlig neue Form der Außendarstellung. Die Fraktionen halten daher nahezu alle vom Bundesrechnungshof beanstandeten Beiträge in den sozialen Medien für zulässig. So müsse etwa einzelnen Posts keine parlamentarische Tätigkeit zugrunde liegen.

Der Bundesrechnungshof sieht dagegen „nach wie vor einen dringenden gesetzlichen Handlungsbedarf, um die staatliche Fraktionsfinanzierung im Bereich der fraktionellen Informationsarbeit gegenüber der Öffentlichkeit auf eine verfassungsrechtlich stabile Grundlage zu stellen“, heißt es im Gutachten.

„Der Gesetzgeber bleibt aufgefordert, die Vorgaben zu reformieren und zu präzisieren“, sagt Rechnungshof-Präsident Scheller. Sie müssen für alle Akteure verbindlich, klar und zeitgemäß regeln, was erlaubt ist und was nicht. Verstöße brauchen Sanktionen, damit sie unattraktiv sind.“

„Es ist offensichtlich, dass die Fraktionen sich nicht selbst kontrollieren und sanktionieren können“, so Scheller. Sanktionen sollten daher Aufgabe der Bundestagsverwaltung sein. Klare Regeln für den Einsatz von Fraktionsgeldern hatte der Bundesrechnungshof allerdings schon Ende 2020 gefordert. Passiert ist seitdem: nichts.

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