Mini-Meuterei bei der EU: Viktor Orbán bald ohne EU-Stimmrecht?

Der ungarische Premier ist mit Abstand der größte Querschläger von Brüssel. Einige Europaabgeordnete wollen nun seine Macht eindämmen. Das ist leichter gesagt als getan.

Der finnische EU-Abgeordnete Petri Sarvamaa nennt es einen „Moment, in dem es für die EU um alles oder nichts geht“. Der Rechtsstaatlichkeitspolitiker, der zur konservativen Parteienfamilie EVP gehört, hat eine Petition aufgesetzt, mit der Forderung, Ungarn sein Stimmrecht im Rat zu entziehen. Das verkündete er auf dem Netzwerk X.

Bis zu diesem Freitag haben die EU-Parlamentarier Zeit, die Petition zu unterschreiben. Dann wird sie der EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola vorgelegt. Das sei „historisch“, schrieb Sarvamaa.

Der ungarische Premier Viktor Orbán ist mit Abstand der größte Querschläger in Brüssel. Seit Jahren läuft gegen Budapest ein Rechtsstaatsverfahren, im Zuge dessen EU-Gelder eingefroren wurden. Seitdem bestimmen Erpressungsversuche in Form von Orbáns Vetos im Rat die EU-Politik.

Kompliziertes Rechtsverfahren

Erst in dieser Woche wieder: Ungarn verweigert seine Zustimmung zu einem Hilfspaket für die Ukraine, welches das Kriegsland für sein Überleben dringend benötigt. Nun ließ Orbán verlauten, sein Veto aufzugeben, wenn jährlich neu über die Hilfsgelder abgestimmt werde – er ergo jährlich blockieren könnte.

Wer die Sicherheit der EU aufs Spiel setzt, verspielt dabei auch den Anspruch, an den Entscheidungen mitzuwirken.

Rasmus Andresen, Sprecher der Grünen-Delegation im Europaparlament

Für Rasmus Andresen, Sprecher der Grünen-Delegation im Europaparlament, ist das ein weiterer Beleg dafür, dass man Orbán sein Stimmrecht entziehen muss. „Er zeigt seit Jahren, dass er keinen Respekt vor den Interessen der Europäischen Union hat. Mit dem jüngsten Manöver hat er sich aber endgültig disqualifiziert. Wer die Sicherheit der EU aufs Spiel setzt, verspielt dabei auch den Anspruch, an den Entscheidungen mitzuwirken”, sagte er.

Letztlich kann das Parlament allerdings nicht mehr machen, als öffentlich den Stimmrechtsentzug zu fordern.

Um einem Mitgliedstaat das Stimmrecht zu entziehen, muss zunächst der Artikel 7(2) angewandt werden, in dem festgestellt wird, dass „eine schwerwiegende und anhaltende Verletzung der EU-Grundwerte vorliegt“. Der Prozess kann von der EU-Kommission gestartet werden oder von einem Drittel der Mitgliedstaaten. Das Parlament muss dem Vorgehen dann mit einer Zweidrittel-Mehrheit zustimmen, kann ihn aber nicht selbst initiieren.

Die Feststellung, dass tatsächlich ein Werteverstoß vorliegt, treffen die Mitgliedstaaten allein – und zwar einstimmig.

Erst dann kann Artikel 7(3) angewandt werden, bei dem es um den Stimmrechtsentzug geht. Die Mitgliedstaaten entscheiden darüber mit qualifizierter Mehrheit (mindestens 72 Prozent der Mitgliedstaaten, die zusammen mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung ausmachen). Es ist also ein langer, komplizierter Weg.

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