Desinformation: "Pink Slime" – die perfide Masche der falschen Nachrichtenseiten

Fake News Pink Slime

Sogenannte “Pink Slime”-Webseiten geben sich als seriöse Nachrichtenportale aus, verbreiten aber gezielt Falschinformationen. Ihre Lügen fliegen in der Regel schnell auf – warum haben sie trotzdem so einen Erfolg?

Wer seine Nachrichten vor allem über das Internet und soziale Medien bezieht, dürfte bereits über sie gestolpert sein: Webseiten, die sich als seriöse Medien ausgeben, aber Fake-News über den Krieg in der Ukraine, Corona oder Minderheiten verbreiten. “Pink Slime” wird diese Form der Desinformation genannt. Wer steckt dahinter und was bezwecken die Betreiber dieser falschen Nachrichtenportale?

Der Begriff “Pink Slime” geht auf eine auf eine mehr als 13 Jahre alte Fernsehsendung zurück. Der Fernsehkoch Jamie Oliver deckte in einem Beitrag auf, dass McDonalds und andere Fast-Food-Ketten billige Ersatzmasse aus Tierresten unter das echte Hackfleisch gemischt hatten. Oliver gab dieser Masse einen Namen: Pink Slime. McDonalds verbannte den Schleim nach der Sendung aus seinen Produkten, doch der Verdacht, dass das Unternehmen ihn nach wie vor verwendete, hielt sich hartnäckig.

Nach einem ähnlichen Prinzip funktionieren auch die falschen Webseiten. Statt Hackfleisch wird hier der digitalen Medienlandschaft etwas äußerst Unappetitliches untergemischt. Pink-Slime-Nachrichtenportale sehen aus wie seriöse Nachrichtenseiten, fungieren allerdings als verlängerter Arm von Lobbygruppen und Populisten.

Die Portale haben seriös klingende Namen wie “The Boston Times” oder “Chicago City Wire”, die absichtlich den Namen von tatsächliche Zeitungen ähneln. Laut einem Bericht der “Financial Times” gab es in der vergangenen Woche insgesamt 1197 operative Pink Slime Webseiten in den USA. Die Zahl hat sich im Vergleich zu 2019 verdreifacht, zwischenzeitlich nahm sie auch wieder drastisch ab. Besonders viele Nachrichtenseiten werden in den US-amerikanischen Wahljahren 2020 und 2024 an die Oberfläche gespült.

Der Inhalt der schleimigen Nachrichtenportale setzt sich zusammen aus dreisten Lügen und KI-generierten Inhalten. Laut einem kürzlich veröffentlichten Text in der “Boston Times” schmuggelte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj beispielsweise Kokain auf einer Reise nach Argentinien. Beweise dafür gibt es nicht.

In ihrer Selbstbeschreibung nennt sich die “Boston Times” ein seit 1972 loderndes “Leuchtfeuer der journalistischen Integrität” im “Herzen von Massachusetts”. Die Website gibt es allerdings erst seit diesem Jahr.

Hinter vielen der US-amerikanischen Portalen stecken nach Recherchen der “Financial Times” konservative Großspender und Berater der Republikanischen Partei in den USA wie Brian Timpone, Tim Dunn und Bradley Cameron. Sie alle haben Verbindungen zur größten “Pink Slime”-Mediengruppe “Metric Media”, die über 1000 lokale Nachrichtenseiten betreibt. Auf diesen Seiten mischen sich Donald Trumps Behauptungen einer “gefälschten Wahl” mit Artikeln zu christlichen Werten und den Vorteilen der fossilen Industrie. Einem Bericht der Columbia University zufolge, hat “Metric Media” vor den Midterms in den USA mindestens 1,6 Millionen US-Dollar aus konservativen Quellen erhalten.

Menschen und Organisationen, die Desinformationen im Wahlkampf verbreiten, gab es schon immer. Auch das Internet war in den vergangenen zwanzig Jahren mit Social-Media-Accounts und Telegram-Gruppen ein beispielloser Nährboden dafür. Dieser KI-generierte Angriff auf den Journalismus nimmt allerdings eine neue Dimension an.

Experten erwarten Anstieg von “Pink Slime”-Websites

Durch die Tools der Künstlichen Intelligenz können immer mehr irreführende Inhalte zu einem günstigen Preis hergestellt werden. Alex Mahadevan, Direktor der Organisation MediaWise, welche Menschen bei der Erkennung von Desinformationen unterstützt, geht daher im Interview mit der “Financial Times” davon aus, dass die Anzahl an “Pink Slime”-Webseiten noch einmal ansteigen werde.

Dabei könnten auch Europa und Deutschland zu zentralen Märkten für “Pink Slime” werden. Hier treiben russische Fake News Agenturen seit langem ihr Unwesen. Im Herbst 2023 verbreiteten sie die Meldung, ukrainische Geflüchtete hätten in Paris eine Bettwanzenplage ausgelöst. Bereits ein Jahr zuvor tauchten Dutzende Fälschungen von Nachrichtenportalen wie “Bild.de” oder “Spiegel Online” auf, die ebenfalls russische Propaganda verbreiteten.

Vielen dürfte der Unterschied erst bei einem Blick auf die URL oder das Seitenlayout aufgefallen sein. Fraglich ist jedoch, ob es überhaupt entscheidend ist, dass Menschen die Webseiten als Falschinformationen entlarven können. Die rechten Kulturkämpfe, die aus den USA in den letzten Jahren nach Europa übergeschwappt sind, und die Corona-Pandemie haben einen Diskursraum geschaffen, in dem vielen Menschen die eigene politische Meinung wichtiger zu sein scheint als Fakten und journalistische Sorgfalt. Der pinke Angriff auf den Journalismus könnte demnach also auch hierzulande auf fruchtbaren Boden stoßen.

Quellen: “Die Zeit”, “Financial Times”, Tow Center Columbia University

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