11.04.2024, Berlin: Björn Höcke (AfD, l) und Mario Voigt (CDU, r), Spitzenkandidaten für die Landtag data-portal-copyright=
Erstmals duellierte sich mit Mario Voigt ein CDU-Politiker im Fernsehen mit dem Rechtsextremen AfDler Björn Höcke. Der Tabubruch hat Folgen – über den Wahlkampf in Thüringen hinaus.
Der Leberhaken erwischte Björn Höcke in Minute 33. Nicht Mario Voigt setzte den Hieb, es war der Moderator des Senders Welt TV. Im „Boxring der Demokratie“ (Senderangabe) sprach er das Thema Remigration an und zitierte aus einem Buch des AfD-Politikers. Darin stünde, die ehemalige Integrationsbeauftragte der Bundesregierung und heutige Bundestagspräsidentin Aydan Özoğuz lasse „nicht einmal eine spezifisch deutsche Kultur erkennen“ und habe daher „in unserem Land tatsächlich nichts verloren“. Ob Özoğuz nichts in Deutschland verloren habe, wollte er wissen.
Das Buch sei sechs Jahre alt, er müsse die Passage selbst noch einmal lesen, erwiderte Höcke und versuchte über die Position seiner Partei zur Remigration zu reden. Der Moderator aber hakte nach, ob eine Deutsche mit Migtationshintergrund hier nichts verloren habe? Er habe die Passage nicht vor Augen, der Kontext sei wichtig. „Sie verweigern die Antwort?“, stichelte der Moderator. „Wie heißt die Dame?“, fragte Höcke zurück. „Ich glaube, sie hat sich abwertend über Deutschland geäußert, oder?“ Als ginge er zu Boden, setzte CDU-Politiker und Herausforderer Voigt noch nach: Er habe erwartet, dass Höcke zumindest „den Mumm habe“, zu dem zu stehen, was er sage. „Ich stehe doch dazu“, patzte Höcke zurück und gab sich geschlagen.
Erstmals traf sich am Donnerstagabend ein Politiker der CDU mit einem rechtsextremen AfD-Vertreter, um live im Fernsehen zu streiten. Beide sind in Thüringen Oppositionspolitiker. Beide wollen in diesem Jahr die Wahl gewinnen und Ministerpräsidenten werden. Ist ein öffentliches Duell ein Tabubruch in der bundesdeutschen Auseinandersetzung um rechte Strömungen? Oder war es nicht vielmehr ein dringend notwendiger Auftakt für einen Diskurs in Zeiten der Fake News und Echokammern mit konstruierten Realitäten, die jede gemeinsame Gesprächsgrundlage vernichten? Die Strategen in den Zentralen aller Bundesparteien – ganz gleich ob CDU, AfD, SPD, Grüne, FDP oder Linke – verfolgten aufmerksam, was da der Fernsehsender Welt.TV aus Berlin-Mitte in die Republik ausstrahlte.
Angeklagt wegen NS-Parolen
Im TV-Studio standen sie sich gegenüber, auf der einen Seite ein Moderatoren-Duo, auf der anderen Seite die Rivalen nebeneinander: Der Jenaer Voigt im dunklen Anzug mit dunkler Krawatte auf weißem Hemd gegen das Gesicht des radikalen Flügels der Rechtspopulisten Höcke, Westimport aus dem westfälischen Lünen, dunkler Anzug, weißes Hemd, Krawatte im hellen Blau der AfD. 47 Jahre ist der eine, Politikwissenschaftler mit Professorentitel; 52 der andere, einst Gymnasiallehrer für Sport und Geschichte, angeklagt von der Staatsanwaltschaft, nationalsozialistische Parolen verbreitet zu haben.
Auch den Hinweis verkniff sich der Moderator nicht bei der Vorstellung der Duellanten und bekam gleich von Höcke – lächelnd – zur Antwort: „Das musste ja kommen“. Nächste Woche beginnt der Prozess gegen ihn in Halle. Für Höcke ist das nur ein Beleg mehr, dass es mit der Meinungsfreiheit nicht mehr weit her ist im Land.
Diese Feststellung gehörte zu einer der zentralen Botschaften Höckes: Daneben gehörte die Gefahr der Überfremdung dazu wie der Hinweis, Deutschland versinke in der Steuer- und Abgabenlast sowie der Bürokratie, die nicht zuletzt von Europa komme, weshalb Europa als loser Staatenbund neu aufgebaut werden müsse. Für Voigt indes will die AfD den europäischen Gedanken zerstören und damit Wohlstand und Frieden. Und mit völkischen Gedanken vergiftet sie das Klima im Land. Er wolle nicht, dass so jemand wie Höcke seine Heimat Thüringen regiere.
Zehn Jahre lang habe die CDU die AfD vergeblich ignoriert, begründete Voigt im Vorfeld seine Entscheidung, sich mit Höcke ein TV-Duell zu liefern. Die AfD liegt in den Umfragen zu den diesjährigen Landtagswahlen vorne – in Thüringen am deutlichsten, aber auch in Sachsen und in Brandenburg. Drum steht die Frage im Raum: Lassen sich die Wähler noch abhalten, die Rechten zu wählen? An diesem Donnerstagabend konnte sie sich ein Bild von der Höcke-AfD machen.
Die AFD liegt im Osten in den Umfragen vorne
In Thüringen liegt die AfD mit 29 Prozent vor der CDU (22). Die regierende Linke ist mit 16 Prozent abgeschlagen, von SPD (9), Grünen (5) oder FDP (2) gar nicht zu reden. „Der Einzige, der der AfD noch Paroli bieten kann, ist Mario Voigt“, hieß es im Vorfeld in der CDU.
In der Bundespolitik ist Voigt ein Unbekannter. Zwar kürte ihn die Bundespartei bewusst zum Vizechef der Kommission für das neue Grundsatzprogramm. Das Amt konnte er öffentlich aber nicht für sich nutzen. Wichtiger war, an seiner Popularität in Thüringen zu arbeiten – und das im Eiltempo. Erst seit etwas mehr als zwei Jahren ist er Oppositionsführer, versuchte zunächst, sich als Gegengewicht zum amtierenden Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) zu positionieren und nun als Beschützer seiner Heimat vor der AfD.
Dazu muss Voigt aber bekannt im Land werden – und vor allem beliebt. Es kommt auf die Persönlichkeitswerte an. In Sachsen etwa setzt die CDU voll auf Regierungschef Michael Kretschmer. Die Partei liegt in den Umfragen vier Punkte hinter der AfD. Kretschmers Beliebtheit, so die Rechnung der Parteistrategen, werde die CDU Platz Eins bescheren. Mehr als 60 Prozent der Sachsen finden den Görlitzer gut, Voigt kommt bei den Thüringern nur auf 17 Prozent. Die Tage nach dem Duell werden zeigen, ob er zulegen kann – oder doch Höcke mit aktuell 16 Prozent Beliebtheitswert. „Es ist noch ein weiter Weg, die AFD zu überholen“, sagen sie selbstkritisch in der Thüringer CDU.
Im TV-Duell zumidnest versuchte Voigt ruhig zu bleiben, sprach bedacht und piesakte Höcke ein ums andere Mal mit Hinweisen, er möge bei den Fakten bleiben, er solle nicht nervös sein oder eben, ihm fehle der Mumm. Manches Mal gelang es ihn, Höcke aus der Reserve zu locken, etwa als Voigt ihm vorwarf zu hassen. Höcke echauffierte sich. Er sei Vertrauenslehrer gewesen und habe vier Kinder. „Hass liegt mir völlig fern.“
Eines aber wird an diesem Abend deutlich: AFD und CDU haben wenig gemein. Einig sind sie, illegal eingereiste Migranten abzuschieben und Ungelernte im Land zu qualifizieren und nicht nur über Arbeitskräftezuwanderung nachzudenken. Eine Koalition indes schloss Voigt kategorisch aus, auch wenn Höcke eine „bürgerlich-patriotische Wende“ für Thüringen anbot. „Herr Höcke, Sie sind nicht bürgerlich, Sie sind völkisch“, konterte Voigt. „Deswegen will ich nicht mit Ihnen zusammenarbeiten.“
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