„Anreize, unrentable Betriebe fortzuführen“: Welche Höfe in Deutschland besonders bedroht sind

Landwirtschaftliche Betriebe geraten in Deutschland in Bedrängnis. Doch die Lage ist vielschichtig und der kleine Hof ist nach Einschätzung von Fachleuten weder ein Ideal noch ein Auslaufmodell.

„anreize, unrentable betriebe fortzuführen“: welche höfe in deutschland besonders bedroht sind

Große Flächen zu bewirtschaften, ist markteffizient und kann auch ein Vorteil bei der Umsetzung von Umweltvorschriften sein.

Derzeit protestieren Bauern in Polen und in Spanien, doch auch in Deutschland haben Landwirte kürzlich mit Großdemonstrationen und Blockade-Aktionen auf ihre wirtschaftliche Misere hingewiesen. Die Bedingungen seien vor allem für kleine Betriebe katastrophal, was dazu beitrage, dass die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe und der dort Beschäftigten weiter abnimmt.

Fachleute aus der Agrarökonomie weisen darauf hin, dass kleine Betriebe oft ineffizienter wirtschafteten als Großbetriebe. Zudem könnten sie technische Innovationen, Umweltauflagen und Tierschutzmaßnahmen weniger gut umsetzen. Größere Betriebe haben demnach nicht automatisch eine schlechtere Umweltbilanz als kleinere.

Skaleneffekte als Vorteil für große Höfe

„Es ist sehr schwer, ganz allgemein eine Antwort darauf zu geben, was gute Strategien für kleine Betriebe sind“, sagte Andrea Knierim, Professorin für Kommunikation und Beratung in ländlichen Räumen an der Universität Hohenheim in einem Pressegespräch des Science Media Centers. Unabhängig von ihrer Größe könnten Betriebe verschiedene Entwicklungspfade nehmen, um ökonomisch erfolgreich zu wirtschaften, etwa die Spezialisierung und Produktion für den Exportmarkt oder die Diversifizierung der Produkte für regionale Anforderungen. „Die Konzentration auf Ökosystemdienstleistungen ist eine weitere Strategie, die von uns auch als Gesellschaft gewollt sind“, so die Expertin.

Es ist schwierig, Aussagen über „die deutsche Landwirtschaft“ zu treffen. Zunächst fallen landespolitische Vorgaben unterschiedlich aus und auch die Kategorie der Hofgröße liefert verzerrte Bilder, da in Ostdeutschland Betriebe vorherrschen, die große Flächen bewirtschaften, während es in anderen Bundesländern vorwiegend kleinere Flächen sind, aber die Umsätze vergleichbar hoch sein können.

„Der Strukturwandel in der Landwirtschaft war in der Vergangenheit schon wesentlich stärker, als er zurzeit ist“, sagt Bernhard Forstner vom Thünen-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei in Braunschweig. Vor zehn Jahren schlossen laut Statistischem Bundesamt fast doppelt so viele Höfe wie zurzeit. Auch Forstner weist darauf hin, dass es schwierig ist, Höfe etwa in Ost- und Westdeutschland mit ihren unterschiedlichen Geschichten, aber auch Betriebe innerhalb einer Region zu vergleichen: zu unterschiedlich die Ausgangspositionen und Strategien der einzelnen Betriebe und zu dünn die Datenlage.

„Aber es gibt Skaleneffekte“, sagt Forstner. Je größer die bewirtschafteten Flächen und Zahlen der Tiere, umso leichter ließen sich Abläufe standardisieren und es ergäben sich auch Vorteile im Einkauf und in der Vermarktung. „Man kann sagen, je größer, desto besser“, so Forstner. Allerdings gäbe es auch entsprechend größere Probleme, wenn etwas schiefgeht.

Vier Gruppen von schließenden Betrieben

Alfons Balmann, Direktor des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien in Halle an der Saale, weist darauf hin, dass landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland jährlich mit vielen Milliarden Euro bezuschusst werden: in Form von Direktzahlungen, Umverteilungsprämien, Einkommensbeihilfen für Hofnachfolger, Begünstigungen im Einkommensteuerrecht, im Erbrecht oder im Erbschaftssteuerrecht.

„Kleinere Betriebe sind trotz durchschnittlich höherer Subventionen je Hektar aber nicht nur absolut oft wenig rentabel, sondern auch je Arbeitskraft“, sagt Balmann. Bemessen an Milchleistung, Ferkelzahlen oder Getreideerträgen würden sie auch weniger erwirtschaften. In Regionen mit vielen solcher Höfe, wie in Süddeutschland oder Nordrhein-Westfalen, bestünde enormer lokaler Konkurrenzdruck, die Betriebe würden sich gegenseitig auf den Füßen stehen, sagt Balmann. Dennoch würden gerade dort große Anreize bestehen, unrentable Betriebe fortzuführen, weil etwa das Erbrecht oder das Steuerrecht Privilegien bieten, „zumal die Vermögenswerte in der Landwirtschaft enorm hoch sind“, so der Experte.

Unter den Höfen, die zugemacht werden, sind seit Langem unrentable Betriebe zahlenmäßig stark vertreten, wie auch Höfe, die mangels Nachfolge schließen. Deutlich seltener sei, dass sich Landwirte mit Investitionen übernehmen oder durch unerwartete Änderungen auf dem Markt oder von politischer Seite in Probleme geraten. „Das sind die Höfe, die politisch eine besondere Aufmerksamkeit benötigen“, sagt Balmann. Bei den anderen stelle sich eher die Frage, was sie eigentlich so lange in der Produktion gehalten habe.

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