Brandenburger Tor: Angeklagte bekommen Bewährungsstrafen nach Farbattacke

brandenburger tor: angeklagte bekommen bewährungsstrafen nach farbattacke

So sah das Brandenburger Tor am 17. September 2023 aus, nachdem Mitglieder der Letzten Generation es mit Farbe besprüht hatten.

Es gibt wahrscheinlich keine andere Einzelaktion der Klimaaktivisten der Letzten Generation in Berlin, die so geschockt hat wie diese: das Besprühen des Brandenburger Tors mit oranger Farbe am 17. September des vergangenen Jahres. Die Reinigungsarbeiten dauerten bis November – und waren teuer. Inzwischen steht die Zahl von 140.000 Euro für die Gesamtkosten der Reinigung und Restaurierung im Raum.

Am Dienstag mussten sich die Aktivisten Lennart W., Regina S. und Winfried L. vor Gericht verantworten wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung  – und bekamen jeweils Bewährungsstrafen von acht Monaten. Es war der zweite Prozess in Verbindung mit der kontroversen Aktion. Dabei ging es nicht um eine Kostenübernahme für die Reinigung, sondern darum, ob die Aktivisten durch die Tat die öffentliche Nutzung des Brandenburger Tors als Denkmal infrage gestellt hatten, sagte die Staatsanwältin.

In ihrem Urteil folgte die Vorsitzende Richterin dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Bewährungszeit von drei Jahren sollte sicherstellen, so die Staatsanwältin, dass die drei bislang nicht vorbestraften Angeklagten „in dieser Zeit nicht wieder straffällig tätig werden“.

Die drei Angeklagten räumen die Tathandlung ein – und nutzen ihre Einlassungen, um diese zu begründen. Die Publikumsbänke des Saals B129 des Kriminalgerichts Moabit sind während der Verhandlung voll mit Freunden und Unterstützern. Mehrmals winken oder lächeln sie einander zu, formen Herzen mit ihren Fingern. „Das Wissen um die Klimakatastrophe ist doppelt so alt wie ich, und die Untätigkeit der Regierungsverantwortlichen auch“, sagte Regina S. „Was soll ich tun, als 22-jährige Person, wenn 40 Jahre Petitionen und angemeldete Demonstrationen gegen diese Katastrophe nichts gebracht haben?“

Lennart W. spricht von seinem Erschrecken, als nach der Tat festgestellt wurde, das Tor könne eventuell nie ganz gereinigt werden. Die Aktivisten seien davon ausgegangen, die wasserlösliche Farbe würde schnell entfernt werden und es käme zu keinen bleibenden Schäden am Tor. „Doch mit der Zeit habe ich mich mit der Vorstellung abgefunden, dass das Tor uns für immer daran erinnern würde, wie wir als Gesellschaft untätig blieben, als es um unser Überleben ging“, sagt er weiter.

brandenburger tor: angeklagte bekommen bewährungsstrafen nach farbattacke

Die Reinigungsarbeiten am Brandenburger Tor haben mehrere Wochen gedauert.

Trotz der Geständnisse der Angeklagten wollen ihre Verteidiger nicht kampflos aufgeben. Gemeinsam stellen sie insgesamt vier Anträge – zuerst für die Zulassung eines Berichts eines Bausachverständigen, der die Meinung vertritt, die ersten Reinigungsmaßnahmen mit einem Druckreiniger hätten die Schäden nur verschlimmert und deren Reinigung teurer gemacht. Zwei weitere Anträge forderten die Zulassung von Zeugenaussagen von zwei Akademikerinnen, die die Aktion als „politisch-künstlerische Intervention“ einstufen, die durch das Grundgesetz geschützt sei, beziehungsweise als wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen und medialen Diskurs über die Klimakrise einstuft.

Ein vierter Antrag schlug vor, die Reinigung des Tores hätte viel schneller und unkomplizierter erfolgen können, wenn die Firma am Tag der Aktion eine Hebebühne oder ein anderes Hilfsmittel benutzt hätte, um an die höchsten Stellen zu gelangen. So aber härtete die Farbe dort oben aus und machte die Reinigung zusätzlich teuer. Das aber könne den Aktivisten nicht angelastet werden, so die Verteidiger. Diesen Antrag wies die Richterin ebenso wie die anderen drei zurück.

Schließlich kommt das Gericht zu dem Schluss, bei der Aktion habe es sich nicht um einen „geeigneten oder angemessenen Protest“ gehandelt. Die Richterin geht auch davon aus, dass die Aktivisten die Beschädigung des porösen Sandsteins des Tores durch die Aktion in Kauf genommen hatten. Die Staatsanwaltschaft sah in der Aktion nichts weiter als „Vandalismus mit keinerlei Bezug zum Klimaschutz“ und argumentierte, es stünden mehrere andere Protestformen zur Verfügung.

Ganz anderer Auffassung waren die Verteidiger, als sie für einen Freispruch plädierten. Große internationale Protestwellen für mehr Klimaschutz und Petitionen an die Bundesregierung, die von Zehntausenden unterschrieben wurden, hätten so gut wie keine entscheidenden Handlungen gegen die Klimakrise gebracht, sagte der Verteidiger von Lennart W. „Das Brandenburger Tor ist ein Zeitzeuge deutscher Demokratiegeschichte. Welches milderes Mittel, als der zivile Ungehorsam an diesem Ort kann das Ziel der Klimagerechtigkeit genauso erreichen?“

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