Asiens Müllmafia verdient Milliarden mit Europas Abfall

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Der Müll des Westens: Recycling in einem vietnamesischen Dorf

Die Landschaft in Minh Khai sieht anders aus als im sonst so malerischen Vietnam. Berge aus Kleidung, Flaschen und Pa­pier türmen sich vor den Häusern, Bäche aus dreckigem Abwasser bahnen sich ih­ren Weg, giftiger Dunst steigt über dem Dorf auf. Der Flecken etwa 20 Kilometer der Hauptstadt Hanoi gilt als einer der größten Recyclinghubs des wirtschaftlich aufblühenden südostasiatischen Landes. 500 bis 600 Tonnen Müll werden dort jeden Tag in etwa verarbeitet.

Für die Dorf­bewohner ist der Müll Fluch und Segen zugleich. Einige seien durch die Verarbeitung der Wohlstandsüberreste selbst wohlhabend geworden, berichtete die viet­­na­mesische Presse vor ein paar Jahren. Den Bewohnern, die zu 90 Prozent von der Müllweiterverarbeitung leben, müssten aber unter gesundheitlichen Folgen leiden.

Damals hatten die Behörden versucht, die Müllverarbeitung, die in der Regel auf den Vorhöfen der Häuser geschieht, aus dem Dorf zu verlagern. Offenbar hat sich dadurch nicht viel verbessert. Wissenschaftler der Universität Utrecht berichteten Anfang dieses Jahres, welche Zustände in Minh Khai herrschen. „Wir beobachteten Menschen, die in der Re­cyclinganlage kochten, aßen und lebten, umgeben von den giftigen Dämpfen des schmelzenden Plastiks“, sagte Kaustubh Thapa, Leiter eines Forscherteams, das den Weg europäischen Mülls bis in das Dorf verfolgt hatte. Der Handel mit dem Abfall sei zwar für einige profitabel. Doch die Verlagerung der Verantwortung für die Abfallentsorgung auf Dörfer wie diese schade den Menschen, den Gemeinden und der Umwelt.

40 Prozent der weltweiten Müllexporte stammen aus der EU

Ein Großteil des Recyclingmülls in Minh Khai wurde den Forschern zufolge aus dem Ausland importiert, aus Japan, den USA und Europa. Studien zufolge stammen 40 Prozent der weltweiten Müllexporte aus der EU. Die EU-Staaten exportieren damit zusammen mehr als die USA, das Einzelland mit den höchsten Müllexporten. Seitdem China die Einfuhr von Abfall im Jahr 2018 verboten hat, gehört Vietnam mit Indonesien, Malaysia und Thailand zu den wichtigsten Empfängerländern in Südostasien. Doch ein erheblicher Anteil des Plastikmülls wird den Forschern zufolge nicht wiederverwertet, sondern auf Halden gebracht, verbrannt und in der Natur entsorgt. „Die euro­päischen Verbraucher bemühen sich um Mülltrennung und Recycling, aber es ist offensichtlich, dass ihre Bemühungen zu einem beträchtlichen Prozentsatz vergeblich sind“, so Thapa.

Es sei nicht nachhaltig, auf höhere Recyclingquoten zu setzen, wenn nicht gleichzeitig etwas gegen die schädlichen Folgen in der gesamten Wertschöpfungskette getan werde, so die Forscher. Dabei ist gerade die EU in dieser Frage nicht untätig. Ende März hat die EU ein revidiertes Ausfuhrverbot von Plastikmüll in Staaten, die nicht zur Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent­wicklung (OECD) gehören, formal auf den Weg gebracht. Wenn das Verbot zweieinhalb Jahre später in Kraft tritt, ist der Export in Nicht-OECD-Länder nur zugelassen, wenn die Länder den Wunsch äußern, die Abfälle importieren zu wollen, und in der Lage sind, sie nachhaltig zu verarbeiten. Auch auf Ebene der UN gibt es Initiativen, den weltweiten Müll zu verringern. Ein UN-Gremium verhandelt Ende April in Kanada über entsprechende Maßnahmen.

Diese Einschränkungen werden allein nicht ausreichen, um zu verhindern, dass der Recyclingmüll aus Europa in Südostasien und anderen Weltgegenden auf eine Weise endet, die mit Nachhaltigkeit nichts zu tun hat. Wie eine Studie zeigt, die Anfang April in Bangkok vorgestellt wurde, nutzen kriminelle Akteure Schlupflöcher im Handel mit dem Abfall aus. Den Bericht haben das UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) gemeinsam im Auftrag und unter Finanzierung der EU erstellt. Seit dem chinesischen Importverbot sei Südostasien zum „Epizentrum“ des Müllschmuggels geworden, sagte der UNODC-Regionalrepräsentant für Südostasien und Pazifik, Masood Karimipour, bei der Vorstellung der Studie.

Milliardengeschäft mit dem Müll

Dabei sei legaler und gut regulierter Export von Recyclingmüll notwendig, weil er Umweltschäden verhindert und die Kreislaufwirtschaft unterstützt, so der UN­­­ODC­-Vertreter. „Das Problem kommt auf, wenn der Handel mit Müll von der organisierten Kriminalität unternommen wird, in dem Behördenmitarbeiter geschmiert werden, um ein Auge zuzudrücken, Dokumente da­rüber gefälscht werden, was für ein Müll gehandelt wird, und im Verwertungsprozess gegen eine Vielzahl von Gesetzen und Vorschriften verstoßen wird.“ Schätzungen der Europäischen Kommission zufolge sind 15 bis 30 Prozent des Müllhandels innerhalb der EU und der EU mit Drittländern illegal. Die Täter dieser kriminellen Machenschaften generierten Gewinne in Höhe von jährlich 9,5 Milliarden Euro allein in der EU.

Den Autoren der Studie zufolge ist auch das Problembewusstsein in den Zielländern gewachsen. Der Chinabann 2018 habe dort zu einer regelrechten „Schockwelle aus Müll“ geführt. Die zehn ASEAN-Länder haben zwischen 2017 und 2021 rund 100 Millionen Tonnen an Metall, Papier und Plastikmüll eingeführt. Sie importierten 17 Prozent des globalen Handelsvolumens in Plastikmüll und 20 Prozent des globalen Handelsvolumens in Papiermüll. Seit dem Anstieg der Müllimporte haben einige von ihnen Container konfisziert und in die Herkunftsländer zurückgeschickt. Wie die Studie zeigt, mangelt es aber in den Zielländern an Verfolgung. Oft drohten dort bei Verstößen nur minimale administra­tive Gebühren. Die Autoren der Studie empfehlen deshalb strengere Gesetze, schwerere Strafen, eine bessere Kooperation über Grenzen hinweg und Vereinheitlichung von rechtlichen Vorschriften.

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