News des Tages: Amanda Knox, Lars Klingbeil, Internet-Trolle und »Swatting«

Amanda Knox steht wieder vor Gericht in Italien – ist aber nicht da. SPD-Co-Chef Klingbeil erklärt seinen Bruch mit Ex-Kanzler Schröder. Und Internet-Trolle lösen falsche Polizeieinsätze bei Politikern aus. Das ist die Lage am Donnerstagabend.

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News des Tages: Amanda Knox, Lars Klingbeil, Internet-Trolle und »Swatting«

1. Amanda Knox wieder vor Gericht in Italien

Mit dem Freispruch für Amanda Knox vor neun Jahren schien das Drama um den »Engel mit den Eisaugen« abgeschlossen. Die US-Amerikanerin wurde fälschlicherweise beschuldigt, während eines Uni-Auslandsjahres im italienischen Perugia die britische WG-Mitbewohnerin Meredith Kercher getötet zu haben.

Knox lebt längst wieder in den USA, hat mittlerweile zwei Kinder und widmet sich als Aktivistin und Podcasterin Themen wie Strafrechtsreformen und erzwungenen Geständnissen. In Kürze soll eine Miniserie über ihren Kampf mit der italienischen Justiz erscheinen, bei der Monica Lewinsky als Produzentin mitwirkte.

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Die italienische Justiz blamierte sich im Prozess, setze Knox unter Druck, Ermittler hielten an haltlosen Unterstellungen fest, Behörden mussten ihr am Ende Schadensersatz zahlen.

Trotz der Pannen wird dem Drama nun ein Kapitel angefügt. Knox muss sich in Italien erneut vor Gericht verantworten. Diesmal geht es nicht um den Mordvorwurf, sondern um Verleumdung. Knox hatte in einem entscheidenden Verhör 2007 jemanden belastet, der später als unschuldig freikam. Die Aussage sei unter dem enormen Druck der Ermittler entstanden, argumentiert Knox.

Meine Kollegin Alexandra Berlin hat die Amerikanerin 2022 in Seattle besucht und auch den jüngsten Prozessauftakt in Perugia verfolgt. Sie war überrascht, wie gering das Medieninteresse war – und das, obwohl Knox in Italien eine öffentliche Figur ist. So öffentlich, dass sowohl Ankläger als auch Journalisten sie einfach nur »Amanda« nennen – als wären sie alle mit ihr vertraut, sagt Alexandra.

Knox dürfte dieser Prozess helfen, der Öffentlichkeit klarzumachen, dass sie unschuldig ist. »Sie kann bis heute kein normales Leben leben, weil viele Menschen sie immer noch für eine Mörderin halten, Freispruch hin oder her«, sagt Alexandra.

2. SPD-Co-Chef Klingbeil erklärt seinen Bruch mit Ex-Kanzler Schröder

In der sehenswerten ARD-Doku zum 80. Geburtstag von Altbundeskanzler Gerhard Schröder bezeichnete er den heutigen SPD-Co-Vorsitzenden Lars Klingbeil als »armselige Gestalt« (hier mehr zur Doku). Klingbeil hat mal in Schröders Wahlkreisbüro gearbeitet, beide standen sich lange nah.

Doch wegen Schröders anhaltender Freundschaft zu Wladimir Putin entfremdeten sie sich. In der SPD gilt Schröder inzwischen vielen als Unperson, auf ihrer Homepage listet die Partei ihn nicht mehr als bedeutende Persönlichkeit auf – offenbar der Grund für Schröders Groll. Auch wenn er in dem Film so tut, als tangiere ihn das überhaupt nicht.

Meine Kollegin Marina Kormbaki und mein Kollege Christoph Hickmann haben jetzt mit Klingbeil gesprochen. Dabei ging es auch um Schröder. Ob er ihm zum Geburtstag gratuliert habe, wollten sie wissen. »Wenn ein Bundeskanzler dieses Landes, egal welcher Partei, 80 Jahre alt wird, dann gratuliert man als Vorsitzender der größten Regierungspartei«, sagt Klingbeil. »Das hat etwas mit Anstand und Werten zu tun.« Schröder sei in einer entscheidenden Frage aber völlig falsch abgebogen. »Es ist für mich nicht akzeptabel, dass ein Sozialdemokrat an der Seite von Kriegsverbrechern wie Putin steht.«

Anders als Kanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich Klingbeil bei der Unterstützung der Ukraine weniger zögerlich. Trotz angespannter Haushaltslage plädiert er für mehr Hilfe für das Land – und zwar langfristig. »Kiew muss sich sicher sein, dass es in den nächsten zehn Jahren oder noch länger Waffen und Munition von uns erhält.«

3. Internet-Trolle lösen falsche Notfalleinsätze bei Politikern aus

Neulich las ich von einer perfiden Masche von Rassisten: In Nordrhein-Westfalen sollen Internet-Trolle online bei Lieferdiensten Essen bestellt und sie an Menschen mit ausländisch klingenden Namen haben bringen lassen. Auf dem Lieferzettel sollen im Adressfeld Hassbotschaften platziert gewesen sein.

Heute habe ich eine neue Belästigungsform und einen neuen Begriff gelernt: »Swatting«. Das Wort beschreibt das Phänomen von unrechtmäßig veranlassten Notfalleinsätzen. Es stammt ursprünglich aus den USA und leitet sich von Swat-Teams ab, schwer bewaffneten Polizeieinheiten.

Solche standen mitten in der Nacht am 11. September auch vor dem Haus einer rheinland-pfälzischen Landtagsabgeordneten, unterstützt von mehreren Feuerwehrfahrzeugen. Das Problem: Die Politikerin war wohlauf und hatte gar keinen Notfall. Den inszenierte offenbar eine Bande, die sich »NWO« nennt.

Meine Kollegen Jörg Diehl, Roman Höfner, Max Hoppenstedt und Daniel Laufer haben gemeinsam mit dem ARD-Magazin Kontraste herausgefunden, dass die Trolle Listen mit Privatadressen von 77 ehemaligen und aktuellen Landtagsabgeordneten aus Niedersachsen und Rheinland-Pfalz erstellt haben. Die Online-Mobber planten außerdem, Adressen von Bundestagsabgeordneten zu ermitteln. Das geht aus einer Analyse von mehr als 75.000 internen Nachrichten, Tonaufnahmen, Videos und weiteren Dokumente hervor.

Die Recherchen zeigen, dass Mitglieder der NWO auch illegale Abfragen im internen Polizeisystem Polas nutzen, um an Privatadressen ihrer Opfer zu kommen. Dazu geben sie sich am Telefon als Polizisten aus und überlisten andere Beamte, ihnen die Informationen zu überlassen. »Das ist ein Beispiel dafür, wie Cyberkriminelle im Netz und mit Telefonanrufen ihr Unwesen treiben können und gravierende Folgen in der realen Welt auslösen«, sagt der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler.

Was heute sonst noch wichtig ist

    Früherer US-Footballstar O.J. Simpson ist tot: Er stand in den Neunzigerjahren im Mittelpunkt eines spektakulären Indizienprozesses: O.J. Simpson ist laut Angaben seiner Familie gestorben. Er wurde 76 Jahre alt.

    Russland rät von Reisen in Nahen Osten ab – US-Kommandeur besucht Israel: Die Angst vor einem iranischen Angriff auf Israel wächst. Moskau empfiehlt seinen Bürgerinnen und Bürgern nun, auf Reisen in den Nahen Osten zu verzichten. Die USA haben einen Truppenkommandeur nach Israel geschickt.

    EZB lässt Leitzins bei 4,5 Prozent – und deutet Zinswende an: Bei der Europäischen Zentralbank bahnt sich für den Sommer eine Senkung der Zinsen an. Zwar bleibt der Leitzins vorerst unangetastet, doch für die kommenden Monate deutet die Zentralbank eine Lockerung ihrer Geldpolitik an.

    Vietnamesische Immobilienmagnatin zum Tode verurteilt: In einem der größten Finanzskandale Vietnams hat ein Gericht die Todesstrafe gegen Unternehmenschefin Truong My Lan verhängt. Sie soll mehr als zwölf Milliarden Dollar abgezweigt haben.

Mein Lieblingskommentar heute:

Heute Abend beabsichtigt der CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Thüringen in einem Live-Duell gegen den AfD-Kandidaten anzutreten. Mario Voigt glaubt, den Faschisten Björn Höcke auf diese Weise stellen zu können. »An diesem TV-Duell ist alles verkehrt«, findet mein Kollege Christian Buß. »Seine Bewerbung, sein Austragungsdatum – und selbst seine Entstehung.«

Christian plädiert aber nicht dafür, AfD-Politiker auszugrenzen und nicht mit ihnen zu reden. Im Gegenteil: »Einen wirkungsvollen kritischen Umgang mit Rechtspopulisten wird man nur finden, wenn man sie ins tagespolitische Klein-Klein einbindet.« Und da sind sie fast immer blank, weil sie vor lauter Ideologie-Gegeifer kaum Zeit haben, sich mit den Details von Rentenformeln oder Verkehrswegeplänen zu beschäftigen.

Leider ist auch heute Abend nicht zu erwarten, dass es bei dem »Duell« um Lieferengpässe bei Medikamenten oder um hohe Nitrat-Belastung der Böden durch Gülle gehen wird – beides Probleme, mit der sich die Thüringer Politik rumschlagen muss.

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

    »In einem Stadtteil geht eine Rakete runter, im anderen essen Eltern mit Kindern Eis«: Das russische Militär beschießt fast ununterbrochen die ukrainische Stadt Charkiw. Der Kreml will die Bürger demoralisieren. Doch die Menschen halten stoisch an ihrem Alltag fest – selbst im Bombenhagel.

    Warum Hauseigentümer jetzt um ihre Gasanschlüsse bangen: Drehen manche Stadtwerke den Verbrauchern bald den Gashahn zu? Die Aufregung um das Thema ist groß – mit Augsburg ist eine erste Großstadt in die Schlagzeilen geraten. Was Sie dazu jetzt wissen müssen.

    Sieben Gründe, warum die 60. Biennale in Venedig brisant wird: Wenn der Vatikan ins Gefängnis geht und Deutschland von China abkupfert, dann ist Biennale-Zeit: Kommende Woche beginnt in Venedig das beliebteste Kunstereignis der Welt. Hier erfahren Sie, welche Beiträge schon jetzt aufregen.

Was heute weniger wichtig ist

Gütersloh in Hollywood: Schauspielerin und Produzentin Margot Robbie, 33, widmet sich nach »Barbie« der nächsten Spiel(zeug)-Verfilmung: »Monopoly«. Das gab die Lionsgate Motion Picture Group bekannt. Das Studio hatte seine Entwicklungsrechte an dem Brettspiel im Dezember 2023 verlängert. Nach Angaben von Lionsgate ist Monopoly die weltweit beliebteste Brettspielmarke mit einem Bekanntheitsgrad von 99 Prozent.

Mini-Hohlspiegel

Aus der »Verdener Aller-Zeitung«:

»Die Bahn kommt beim Flottenausbau voran, bei der Unpünktlichkeit aber nicht.«

Hier finden Sie den ganzen Hohlspiegel.

Cartoon des Tages

Und heute Abend?

Heute läuft der Kinofilm »Back to black« an, das Biopic über die viel zu früh verstorbene britische Soulsängerin Amy Winehouse. Die Filmbiografie von Regisseurin Sam Taylor-Johnson, die vor dem Fesselspielspektakel »50 Shades of Grey« einen Film über den jungen John Lennon drehte (»Nowhere Boy«, 2009), wurde bereits vor dem Kinostart kontrovers diskutiert, schreibt mein Kollege Andreas Borcholte. Ihn überzeugte das Werk nicht sonderlich (lesen Sie hier mehr). »Back to Black« beschränke sich darauf, »an einer noch einmal unverschämt aufpolierten Oberfläche nach Effekten zu haschen«, so Andreas in seiner Filmkritik. Sie könnten heute Abend ins Kino gehen und sich selbst ein Urteil bilden.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Herzlich

Ihr

Janko Tietz, Ressortleiter Nachrichten

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