Kassel: Mehr Polizei steigert laut Experiment nicht unbedingt das Sicherheitsgefühl von Menschen

Um die Sicherheit in der Stadt zu erhöhen, wünschen sich Menschen oft mehr Polizeipräsenz. Aber führt diese wirklich zum gewünschten Effekt? Ein Experiment in Hessen zeigt nun eher Gegenteiliges.

kassel: mehr polizei steigert laut experiment nicht unbedingt das sicherheitsgefühl von menschen

Kassel: Mehr Polizei steigert laut Experiment nicht unbedingt das Sicherheitsgefühl von Menschen

Führt mehr Polizei zu mehr Sicherheitsgefühl? Eine Untersuchung in Hessen hat diese oft genannte Faustregel nun untersucht. Das Ergebnis überrascht: Bei vielen Menschen führt eine erhöhte Polizeipräsenz im Gegenteil eher zu mehr Verunsicherung. Diese könne »furchtsteigernd« wirken, sagt Projektleiter Tim Pfeiffer von der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Das geht aus einer Mitteilung der Stadt Kassel hervor, die die Untersuchung gemeinsam mit der hessischen Universität und dem Polizeipräsidium Nordhessen angeschoben hat. Die Analyse, ob präventive Polizeistreifen ohne besonderen Anlass für ein höheres Gefühl von Sicherheit von Menschen geeignet sind, ist den Angaben zufolge bundesweit einmalig und wissenschaftlich fundiert.

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Für das Experiment sei die Stadt in Rasterzellen aufgeteilt worden. Zuvor waren bereits zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger zu ihrem Sicherheitsgefühl befragt worden. Dann sei die Polizeipräsenz in einigen der Rasterzellen über einen Zeitraum von zwölf Monaten erhöht worden. Dreimal pro Woche seien dort jeweils zwei Polizistinnen und Polizisten eine Viertelstunde zu Fuß auf Streife unterwegs gewesen, der Funkwagen geparkt.

Laut Polizeipräsident Konrad Stelzenbach könne sich die Präsenz von Beamtinnen und Beamten positiv auf das Sicherheitsgefühl auswirken: »Wenn die Polizei sichtbar handelt, kann neben der Verhinderung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten durch die abschreckende Wirkung der offenen polizeilichen Maßnahmen auch das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung und damit auch das Vertrauen in den Rechtsstaat nachhaltig gestärkt werden.«

»Wo Polizei ist, da passiert auch was«

Allerdings sieht es in der Realität offenbar etwas anders aus, wie Projektleiter Pfeiffer von der Professur für Kriminologie der Universität ausführt: »Paradoxerweise kann die Wahrnehmung von Polizeipräsenz furchtsteigernd auf die Menschen wirken, selbst wenn sie sich vorher genau diese Maßnahme zur Verbesserung der Sicherheit gewünscht haben.«

So habe die Untersuchung etwa ergeben, dass wenn Menschen beispielsweise beim Blick aus dem Fenster häufiger die Polizei sähen, sich das negativ auf das Sicherheitsgefühl auswirken könne. »Es scheint die Meinung vorzuherrschen: Wo Polizei ist, da passiert auch was«, führt der Projektleiter weiter aus.

Polizeigewerkschaft: Mehr Geld, mehr Personal nötig

Interessant sei die Erkenntnis auch in der Hinsicht, da andernorts die Präsenz von Polizistinnen und Polizisten »durchweg positiv bewertet« werde, sagt Ordnungsdezernent Heiko Lehmkuhl. Das gelte etwa für »die Präsenz der Kolleginnen und Kollegen unserer Stadtpolizei bei ihren nächtlichen Streifenfahrten oder aber an ›Hot-Spots‹, wo Ordnungswidrigkeiten und Straftaten zur Tagesordnung gehören«, so Lehmkuhl.

Anfang April wurde die neue Kriminalstatistik vorgestellt: Die Polizei hat demnach 2023 mehr Straftaten registriert als 2022, mehr Tatverdächtige ermittelt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) forderte das »harte Durchgreifen des Rechtsstaats«, die Polizeigewerkschaft GdP erklärte, die Polizei brauche mehr Geld und mehr Personal – und mehr Menschen gaben an, bestimmte Orte bei Dunkelheit zu meiden. (Lesen Sie hier, warum ein genauer Blick auf die Statistik notwendig ist.)

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