Klimapolitik: Mit Glück zum Ziel

klimapolitik: mit glück zum ziel

Gut gegen Treibhausgase: Weil in energieintensiven Branchen weniger produziert wurde, ging die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen wie Kohle zurück.

Dank mildem Wetter und schwächelnder Konjunktur erreicht Deutschland seine Klimaziele. Schon die nächste Bilanz könnte weniger angenehm ausfallen.

Mit Glück zum Ziel

Mit den Fortschritten beim Klimaschutz ist Robert Habeck eigentlich ganz zufrieden. Erst vorigen Monat hatte der grüne Klimaschutzminister zusammen mit dem Umweltbundesamt die jüngste Klimabilanz präsentiert, die Zahlen darin waren gar nicht schlecht. Im vorigen Jahr waren die Treibhausgas-Emissionen um 76 Millionen Tonnen zurückgegangen, mithin um mehr als zehn Prozent. So etwas hatte es seit 1990 nicht mehr gegeben. Und auch mit Blick auf die Zukunft wähnt sich Habeck im Plan: Bis 2030, so sagt es ein “Projektionsbericht” der obersten deutschen Umweltbehörde, seien die Klimaziele nun in Reichweite. “Deutschland ist auf Kurs”, findet Habeck.

Am Montag nun hat der Expertenrat für Klimafragen seine Sicht auf die Zahlen dargelegt, sie ist ein wenig trüber. Der Rat ist von der Regierung eingesetzt, der Job der Expertinnen und Experten darin ist die kritische Prüfung der offiziellen Daten. Im Kern bestätigt er die Zahlen des Bundes, die Emissionen sind tatsächlich um 76 Millionen Tonnen gesunken. Aber: Davon seien 74 Millionen Tonnen alleine auf zwei Faktoren zurückzuführen – die Krise der Industrie und die milde Witterung.

Probleme drohten vor allem auf Verkehrsminister Wissing zuzukommen

So gingen zwei Drittel auf eine schrumpfende Produktion in besonders energieintensiven Branchen zurück, denn dadurch sank auch die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen, etwa in Kohlekraftwerken. Der Rest konnte eingespart werden, weil in milden Wintermonaten weniger geheizt wird. Zu einem “nicht unbeträchtlichen Teil” sei das Klimaziel 2023 also durch Effekte erreicht worden, “deren Dauerhaftigkeit nicht sichergestellt ist”, sagt Hans-Martin Henning, der Vorsitzende des Expertenrats. Kurzum: Nicht die Politik, sondern die äußeren Umstände verhalfen dem Land über die Ziellinie.

Politisch haben sich die Bedingungen sogar eher noch verschlechtert. Denn seit das Karlsruher Urteil zum Klima- und Transformationsfonds die Regierung zum Sparen zwingt, schrumpfen auch die Klimaprogramme, etwa zur Förderung sparsamer Gebäude. Damit allerdings geraten auch die Annahmen der Bundesregierung ins Wanken: Schließlich geht die in ihrem “Klimaschutzprogramm” davon aus, dass mehr Förderung auch mehr Klimaschutz bedeutet. Angesichts geschrumpfter Mittel könnte nun das Gegenteil passieren, warnt der Expertenrat – denn fast die Hälfte der Maßnahmen aus dem Programm sei “fiskalischer Natur”, sagt Brigitte Knopf, die stellvertretende Vorsitzende des Gremiums. “Dies verringert die Wahrscheinlichkeit, dass die angenommene Minderungswirkung so eintritt.”

Für den Klimaschutzminister Habeck also könnte schon die nächste Bilanz deutlich weniger angenehm ausfallen – entweder weil die Regierungsannahmen nicht aufgehen, oder weil sich die Industrie erholt (was den Wirtschaftsminister Habeck freuen würde). Das viel größere Problem dagegen hätte auf Volker Wissing zukommen können, den Verkehrsminister von der FDP – hätte sich die Koalition nicht kurz vor knapp noch auf eine Novelle des Klimaschutzgesetzes geeinigt.

Die Ministerien sind nun erst einmal vom Haken

Denn auch für den Bereich Verkehr bestätigen die Expertinnen und Experten die Ergebnisse des Umweltbundesamtes. Seine Emissionen liegen um 12,8 Millionen Tonnen über der Zielmarke, die das geltende Klimaschutzgesetz verlangt. Damit hätte für Wissing von diesem Montag an die Uhr getickt. Denn das Gesetz, auf dessen Basis auch der Expertenrat arbeitet, definiert bisher nicht nur Klimaziele für Bereiche wie Industrie, Verkehr, Landwirtschaft, Gebäude oder Energie. Es verlangt auch “Sofortprogramme”, sobald der Expertenrat eine Verfehlung bestätigt hat.

Neben dem Verkehr betrifft das den Gebäudebereich – allerdings wird das Ziel hier nur leicht verfehlt, und das nach Auffassung des Expertenrats nicht einmal ganz eindeutig. Nach der bisherigen Fassung des Gesetzes blieben betroffenen Ministerien exakt drei Monate, um ein solches Programm vorzulegen.

Das erklärt, weshalb Wissing zuletzt über mögliche Fahrverbote am Wochenende spekuliert hatte, sollte das Gesetz nicht novelliert werden. Zu all dem sagt der Expertenrat aber nichts. Man habe bei früheren Gelegenheiten schon deutlich gemacht, dass es mit einem Tempolimit oder bei Subventionen für Dienstwagen oder Diesel noch Stellschrauben gebe, sagt Knopf. Im Übrigen habe man auf die Probleme beim Verkehr schon länger hingewiesen. “Das ist nichts, was plötzlich kommt”, sagt sie.

Mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes sind die Ministerien nun ohnehin erst einmal vom Haken, denn das soll sich künftig weniger um Bilanzen drehen, mehr um Prognosen – die “Projektionsberichte”. Die allerdings muss der Expertenrat bisher noch nicht kritisch prüfen.

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