Auf welche sensiblen Dokumente griff AfD-Politiker Krah zu? Grüne fordern Untersuchung

Im Europaparlament herrscht Nervosität. Denn es ist unklar, welche – möglicherweise brisanten – Informationen der mutmaßliche Spion Jian G. abgeschöpft hat. AfD-Mann Krah versucht zu beschwichtigen. Doch es könnten weitere Untersuchungen folgen.

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Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat für Europa AFP/FREDERICK FLORIN

Das Büro des AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah hat über ein internes Online-System wiederholt sensible Dokumente des Handelsausschusses des EU-Parlaments angefordert. Das bestätigte der Vorsitzende des Ausschusses, Bernd Lange (SPD), auf Anfrage von „Politico“. Zuvor hatte der „Spiegel“ berichtet, dass auch Dokumente mit der Geheimhaltungsstufe „restricted“ – also „gesperrt“ abgerufen worden seien. Lange dementiert dies nun. Die abgerufenen Dokumente hätten demnach die Einstufung „limited/sensitive“ gehabt. Dabei handelt es sich um sensible, aber nicht zwangsläufig der Geheimhaltung unterliegende Inhalte.

Am Dienstag war bekannt geworden, dass Krahs Assistent Jian G. unter Verdacht steht, für den chinesischen Geheimdienst spioniert zu haben. Der Generalbundesanwalt wirft G. vor, auch Parlamentsinterna an China weitergegeben zu haben. Nach Informationen von WELT waren darunter zuletzt Informationen über einen Entschließungsantrag des Europaparlaments, der sich gegen Chinas Verfolgung von Minderheiten wie den Uiguren und den Tibetern richtete. Der in China geborene deutsche Staatsbürger G. befindet sich derzeit in Untersuchungshaft. Krah entließ G. nach Bekanntwerden der Vorwürfe.

Noch ist das ganze Ausmaß des Skandals unklar. Der SPD-Abgeordnete Lange sagte: „Es ist wirklich enttäuschend, dass wir weder von der Staatsanwaltschaft noch von den Geheimdiensten klare Fakten und Namen haben. Dies schafft eine Situation des Misstrauens und der Unsicherheit.“

Auch im Unterausschuss für Menschenrechte, dem auch Krah angehört, wird derzeit geprüft, ob es zum Abfluss von Informationen gekommen sein könnte. Der Vorsitzende Udo Bullmann (SPD) sagte, Krah sei in dem Unterausschuss kaum aktiv gewesen. „Meines Wissens hat er während meiner Amtszeit nie sensible Informationen erhalten und auch nicht danach gefragt. Aber natürlich hat unser Sekretariat bereits damit begonnen, die Informationen doppelt und dreifach zu überprüfen“, sagte Bullmann am Samstag.

Grüne fordern Aufklärung

Am Freitag verschickten die Vorsitzenden der Grünen-EU-Fraktion, Terry Reintke und Philippe Lamberts einen Brief an die Parlamentspräsidentin Roberta Metsola. In diesem forderten sie Metsola auf, eine umfassende interne Untersuchung einzuleiten. Es müsse geklärt werden, „ob eine unzulässige Beeinflussung durch Vertreter von Behörden von Drittländern, einschließlich ihrer diplomatischen Vertretungen“ stattgefunden habe. Dabei gehe es auch um „den Zugang von Krah zu vertraulichen Dokumenten“. Die Grünen-Spitze schließt mit einem Appell: „Unsere Demokratie darf nicht ausgehöhlt werden, und wir müssen sie mit allen Mitteln verteidigen.“

Der „Süddeutschen Zeitung“ sagte Krah, eine durch ihn veranlasste Überprüfung habe ergeben, dass Jian G. keinen Zugang zu als geheim eingestuften Dokumenten gehabt habe.

WELT AM SONNTAG hatte berichtet, dass Krah im EU-Parlament auch innerhalb der AfD-Delegation mit seinem chinafreundlichen Kurs aufgefallen war. In 13 Abstimmungen, die sich direkt mit der europäischen Haltung gegenüber China befassten, nahm Krah nur einmal eine chinakritische Position ein. Viermal lehnte er Resolutionen, die Druck auf China aufbauen sollten, ab. Achtmal enthielt er sich. Innerhalb der AfD-Delegation war er damit der pekingfreundlichste Abgeordnete.

Die AfD-Bundestagsfraktion versuchte er im Dezember 2019 zu einem freundlicheren Kurs im Umgang mit dem chinesischen Unternehmen Huawei und dessen Teilhabe am Ausbau des deutschen 5G-Mobilfunknetzes zu bewegen. Das zeigt ein fünfseitiger Brief an den parlamentarischen Geschäftsführer der AfD im Bundestag, Bernd Baumann. Wenige Wochen zuvor war Krah – zusammen mit G. – auf Chinareise gewesen. Finanziert wurde diese teilweise von Huawei. Krah dementiert einen Zusammenhang. „Meine Meinung zu 5G hatte ich lange vor der Reise kundgetan“, sagte er auf Anfrage.

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