Berliner City West: Streit um Weihnachtsbeleuchtung am Kudamm – Unternehmer schlagen Lösung vor

berliner city west: streit um weihnachtsbeleuchtung am kudamm – unternehmer schlagen lösung vor

City West, Ende November: Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU), Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD), AG-City-Vorstandsvorsitzender Uwe Timm und andere Gäste eröffnen mit einem Roten Button den Start der Weihnachtsbeleuchtung am Kudamm 2023. Sie wäre fast nicht zustande gekommen.

Für die Bürger in der City West ist es seit Jahren ein leidiges Thema: Immer wieder fehlt Geld für die Weihnachtsbeleuchtung am Kurfürstendamm und der Tauentzienstraße, stets fällt sie spärlicher aus als geplant. Im vergangenen Jahr erhielten die ansonsten sehr solventen Einzelhändler der City West sogar 100.000 Euro aus der Senatskasse, um die Beleuchtung zu organisieren. Sie konnten aus eigener Kraft rund 400.000 Euro für die Weihnachtsbeleuchtung zusammenbekommen – das war zu wenig.

Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) musste zusätzlich 125.000 Euro von mehreren Unternehmern eintreiben, damit die City West beleuchtet werden konnte. Die Berliner Zeitung berichtete.

Dabei ließe sich die Beleuchtung viel einfacher gewährleisten, wenn es nach dem Vorstand des Unternehmervereins AG City geht – ohne dass er den Senat immer wieder um Geld fragen müsste. Für die Eigentümer der Geschäfte am Kudamm und der Tauentzienstraße wäre ein neuer „Business Improvement District“, kurz BID, das Mittel der Wahl.

Ein BID funktioniert so: Unternehmer tun sich zusammen, um Dienstleistungen wie die Straßenreinigung oder die Pflege der Grünflächen in ihrem Stadtteil gemeinsam zu organisieren und zu finanzieren. Jeder von ihnen verpflichtet sich, seinen Anteil in den Geldtopf dazuzugeben. Dadurch verbessern die Unternehmen die Standortqualität für ihre Kunden und entlasten gleichzeitig die öffentliche Hand.

Der letzte BID in der City West – zuständig für seine Umsetzung sind die Bezirksämter – lief im Juni vergangenen Jahres aus. Er belief sich auf ein Gesamtvolumen von mehreren Millionen Euro. Ein Konzept für die Weihnachtsbeleuchtung war darin nicht enthalten. Das wollen die Unternehmer jetzt ändern.

Carsten Rudolph, Hotelier und Vorstandsmitglied der AG City, empfängt die Berliner Zeitung im sogenannten Werkstadtforum seines Vereins. Es befindet sich im Hochhaus des Europa-Centers, Tauentzienstraße 11, vierter Stock. Die AG City habe in der Vergangenheit zwar bewiesen, dass eine Weihnachtsbeleuchtung „auch ohne BID“ möglich sei, so der 53-Jährige. Für einen Verein mit einer derartig kleinen Geschäftsstelle wie der AG City sei es jedoch „ein unvorstellbarer Kraftakt, das jedes Jahr aufs neue zu stemmen – vielleicht auch mit der Aussicht, dass es dunkel bleibt“.

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Uwe Timm (59, Vorstandsvorsitzender der AG City) und Carsten Rudolph (53, AG-City-Vorstandsmitglied) im Europa-Center

Ein neuer BID in der City West, das würde Rudolph zufolge heißen, dass die Weihnachtsbeleuchtung für mindestens fünf Jahre „finanziert und damit gesichert“ sei. So hätten die Unternehmer längerfristig eine Garantie für die Finanzierbarkeit vorab festgelegter Maßnahmen. Und die Kunden könnten mit einem ergreifenden Einkaufserlebnis in der Weihnachtszeit rechnen – eine Win-win-Situation.

Doch derzeit ist es nicht möglich, einen neuen BID zu beantragen. Der Grund: 2018 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass das bis dahin gültige Gesetz zur Ermittlung des Einheitswerts der anliegenden Grundstücke verfassungswidrig sei. Die Richter monierten, dass es Grundstückseigentümer gegenüber anderen Eigentümern bevorteilen würde. Sie erlaubten nur eine Fortführung der bisherigen Regelung bis zum Auslaufen des vorigen BID.

Schwarz-Rot nahm entsprechend die Novellierung des Gesetzes in den Berliner Koalitionsvertrag auf. Darin ist unter dem Stichwort „Wirtschaft“ der Passus zu lesen: „Wir wollen das bestehende Berliner Gesetz zur Gründung von Immobilien- und Standortgesellschaften (BIG) novellieren und die Möglichkeit einer Anschubfinanzierung durch die IBB schaffen.“

Mit dem neuen Gesetz soll dem Vernehmen nach ein Grundsteuerwert künftig zum Maßstab für die Abgabenhöhe gemacht werden. Das dürfte den Verwaltungsaufwand deutlich verstärken – für jeden Grundstückseigentümer müsste die Finanzverwaltung unter Leitung von Stefan Evers (CDU) neue Werte für die Abgabenerhebung ermitteln. Auch die bisherige Regelung, dass ein BID mit Zustimmung der Eigentümer von mindestens 15 Prozent der Gesamtgrundstücksfläche beantragt werden kann, steht demnach zur Diskussion: Diese Quote könnte abgesenkt werden, um BID-Anträge zu erleichtern und die Zahl der Mitglieder zu vergrößern.

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Mangels Finanzen war die Weihnachtsbeleuchtung am Kudamm an der Grünfeld-Ecke 2023 weniger opulent als in anderen Jahren.

Die Berliner Zeitung fragte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung unter Leitung von Christian Gaebler (CDU), wann mit der Gesetzesnovelle zu rechnen sei. Eine Sprecherin teilte mit, ein Referentenentwurf befinde sich „in den finalen Zügen der ressortübergreifenden Abstimmung“. Das Abgeordnetenhaus wolle man im ersten Quartal informieren, das heißt bis Ende März, „bevor eine Gesetzesvorlage in den Senat und im Weiteren in den Rat der Bürgermeister eingebracht wird“. Anschließend könne die Vorlage ins Abgeordnetenhaus gehen.

Auch die Finanz- und Wirtschaftsverwaltungen sind laut der Sprecherin „in den Erarbeitungsprozess eingebunden“. Eine Rechtsanwaltskanzlei unterstütze die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zusätzlich bei der Neufassung des Gesetzes. Anschließend prüfe die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz den Gesetzesentwurf auf Rechtsförmlichkeit.

Man plane mit der Gesetzesänderung „Verbesserungen im Hinblick auf die praktische Anwendung“, so die Sprecherin. Weitere Fragen zum Inhalt kommentiere man nicht. „Erst mit den nächsten Schritten des Gesetzgebungsverfahrens können weitere Informationen erfolgen“, heißt es. Die Gesetzesvorlage zu erstellen und in den Senat einzubringen, obliege der federführenden Verwaltung.

Die Wirtschaftsverwaltung teilte auf Anfrage mit, sie setze sich ebenfalls dafür ein, dass die dringend notwendige BID-Novelle „schnellstmöglich erfolgt“. Man wolle dadurch die Steigerung der Attraktivität von Einkaufsstraßen „auch in Selbstorganisation“ erleichtern, so eine Sprecherin.

Die Sorge der Unternehmer, ohne neuen BID keine Weihnachtsbeleuchtung auf die Beine stellen zu können, weist sie jedoch zurück. „Private Akteure“, Unternehmer also, könnten sich „grundsätzlich in jeglicher Form zusammenschließen, um eine Weihnachtsbeleuchtung zu realisieren“. Das sei in der Vergangenheit bereits mehrfach geschehen. Der Senat habe solche Aktivitäten in „besonderen Situationen“ wie der Corona-Pandemie auch „finanziell unterstützt“.

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Weihnachtsbeleuchtung am Tauentzien 2023: Auch internationale Touristen besuchen gerne die beleuchtete City West.

Uwe Timm, den Immobilienunternehmer und Vorstandsvorsitzenden der AG City, überzeugt das nicht. Er sagt der Berliner Zeitung, Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) habe den Unternehmern bereits den Oktober 2023 für die Lesung der Gesetzesnovelle im Abgeordnetenhaus in Aussicht gestellt. Dann sei vom Januar 2024 die Rede gewesen: „Jetzt ist der Januar vorbei und der Entwurf wurde immer noch nicht vorgelegt.“ Mit einem „arbeitsfähigen“ BID „bei Einhaltung aller Verfahrensschritte“ sei 2024 realistischerweise nicht mehr zu rechnen, so sein Fazit.

Die Langsamkeit des Senats beschäftigt auch das Abgeordnetenhaus. Christoph Wapler, wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, stellte bereits im März 2023 gemeinsam mit seinem Parteikollegen Julian Schwarze eine parlamentarische Anfrage an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Auf ihre schriftliche Frage, wann mit einer Novelle zu rechnen sei, hieß es im April, ein „Zeitpunkt für die Einbringung in das Abgeordnetenhaus“ könne „derzeit nicht benannt werden“.

Dann fragte der CDU-Abgeordnete Peer Mock-Stümer den Senat an. Das war im November vergangenen Jahres. In der Antwort aus dem Dezember ist zu lesen, eine baldige Novellierung des Gesetzes sei deshalb nicht möglich gewesen, weil der „komplexe Sachverhalt“ einen „ressortübergreifenden Abstimmungsprozess unter Einbeziehung weiterer betroffener institutioneller Akteure und Sachverständiger“ erfordere.

Wapler, der sein Bürgerbüro in der Windscheidstraße hat, kann darüber nur den Kopf schütteln. Zwar glaube er nicht, dass die Weihnachtsbeleuchtung in der City West nur mit einem BID möglich sei, sagt er im Gespräch mit der Berliner Zeitung. Er trete aber ein „für einen ökologisch und sozial ausgewogenen BID am Kudamm“ und unterstütze entsprechend die Unternehmer, die auf eine schnellere Novellierung des Gesetzes pochen.

Innovative Unternehmer auf der einen Seite und eine chronisch unterbesetzte, unflexible Senatsverwaltung auf der anderen, so stellt sich die Situation für Wapler dar. Selbstverständlich werde man sich den neuen BID kritisch ansehen, sobald dieser vorliegt, sagt er. Doch ohne ein neues Gesetz bleibt das Zukunftsmusik.

Auf Anfrage der Berliner Zeitung äußern auch die Abgeordnetenhaus-Fraktionen der Regierungsparteien CDU und SPD Verständnis für die Anliegen der AG City. „Die Unternehmer fordern niedrigere Hürden für einen neuen BID, genau das ist auch das Ziel der Gesetzesnovelle. Was die Unternehmer wollen, das wollen wir auch“, versichert Christian Gräff, Sprecher der CDU-Fraktion für Bauen und Stadtentwicklung. Die Überarbeitung des Gesetzes müsse aus seiner Sicht „in dieser Wahlperiode angegangen werden“. Von einer Verzögerung der Novelle will Gräff jedoch nicht sprechen: „Ich habe davon keine Kenntnis.“

Ex-Finanzsenator Matthias Kollatz, derzeit Sprecher der SPD-Fraktion für Bauen und Denkmalschutz, sagt: „Das überarbeitete Berliner Gesetz zur Gründung von Immobilien- und Standortgesellschaften soll nach meinen Informationen in diesem Jahr kommen.“ Die geplanten staatlichen Anschubhilfen durch die Investitionsbank Berlin würden nur für den Start nötig sein. „Danach wird der BID von sich aus funktionieren“, so Kollatz – ganz ohne weitere Senatsgelder und voraussichtlich mit mehr Mitgliedern als zuvor.

Für Immobilienunternehmer Uwe Timm ist das ein schwacher Trost. Die Unternehmer bräuchten den BID nicht, „um dem Senat Geld aus den Rippen zu leiern“, so der 59-Jährige, „sondern dafür, dass die Einkaufsmeile weiter attraktiv bleibt“. Sein Appell: Anstatt sich bei der Gesetzesnovelle gegenseitig zu blockieren, müssten die Berliner Senatsverwaltungen „einen gangbaren Weg aus dieser Zwickmühle finden“.

Der Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz und der beleuchtete Kudamm seien „international bekannte und beliebte Attraktionen“, betont der AG-City-Vorstandsvorsitzende. „Wenn dort einmal das Licht ausgeht, kommen zunächst vielleicht noch ein paar Leute, weil sich das noch nicht herumgesprochen hat – sie werden aber enttäuscht“, befürchtet er. „Im zweiten und den folgenden Jahren kommt dann wahrscheinlich niemand mehr.“

Transparenzhinweis: Der Berliner Verlag, der die Berliner Zeitung herausgibt, ist ebenfalls Mitglied der AG City. Der Verein vertritt mehr als 500 Berliner Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen.

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