„Mit bayerischem Geld finanziert“: Freistaat-Frust über Berlins 29-Euro-Ticket

Deutliche Kritik am Berliner Sonderweg kommt vom Bund und aus Bayern. Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) sieht sogar das Deutschlandticket in Gefahr.

„mit bayerischem geld finanziert“: freistaat-frust über berlins 29-euro-ticket

Berlin, U-Bahnlinie U5 Richtun Hönow Bahnhof Cottbusser Platz Foto: Kai-Uwe Heinrich

Die Einführung des 29-Euro-Tickets in Berlin hat scharfe Kritik ausgelöst. Deutliche Worte kommen aus Bayern, der Freistaat ist größter Geldgeber im Länderfinanzausgleich, Berlin bekommt traditionell unter den Nehmerländern den größten Zuschuss aus dem Solidartopf. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU), aber auch das FDP-geführte Bundesverkehrsministerium sehen wegen Berlins Alleingang sogar das Deutschlandticket in Gefahr.

„In Bayern können wir das Angebot im ÖPNV nur mit einem tiefen Griff in die Staatskasse aufrechterhalten, während Berlin als Hauptempfänger des Länderfinanzausgleiches quasi mit bayerischem Geld einen Gesamtrabatt für alle Fahrgäste finanziert. Das ist nur schwer nachvollziehbar und alles andere als nachhaltig“, sagte Bernreiter dem Tagesspiegel. „So etwas geht letztlich auch auf Kosten des Deutschlandtickets. Da ist es kein Wunder, dass wir uns Gedanken über eine Neuordnung des Länderfinanzausgleichs machen.“

Michael Theurer (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium und Bahnbeauftragter der Bundesregierung, sieht das Deutschlandticket ebenfalls in Gefahr. Es biete die Chance, „komplexe Tarifsysteme radikal zu vereinfachen und Strukturen in den Verkehrsverbünden zu verschlanken“, sagte Theurer dem Tagesspiegel. „Regionale Konkurrenzprodukte wie das Berliner 29-Euro-Ticket konterkarieren diese Ziele.“

Es wäre dem Land Berlin unbenommen, das Deutschlandticket als Sozialticket vergünstigt abzugeben.

Michael Theurer (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium und Bahnbeauftragter der Bundesregierung

Das 29-Euro-Ticket war das zentrale Wahlkampfthema für die Berliner SPD vor der Wiederholungswahl 2023. Doch selbst in der Fachwelt wird das Modell abgelehnt. In der schwarz-roten Koalition konnte die CDU das Thema aber nicht abräumen. Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) sagte mit Blick auf den Verkaufsstart in einer Woche: „Ein Euro pro Tag: Damit wird Berlin bundesweit zum Vorreiter für bezahlbare Mobilität.“ Das bundesweite 49-Euro-Ticket sei hingegen für manche Menschen zu teuer, etwa für Senioren.

Für den Bahnbeauftragten der Bundesregierung geht das Argument der Wirtschaftssenatorin fehl. „Es wäre dem Land Berlin unbenommen, das Deutschlandticket als Sozialticket vergünstigt abzugeben. Das wäre am Ende für Berlin wahrscheinlich sogar günstiger“, sagte Theurer.

So hat etwa Hamburg einen Sozialrabatt für das Deutschlandticket eingeführt: Wer in der Hansestadt existenzsichernde Leistungen bezieht, muss nur 19 Euro im Monat für das Deutschlandticket zahlen – und kann deutschlandweit damit fahren. Das Berliner 29-Euro-Ticket gilt nur im Tarifbereich AB und ist nur als Jahresabonnement zu haben.

Verkehrsminister verhandelt über Zukunft des Deutschlandtickets

Ab diesem Mittwoch verhandelt die Verkehrsministerkonferenz in Münster erneut über die Zukunft des Deutschlandtickets. Für 2025 haben Bund und Länder bisher nur je 1,5 Milliarden Euro zugesagt, damit ist der Preis von 49 Euro für das monatliche Nahverkehrs-Abo voraussichtlich nicht zu halten. Noch fehlt auch eine Zusage des Bundes, dass er sich ab 2026 an den Kosten für das Ticket beteiligt.

Berlin macht die Finanzierung des Deutschlandtickets mit seiner einsamen Entscheidung nun noch einmal schwieriger. Wechselt ein Großteil der fast 900.0000 Berliner Abonnenten des 49-Euro-Tickets in das regionale Angebot, drohen höhere Preise für das deutschlandweite ÖPNV-Abo oder Bund und Länder müssen noch mehr Geld zuschießen.

Auch für Berlin selbst ist die Insellösung teurer. Für das Deutschlandticket zahlt Berlin bislang 136 Millionen pro Jahr als Zuschuss. Für das Deutschlandticket kommen jährlich voraussichtlich weitere 300 Millionen Euro hinzu. Die Finanzverwaltung rechnet sogar mit bis zu 350 Millionen Euro, wenn das Deutschlandticket tatsächlich teurer wird und mehr Berliner zum 29-Euro-Ticket wechseln. Der Senat geht bei 300 Millionen Euro von 650.000 Abos aus. Aktuell haben fast 900.000 Berlin ein 49-Euro-Ticket, deutschlandweit sind es rund elf Millionen. Mit dem Berliner Ticket könnte fast ein Zehntel der Kunden wegfallen.

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