„Hochproblematischer Vorgang“ – Besorgnis nach offenbar abgehörtem Luftwaffen-Gespräch

Der Ton-Mitschnitt von einem vertraulichen Gespräch deutscher Luftwaffen-Offiziere alarmiert deutsche Sicherheitspolitiker. „Geleakt“ wurde er offenbar von russischer Seite. CDU-Verteidigungsexperte Kiesewetter sieht darin eine gezielte Einflussnahme auf die deutsche Ukraine-Politik.

„hochproblematischer vorgang“ – besorgnis nach offenbar abgehörtem luftwaffen-gespräch

Die Aufnahme zeigt einen Kampfjet Tornado IDS ASSTA 3.0, der einen Lenkflugkörper Taurus im Rahmen der Übung „Two Oceans“ über See abwirft dpa/Bundeswehr

Nach der russischen Veröffentlichung eines mutmaßlichen Mitschnitts einer Bundeswehr-Besprechung hat der Grünen-Sicherheitspolitiker Konstantin von Notz Aufklärung gefordert.

„Sollte sich diese Geschichte bewahrheiten, wäre das ein hochproblematischer Vorgang“, sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

„Es stellt sich die Frage, ob es sich hier um einen einmaligen Vorgang oder ein strukturelles Sicherheitsproblem handelt. Ich erwarte umgehende Aufklärung aller Hintergründe.“ Eine Stellungnahme von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) steht allerdings noch aus.

Die Chefin des russischen Staatssenders RT, Margarita Simonjan, hatte am Freitag einen Audiomitschnitt des rund 30-minütigen, möglicherweise abgehörten Gesprächs veröffentlicht. Auch anderswo im Internet kursierten Schnipsel des Gesprächs, teils kürzer und offenbar nachträglich zusammengeschnitten.

In den Gesprächsausschnitten sollen ranghohe Offiziere der Luftwaffe zu hören sein, wie sie über theoretische Möglichkeiten eines Einsatzes deutscher Taurus-Marschflugkörper durch die Ukraine diskutieren. Nach WELT-Informationen handelt es sich bei dem Gespräch um eine am 19. Februar mit der Videokonferenzsoftware Webex durchgeführte Besprechung des Luftwaffen-Inspekteurs, Generalleutnant Ingo Gerhartz, mit drei Offizieren seiner Teilstreitkraft.

Das deutsche Verteidigungsministerium prüft nun, ob die Kommunikation im Bereich der Luftwaffe abgehört wurde. „Das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) hat alle erforderlichen Maßnahmen eingeleitet“, teilte eine Sprecherin des Ministeriums bereits am Freitag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. „Zum Inhalt der offenbar abgehörten Kommunikation können wir nichts sagen.“

Details zu Taurus-Debatte und brisante Äußerung über Verbündete

In dem in der Audiodatei zu hörenden Austausch geht es unter anderem um die Frage, ob Taurus-Marschflugkörper technisch theoretisch in der Lage wären, die von Russland gebaute Brücke zur völkerrechtswidrig annektierten ukrainischen Halbinsel Krim zu zerstören.

Ein weiterer Punkt im Gespräch ist, ob die Ukraine den Beschuss ohne Bundeswehrbeteiligung bewerkstelligen könnte. Allerdings ist in dem Mitschnitt auch zu hören, dass es auf politischer Ebene kein grünes Licht für die Lieferung der von Kiew geforderten Marschflugkörper gibt.

Brisant ist, dass die Rede davon ist, dass die Briten im Zusammenhang mit dem Einsatz ihrer an die Ukraine gelieferten Storm-Shadow-Marschflugkörper „ein paar Leute vor Ort“ hätten. Gerade erst hatte es in Großbritannien Verärgerung gegeben über eine Äußerung von Kanzler Olaf Scholz gegeben, die ihm von einigen als Indiskretion ausgelegt wurde. „Was an Zielsteuerung und an Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden“, sagte der SPD-Politiker. Was er genau damit meint, ließ er offen.

Der Satz wurde aber von einigen als Hinweis verstanden, Franzosen und Briten würden die Steuerung ihrer an die Ukraine gelieferten Marschflugkörper Storm Shadow und Scalp mit eigenen Kräften unterstützen. Ein Sprecher des britischen Premierministers Rishi Sunak dementierte das umgehend: „Der Einsatz des Langstreckenraketensystems Storm Shadow durch die Ukraine und der Prozess der Zielauswahl sind Sache der ukrainischen Streitkräfte.“

Strack-Zimmermann warnt vor „Naivität“

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), warnte angesichts der Berichte vor Naivität. „Spionage gehört zum Instrumentenkasten Russlands hybrider Kriegsführung“, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

„Es ist weder überraschend noch verwunderlich, dass Gespräche abgehört werden. Es war nur eine Frage der Zeit, wann es öffentlich wird.“ Der Grund dafür, dass es gerade jetzt geschehe, liege auf der Hand.

„Nachdem der Kanzler in der letzten Woche die Lieferung ausgeschlossen hat, die Gründe für seine Ablehnung aber binnen 24 Stunden von Fachleuten widerlegt worden sind, möchte man ihn offensichtlich davon abschrecken, doch noch grünes Licht zu geben“, so Strack-Zimmermann.

Die FDP-Politikerin forderte: „Es muss endlich Schluss sein mit unserer Naivität. Cyberangriffe, Spionage und Desinformation sind bereits heute massiv angestiegen. Wir müssen dringend unsere Sicherheit und Spionageabwehr erhöhen, denn wir sind auf diesem Gebiet offensichtlich vulnerabel.“

Scholz positionierte sich mehrfach gegen Taurus-Lieferung

CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter hatte dem ZDF mit Blick auf die Veröffentlichung bereits zuvor gesagt: „Man muss davon ausgehen, dass das Gespräch ganz gezielt durch Russland zum jetzigen Zeitpunkt geleakt wurde in einer bestimmten Absicht. Diese kann nur darin liegen, eine Taurus-Lieferung durch Deutschland zu unterbinden.“

Russland wolle Scholz abschrecken, indem man „öffentlich zeigt, wie tief Russland die deutschen Entscheidungsvorbereitungen dazu bereits aufgeklärt hat“. Kiesewetter vermutete zudem: „Dieses Bundeswehr-Leak kann ein russischer Versuch sein, die öffentliche Debatte wegzulenken von den Wirecard-Enthüllungen und der Beerdigung von Alexej Nawalny.“

Bundeskanzler Scholz hat mehrfach betont, dass er gegen die von Kiew wiederholt geforderte Lieferung von Taurus-Raketen an die Ukraine ist. Er begründete dies mit der Gefahr, dass Deutschland in den von Russland begonnenen Angriffskrieg hineingezogen werden könnte.

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