100 Jahre Radio: die Kapitulationsrede des japanischen Kaisers Hirohito

100 jahre radio: die kapitulationsrede des japanischen kaisers hirohito

15. August 1945: Eine Gruppe von Japanern hört die Rundfunkansprache des Kaisers, in der er die Kapitulation Japans erklärt. Der Ort der Aufnahme ist nicht bekannt.

Wie laut soll ich sprechen?“, hatte der Kaiser gefragt. Kurz zuvor, am Vormittag des 14. Augusts 1945, war Hirohito zu einem Gebäude des kaiserlichen Haushaltsministeriums auf dem Gelände seines Palastes chauffiert worden. Dann war er vor den Augen ehrfürchtig erschauernder Techniker des Senders NHK ans Mikrofon getreten – unsicher. Es wird wohl einen Moment gedauert haben, bis sich ein Techniker ein Herz fasste und es wagte, dem Kaiser zu antworten, er möge mit seiner „normalen Stimme“ sprechen.

50 Jahre und einen Tag später, im Jahr 1995, erinnert sich der Schriftsteller Kenzaburō Ōe in der „New York Times“: „Aufgrund des schlechten Empfangs in unserem Tal, vor allem tagsüber, hätte es keinen Zweck gehabt, es mit etwas anderem zu versuchen als einem Hochleistungsempfänger. An diesem Tag versammelten sich die Leute vor den Herrenhäusern reicher Familien, die ihre leistungsfähigen Radios auf- und eingestellt hatten. Beim Haus, zu dem ich ging, um zu lauschen, stand das Radio auf der Veranda und war zum Vorgarten hin ausgerichtet. Der Herr des Hauses, seine Familie und wichtige Mitglieder der Nachbarschaft warteten Seite an Seite in der Dunkelheit des großen Tatami-Zimmers im rückwärtigen Teil des Hauses. Wir hatten uns im sonnenbeschienenen Garten vor der Veranda versammelt, erwachsene Männer zuerst, dann die Frauen, die Kinder tummelten sich hinter ihnen. Die jungen Männer waren zum Schlachtfeld gebracht worden; junge Frauen, umwerfend selbst in unseren Kinderaugen, hatten sich unter die Älteren gemischt. Und aus dem Radio knarzten die Worte des Kaisers hinaus zur wartenden Menge, Worte, die eindeutig von einem menschlichen Wesen gesprochen wurden.“

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„An unsere guten und treuen Untertanen. Nach tiefem Nachdenken über die allgemeinen Entwicklungen in der Welt und die tatsächlichen Verhältnisse, die in unserem Reich herrschen, haben wir heute beschlossen, eine Bereinigung der gegenwärtigen Situation durch den Rückgriff auf eine außerordentliche Maßnahme zu bewirken. Wir haben unsere Regierung angewiesen, den Regierungen der Vereinigten Staaten, Großbritanniens, Chinas und der Sowjetunion mitzuteilen, dass unser Reich die Bestimmungen ihrer gemeinsamen Erklärung akzeptiert (…). Doch es entspricht dem Diktat der Zeit und des Schicksals, dass wir beschlossen haben, allen zukünftigen Generationen den Weg zu einem großen Frieden zu bereiten, indem wir das Unerträgliche ertragen und erdulden, was man nicht erdulden kann.“ Die Ansprache endet mit den Worten: „Vereinigt eure gesamte Stärke, die dem Aufbau der Zukunft gewidmet sei. Pflegt die Wege der Rechtschaffenheit, festigt den Adel des Geistes und arbeitet mit Hingabe – sodass ihr die angeborene Herrlichkeit des kaiserlichen Staates stärken und Schritt mit dem Fortschritt der Welt halten könnt.“

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Am ersten August 2015 veröffentlicht der Kaiserpalast Fotos der Schallplatten, auf die die Kapitulationsrede von Kaiser Hirohito aufgenommen wurde.

Im gesamten kaiserlichen Bescheid kommen Begriffe wie Niederlage und Kapitulation nicht vor. Man wolle „die Bestimmungen“ einer Erklärung akzeptieren. Eine Erklärung, von der das Volk allenfalls durch Flugblätter wusste.

Die Schriftstellerin Shizuko Gō schreibt in ihrem Roman „Ein Requiem“ („Rekuiemu“, 1973): „Durch die ungewohnte Stimmlage und die Nebengeräusche hatte niemand die Rundfunkansprache des Kaisers genau verstehen können, und einige beharrten sogar darauf, dass es ein Aufruf gewesen sei, sich zur letzten Schlacht auf heimatlichem Boden zu rüsten.“

Nach dem Ende der ersten Aufnahme fragt der Kaiser: „War das in Ordnung?“ Worauf der Aufnahmeleiter untertänigst erklärt, es habe keine „technischen Fehler“ gegeben, „allein einige Worte waren nicht ganz verständlich“. Der Kaiser liest noch einmal. Den Anwesenden, so überliefern es Augenzeugen, stehen Tränen in den Augen. Auch dem Kaiser. Vier Platten füllen seine Versuche. Sie sind Teil des kaiserlichen Archivs und wurden 2015 erstmals wiederveröffentlicht und digital aufbereitet.

Das Radio spielte eine entscheidende Rolle

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Noch oben auf: Japans Kaiser Hirohito salutiert von seinem Lieblingspferd während einer Parade in Tokyo, im Jahr 1937

Es ist schwer zu sagen, wer im August des Jahres 1945 den Pazifikkrieg beendete. Die Amerikaner? Die Bomben? Der Kaiser? Oder jener Teil der Befehlshaber der kaiserlichen japanischen Armee, der sich einer Tatsache stellte, die bisher alle für „undenkbar“ gehalten hatten: dass es vorbei war, dass Japan geschlagen war. Zumindest, wenn es den Blutzoll seines Volkes, das nun für die imperialistische Gier des Inselstaates bezahlte, nicht noch weiter in die Höhe treiben wollte.

Eindeutiger ist, dass das Medium Radio eine entscheidende Rolle auf dem Weg zu dieser Kapitulation spielte. Vielleicht gibt es in der hundertjährigen Geschichte des Mediums kaum einen bedeutsameren Moment als jenen, in dem ein Volk zum ersten Mal die menschliche Stimme eines Mannes hört, der als höchste Autorität des Landes, als Gott in Menschengestalt, verehrt wurde. Ein Wesen, dessen Worte, wie John W. Dower in seiner mit dem Pulitzer-Preis prämierten Abhandlung „Embracing Defeat“ schreibt, bis dahin allenfalls durch kaiserliche Bescheide überliefert wurden – „als gedruckte Texte, Verkündigungen, untertänigst vorgetragen von anderen“. Doch nun musste er selbst das Wort ergreifen – ohne allerdings die Kriegsziele seines Landes zu desavouieren oder dessen Kriegsgräuel anzuerkennen.

Die Geschichte der Entstehung dieser als „Juwelen-Stimmen-Übertragung“ (Gyokuon-hōsō, gemeint ist die kaiserliche Stimme) bezeichneten Ansprache des japanischen Shōwa-tennō zeigt vor allem eines: wie knapp das Land weiteren Angriffen mit Atombomben entging. Auch wenn sich die Legende, Präsident Harry Truman habe geblufft, als er drohte, weitere Bomben auf Japan werfen zu lassen, hartnäckig hält: Er bluffte nicht. Nur Stunden bevor die Nachricht von Japans Kapitulation das Weiße Haus erreicht, soll Truman einem britischen Diplomaten gesagt haben, er habe „keine Alternative“ und müsse wohl einen dritten atomaren Schlag anordnen. Auch ein vierter und fünfter waren aus seiner Sicht denkbar.

Noch am 6. August 1945, kurz nachdem ein Langstreckenbomber des Modells B-29 Superfortress mit dem Namen Enola Gay die Bombe auf Hiroshima geworfen hat, regnet es Flugblätter in Tokio. Auf ihnen ist in höflichem Japanisch zu lesen: „Weil eure militärischen Führer die 13-teilige Kapitulationserklärung abgelehnt haben, haben wir unsere Atombombe eingesetzt.“ Bevor man sie wieder einsetze, möge man doch „den Kaiser ersuchen, diesen Krieg zu beenden“. Eine naive Vorstellung.

Nur einer kann den Krieg beenden

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Schallplatte mit mit der Beschriftung „Zweites Mal (Zweiter Take), Nummer 2“

Nachdem die zweite Bombe auf Nagasaki gefallen ist, erklärt der Höchste Rat für Kriegsfragen (Saikō sensō shidō kaigi) erst einmal das Kriegsrecht in Japan. Teile des zerstrittenen Kabinetts, die nicht gegen den Willen des Kriegsministers und Generalinspekteurs Korechika Anami ankamen, wenden sich an den Kaiser. Nur er kann den Krieg beenden. Doch ist Vorsicht geboten, die politische Macht liegt im Jahr 1945 bei den Generälen.

Es ist überliefert, dass der Kaiser, der sich als Oberbefehlshaber gern hoch zu Ross fotografieren ließ, den stickigen Schutzraum unterhalb der kaiserlichen Bibliothek wenig später in seiner Feldmarschalluniform betritt, die ihm nicht passt, weil in diesen Tagen kein Uniformschneider je nah genug an seine Majestät herangelassen wurde, um Maß zu nehmen.

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Menschen knien vor dem kaiserlichen Palast in Tokyo, als Hirohito umständlich erklärt, dass der Krieg zu Ende ist.

Zunächst hört sich der sichtlich angeschlagene Hirohito an, was Japans „Große Sechs“, die vier Ratsmitglieder des „inneren Kabinetts“ und zwei Stabschefs des Militärs, zu sagen haben. Es dauert: Gegen zwei Uhr morgens, Freitag, 10. August, ergreift Premier Kantarō Suzuki die Initiative und bittet Hirohito um einen kaiserlichen Befehl. Ebenso zögerlich wie sanft soll Hirohito daraufhin sein Einverständnis mit den Bedingungen des „Potsdamer Abkommens“ gegeben haben.

Zu diesen Bedingungen gehört, dass Japan die Chance bekommt, den Krieg selbst zu beenden. Wenn nicht, würde weitergekämpft, bis Japan aufgäbe – und zwar mit der gesamten zur Verfügung stehenden militärischen Macht, die schon Nazi-Deutschland besiegt habe. Japan müsse sich entscheiden: zwischen seinen militärischen Führern und dem „Weg der Vernunft“. Das japanische Militär solle auf ewig entwaffnet und das Land besetzt werden, bis die treibenden Kräfte hinter den japanischen Welteroberungsplänen gebannt und eine vom Volk getragene friedliche Regierung eingesetzt sei. Die Alternative: „sofortige und völlige Vernichtung“. Am 10. August fragt Japans Außenministerium die Alliierten, ob man die Autorität des Kaisers unangetastet lassen werde. Am 11. August antworten die Alliierten, dies werde dem obersten Befehlshaber der Streitkräfte überlassen.

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General Douglas MacArthur trifft den Japanischen Kaiser Hirohito in der US-Botschaft in Tokyo

Doch während man im Westen den lang ersehnten Frieden wittert, verbreiten japanische Zeitungen am 11. August einen Aufruf von Generalinspekteur Korechika Anami an seine Soldaten: „Das Einzige, was uns bleibt, ist, beharrlich bis zum Ende zu kämpfen.“

Die Radioansprache des Kaisers sollte zur Lunte eines japanischen Pulverfasses werden, dessen Explosionskraft sich aus den unversöhnlichen Positionen zweier politischer Kräfte ergab: jenen, die es gut sein lassen wollten, und jenen, die es nicht in sich hatten, das Schwert niederzulegen. Der Coup des Militärs, das den Kaiser, der sich lange hatte einspannen lassen, als Marionette feiger Zivilisten entblößen wollte, steht kurz bevor. Die Generäle wissen von den Friedensbemühungen ihres müden Kaisers.

Das Manuskript wird an Zeitungen verschickt

Das vermerkt auch Marquis und Lordsiegelbewahrer Kido Kōichi, einer der engsten Berater des Kaisers, am 14. August in seinem Tagebuch, das Aufschluss über die letzten Tage des Krieges in Japan gibt. Er drängt Hirohito zu einem weiteren „Treffen in Anwesenheit des Kaisers“ (gozen kaigin). Dort gibt dieser endlich seine Bereitschaft bekannt, den Bescheid persönlich via Radio zu verkünden.

Als die Gruppe der Rundfunktechniker auf dem Gelände des Palastes eintrifft, bemerkt ein Besucher, dass dort auf einmal weit mehr Soldaten patrouillieren als üblich. Derweil streiten sich Kabinettsmitglieder um jedes Wort des kaiserlichen Bescheids. Auf späteren Abbildungen des Redemanuskriptes, das die Hof-Kalligraphen dem Kaiser eigentlich in Reinform vorlegen sollten, sind noch eingefügte, teils auf kleinen Papierstreifen hinzugefügte Anmerkungen zu erkennen.

Per Siebdruck erstellte Kopien des Manuskripts werden an die Zeitungen geschickt, versehen mit einem Embargo bis zum Zeitpunkt nach der Übertragung der Ansprache. Dass der Kaiser selbst sprechen wird und worüber, davon erfahren die Radiohörer zunächst nichts. In den Abendnachrichten ist nur von einer wichtigen Sendung die Rede, die um 12 Uhr am 15. August ausgestrahlt werde.

Die Nacht vom 14. auf den 15. August verbringen die Rundfunktechniker auf dem Gelände des Palastes. Zu groß ist die Furcht, von aufständischen Soldaten aufgegriffen zu werden, die ahnen, was im Palast vor sich geht. Ein Diener versteckt die Aufnahmen im Tresor eines Zimmers des kaiserlichen Gefolges.

Nur wenige Stunden später dringen der Luftwaffen-Kapitän Shigetaro Uehara, Leutnant-Oberst Jiro Shiizaki und Masataka Ida sowie Major Kenji Hatanaka in das Büro von Generalleutnant Takeshi Mori, dem Kommandanten der Kaiserlichen Garde, ein. Sie wollen ihn für ihren Coup gewinnen, doch dieser lehnt ab. Moris Schwager, Michinori Shiraishi, soll sich zwischen Mori und Ueharas tödlichen Schwertstreich geworfen und selbst den Tod gefunden haben. Hatanaka soll Mori schließlich erschossen haben. Mit seinem Siegel fälschen sie einen Befehl an die Garde, den Palast zu besetzen, die Kommunikation zu unterbinden und das NHK-Rundfunkhaus abzuriegeln.

Radiotechniker, die sich noch im Palast befinden, werden von Soldaten mit weißen Bändern über der Brust zusammengetrieben und unter Arrest gestellt. Und während der Kaiser in seinem durch Stahlfensterläden geschützten Gemach ausharrt, stürmen Soldaten unter Führung von Major Hidemasa Koga den Palast, um eine mögliche Aufnahme der kaiserlichen Ansprache zu finden und zu zerstören.

„Mit meinem Tod büße ich für eine große Schuld.“

Am frühen Morgen des 15. August betritt Kenji Hatanaka das „Studio 2“ des NHK-Hauptgebäudes und richtet seine Pistole prompt auf Nachrichtensprecher Morio Tateno. Er, habe Hatanaka gesagt, übernehme jetzt die Fünf-Uhr-Nachrichten. Doch, so erzählen Tateno und damals anwesende NHK-Mitarbeiter später, habe der Sprecher den hitzigen Major, der kurz zuvor einen General niedergestreckt hatte, nicht ans Mikro gelassen. Unterdessen habe ein Techniker die Verbindung zum Funkturm unterbrochen, sodass Hatanakas Aufruf, bis zum letzten Mann weiterzukämpfen, ungehört verhallt wäre.

Zu diesem Zeitpunkt hat sich Generalinspekteur Korechika Anami, der noch am 11. August von seinen Soldaten öffentlich den Kampf bis zum bitteren Ende eingefordert, hernach aber die Kapitulation unterzeichnet hatte, bereits mit einem Dolch das Leben genommen. Er hinterlässt folgende Notiz: „Mit meinem Tod büße ich [vor dem Kaiser] für eine große Schuld.“

Nachdem kaisertreue Truppen die aufständischen Soldaten auf dem Palastgelände gestellt haben, bringen NHK-Techniker die Aufnahmen in zwei Autos auf unterschiedlichen Wegen zum Sender. Ohne auf seine Begegnung mit Major Hatanaka einzugehen, kündigt Nachrichtensprecher Morio Tateno um 7.21 Uhr die bevorstehende Übertragung des kaiserlichen Bescheids an. Er werde um 12 Uhr gesendet, und man möge der Stimme des Kaisers mit „gebührendem Respekt“ lauschen. Radioempfänger sollten an allen Poststellen, Bahnhöfen und öffentlichen Büros bereitgestellt werden.

Kurz nach 12 Uhr ist die Ansprache beendet. Berichte erwähnen weinende Menschen. Andere schildern, dass die Zuhörer still und manierlich nach Hause gingen, um darüber nachzudenken, was sie da eben vernommen hatten. Wieder andere seien wie vom Donner gerührt gewesen. Selbst jene, die die Ansprache des Kaisers nicht verstanden, werden im Anschluss durch die Radiomoderatoren unmissverständlich darüber aufgeklärt, das Japan den Krieg verloren hat.

„Der Kaiser war ein Gott“, schreibt Kenzaburō Ōe in der „New York Times“, „die Autorität einer Nation, das zugrunde liegende Prinzip der Realität. Das Militär und die Polizei, das System der sozialen Klassen – der Kaiser als Gott war der Ursprung all dieser Dinge. Und all die Gesetze und Systeme unter unserer Verfassung hatten harte, hohe Barrieren aus Realität errichtet, um die entsprechende Distanz zwischen uns und dem Kaiser zu gewährleisten.“ Nach der Ansprache, schreibt Ōe, hätten die Erwachsenen ratlos über das Gehörte verhandelt. Unterschiedliche Interpretationen habe es gegeben, man habe sich verabschiedet und sei meist still seiner Wege gegangen. Nur die Kinder hätten „mit rebellischem Mut die Stimme des Kaisers“ imitiert: „das Unerträgliche zu ertragen, zu erdulden, was man nicht erdulden kann“.

Yuriko Miyamotos Roman „Die Ban­shu-Ebene“ (Banshū Heiya, 1946) beschreibt den Moment in schlichter Eindringlichkeit: „Unwillkürlich erhob sich Hiroko von ihrem Platz an der Veranda und trat nahe an das Radio heran. Sie presste ihr Ohr an das Gerät und lauschte. Alles wurde in gewählte, nicht sogleich zu verstehende Floskeln gekleidet; aber es war die Verkündigung der bedingungslosen Kapitulation. Sofort nachdem die Stimme des Tenno verklungen war, wandte sich Hiroko zu ihrem jüngeren Bruder und seiner Frau um. ‚Habt ihr verstanden?‘ ‚Bedingungslose Kapitulation!‘ Danach wurde die offizielle Mitteilung des Kabinetts gesendet. Dann war auch das zu Ende. Keiner sagte etwas. Nach einer Weile brachte Yukio, unbewusst stöhnend, die Worte hervor: ‚Unfassbar.‘“

Im hawaiianischen Pearl Harbor liegt heute ein Museumsschiff: Die Missouri ist ein Schlachtschiff der Iowa-Klasse mit dem Spitznamen „Mighty Mo“. Amerikaner – oft Angehörige von, selten selbst noch Veteranen – führen Touristen durch das Schiff und erklären Menschen aus der ganzen Welt, darunter vielen Japanern, was auf dem Deck der Missouri, die am 2. September vor 79 Jahren in der Bucht von Tokio ankerte, geschah. Etwas, das kaum jemand für möglich gehalten hatte, trotz des Einsatzes von Waffen, die vorher und nachher – bis dato – nie wieder auf diese Weise gebraucht werden sollten: Auf „Befehl und im Namen des Kaisers von Japan, der japanischen Regierung und des japanischen Kaiserlichen Generalhauptquartiers“ unterschreiben Japans Außenminister Shigemitsu Mamoru und General und Oberbefehlshaber der japanischen Armee Umezu Yoshijirō die Bedingungen der Potsdamer Erklärung vom Juli 1945. „Hiermit verkünden wir die bedingungslose Kapitulation des japanischen kaiserlichen Generalhauptquartiers und aller bewaffneten japanischen Streitkräfte gegenüber den alliierten Mächten.“

Wie das amerikanische Magazin „The Atlantic“ in seiner Aufarbeitung der Ereignisse am 7. August 2015 schreibt, habe Major Kenji Hatanaka seinen Aufstand damit beendet, vor den Toren des Kaiserpalastes Faltblätter zu verteilen. Darin ruft er die Zivilisten auf, „den Kampf um den Erhalt unseres Landes und die Eliminierung der Verräter, die den Kaiser umgeben, aufzunehmen“. Keiner habe sich für die Faltblätter interessiert. Major Kenji Hatanaka schießt sich wenig später eine Kugel in den Kopf.

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