An Feiertagen einkaufen: Berlins einziger autonomer 24-Stunden-Supermarkt

Hier können Berliner rund um die Uhr einkaufen – der DB Service Store am Ostbahnhof.

Das lange Osterwochenende weckt nicht nur Vorfreude. Es muss auch gut vorbereitet werden. Wer Familie und Freunde zu Besuch hat, macht sich besser schon früh Gedanken über Einkaufslisten. Am Karfreitag und am Ostermontag haben die Supermärkte in Berlin geschlossen. Wem Ostern Milch oder Eier zum Kuchenbacken fehlen, wird seit 2019 auch im Späti um die Ecke nicht mehr fündig. Das Berliner Verwaltungsgericht stellte damals klar, dass der Verkauf von Lebensmitteln an Sonn- und Feiertagen im Späti verboten ist.

Immer mehr Verbraucher vor allem in den westlichen Bundesländern haben eine Option mehr, um in solchen Fällen ihr Festtagsmenü zu retten. Voll automatisierte Supermärkte haben in Stuttgart, München, Saarbrücken und anderen Städten eröffnet. Sie arbeiten ohne Personal. Kunden bezahlen mit einer App oder an einem Touchscreen. Die Supermärkte ohne Mitarbeiter sind nicht an Ladenöffnungszeiten gebunden. Sie stehen rund um die Uhr zur Verfügung.

Auch in Berlin haben einige Supermärkte an Bahnhöfen und am Flughafen Berlin-Brandenburg geöffnet. Sie arbeiten aber mit Personal. Eine Ausnahmeregelung erlaubt es Geschäften an Bahnhöfen und Flughäfen, Waren an Reisende zu verkaufen. Ein Fahrticket muss aber in der Regel niemand vorweisen. Die autonomen 24-Stunden-Supermärkte hingegen befinden sich in vielen westdeutschen Großstädten mitten in der Innenstadt. Das Geschäft „Kübler Go“ in Stuttgart hat etwa im Sommer 2022 unweit des Feuersees im angesagten Westen der Landeshauptstadt eröffnet.

Allein die Deutsche Bahn (DB) experimentiert nun in Berlin mit dem neuen Konzept. Sie betreibt seit Ende Juni vergangenen Jahres einen rund um die Uhr geöffneten Service Store am Ostbahnhof. Kunden können anders als in den 24-Stunden-Supermärkten in anderen Städten keine frischen Lebensmittel kaufen. Sie finden in Vitrinen aus Glas die üblichen Snacks für die Zugfahrt. Das Angebot soll laut DB die Versorgung am Bahnhof für die Reisenden angenehmer machen. Niemand muss vor einer Kasse anstehen. Eine App muss für den Zutritt heruntergeladen werden. Die Abrechnung erfolgt digital.

„Kauf ein, wann du willst“ – einen Kassierer braucht es im DB Service Store am Ostbahnhof nicht.

Laut DB wird das Angebot am Ostbahnhof gut angenommen. Mehrere Tausend Kunden hätten sich seit der Eröffnung im Juni 2023 online für den Einkauf registriert, sagt eine DB-Sprecherin. „Wie zu erwarten war, erfolgt die Nutzung noch nicht in dem Maße wie bei einem klassischen DB-Service-Store“, erläutert die DB-Sprecherin.

Bei dem 24-Stunden-Geschäft am Ostbahnhof handelt es sich um einen an deutschen Bahnhöfen bisher einmaligen Testballon der DB. Das Unternehmen will herausfinden, ob das Konzept Zukunft hat. Die DB erkenne ein „großes Potenzial“, teilt die Sprecherin mit.

Die künftigen Chancen voll automatisierter Supermärkte erklären sich mit einer Not der Gegenwart. Der Fachkräftemangel erschwert es dem Einzelhandel, Kassen zu besetzen. Hinter „Kübler Go“ im Stuttgarter Westen steht die Traditionsmetzgerei Kübler. Sie schloss 2021 nach 130 Jahren ihre Filiale, um ein Jahr später mit dem voll automatisierten Supermarkt zurückzukehren. Die Fleischwaren der Metzgerei finden sich im Angebot, aber auch Bowls und Säfte für die gesundheitsbewusste urbane Kundschaft.  Die Metzgerei mit Sitz in Waiblingen sprach 2022 von „Veränderungen im Metzgereigewerbe“, die Innovationen erforderten.

Auch andere Metzgereien gehen inzwischen den Stuttgarter Weg. In der Gemeinde Haslach in Baden-Württemberg werden Fleischwaren voll automatisiert verkauft. Der Familienbetrieb Gräther fand kein Personal mehr und eröffnete im vergangenen Jahr die Selbstbedienungs-Metzgerei. Metzgereien trifft neben dem Fachkräftemangel auch der sinkende Fleischkonsum. Die Branche warnt vor dem Aussterben ihres Handwerks.

Aber auch die Supermärkte mit Vollsortiment suchen händeringend nach Personal. Laut Handelsverband (HDE) sind derzeit in den Supermärkten 120.000 Stellen unbesetzt. Der Einzelhandel verzeichnete mit mehr als drei Millionen Angestellten einen Rekord an Mitarbeitern, erklärt Stefan Hertel vom HDE. Dennoch fehle Personal für die Kassen oder das Einsortieren von Waren.

Die voll automatisierten Supermärkte seien ein in Zeiten des Fachkräftemangels nachvollziehbarer Trend. Aber eben auch nur ein Trend angesichts diverser Kundenbedürfnisse. Urbanen Verbrauchern mit begrenztem Zeitbudget und hoher Affinität für digitale Angebote käme ein Einkauf ohne Schlangestehen gelegen. Aber nicht alle Käufer tickten so.  „Es gibt keine einheitliche Kundschaft in Deutschland“, sagt Hertel.

Hertel verweist auf eine Edeka-Filiale im fränkischen Schweinfurt. Dort gibt es seit dem vergangenen Jahr eine sogenannte Plauderkasse. Kunden können sich Zeit lassen und die Mitarbeiter sind ausdrücklich für einen Schwatz zu haben. Die Filiale reagiere auf eine Kundschaft, die sich mehr Austausch beim Einkaufen wünsche. Nicht nur älteren Menschen fehle im Alltag oft die Ansprache, erklärt Hertel. Rewe und Edeka eröffneten in Zusammenarbeit mit der örtlichen Seniorenberatung im Februar Plauderkassen in ihren Filialen im nordrhein-westfälischen Kempen.

Edeka bestätigen auch verschiedene Pilotprojekte mit 24-Stunden-Supermärkten in Deutschland. In Berlin sei aber kein Testmarkt geplant. Edeka nennt dafür keine Gründe. Eignen sich Städte mit höherer Kaufkraft wie Stuttgart eher für Pilotprojekte als Berlin? Stefan Hertel vom HDE wagt keine Einschätzung. Dazu könnten nur die Ketten etwas sagen, erklärt er.

Rewe berichtet vom Test voll automatisierter Supermarktboxen. Sie seien allerdings für ländliche Gemeinden gedacht. Zu möglichen Plauderkassen für Berlin machen Edeka und Rewe keine Angaben. Darüber entschieden die Filialen selbst, erklären Sprecher der Ketten.

Dabei gäbe es für Plauderkassen in Berlin einen gesicherten Bedarf. Jeder zehnte Berliner soll sich laut Schätzungen isoliert fühlen. In Reinickendorf trat Annabell Paris als erste Einsamkeitsbeauftragte einer deutschen Kommune am 1. Februar ihren Dienst an. Manche Berliner können von langen Einkaufslisten für ein Osterfest mit Familien und Freunden nur träumen.