Staatskanzleichef Oliver Schenk: Klagen müssen die Sender nicht

staatskanzleichef oliver schenk: klagen müssen die sender nicht

Oliver Schenk (CDU) ist Chef der Staatskanzlei in Sachsen.

Der Bericht der Gebührenkommission KEF liegt vor. Anscheinend werden die Länder aber nicht sofort einen Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag erar­beiten. Warum nicht?

Die KEF-Empfehlung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk in einem großen Reformprozess befindet. Damit ist der KEF-Bericht eine Momentaufnahme, die zeigt, wohin es geht, wenn jetzt nicht zügig gegengesteuert wird. Es geht darum, das öffentlich-rechtliche System kostengünstiger und effizienter zu organisieren und die Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung entschlossener als bisher auch für eine Optimierung der Abläufe zu nutzen. Deshalb halte ich eine Beitragsanhebung derzeit für verfrüht. Wir sollten zunächst die Aus­wirkungen der Reformen abwarten, bevor ein neuer Finanzierungsstaatsvertrag auf den Weg gebracht wird.

Welche Rolle kommt bei diesem Ver­änderungsprozess dem Reformstaatsvertrag zu, der im Herbst vorliegen soll?

Wir müssen den Reformprozess beschleunigen. Der Herbst ist ein ehrgeiziges Ziel für die Rundfunkkommission. Dieser Staatsvertrag wird die Maßnahmen enthalten, die die Grundlage für die nächste KEF-Anmeldung der Anstalten bilden. Mein Wunsch ist, dass der Entwurf auf der Jahresministerpräsidentenkonferenz im Oktober beschlossen werden kann. Parallel ist ein klares Reformkonzept der Anstalten erforderlich. Dazu gehören eine bessere Bewirtschaftung der Immobilien, eine detaillierte Personalplanung, die die Chancen des Abgangs der Baby-Boomer-Generation nutzt, Shared-Service-Center und die gemeinsame technologische Plattform. In einem Sondergutachten soll die KEF berechnen, welches Finanzvolumen sowohl die Festlegungen der Länder als auch die Reformen der Sender ergeben. In diesem Gutachten muss quantifiziert werden, welche wirtschaftlichen Größenordnungen die einzelnen Maßnahmen haben, um die Einsparmöglichkeiten genau zu beziffern.

Was soll die KEF konkret berechnen?

Zu dem Gutachten soll die KEF ei­nen Fragenkatalog beantworten. Dabei geht es beispielsweise um die Effekti­vität des Immobilienmanagements, die gemeinsame Nutzung von Auslandsstudios, den Einspareffekt beim Personalabbau entsprechend den KEF-Prognosen und die Kostenersparnis bei einer Reduzierung linearer Spartenprogramme. Dieser Katalog wird etwa 20 Punkte umfassen, die die Länder für einen erfolgreichen Reformprozess und die Er­mittlung des realen Einsparpotentials für erforderlich halten.

Die KEF hat im 24. Bericht Vorschläge für ein effektiveres Wirtschaften der An­stalten unterbreitet. Welche müssten vorrangig umgesetzt werden?

Wenn man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk heute gründen würde, käme niemand auf die Idee, ein System mit elf Sendeanstalten zu etablieren. Aber wir müssen gegenwärtig eine Struktur verändern, die in Jahrzehnten gewachsen ist. Dazu sind mehr Kooperationen und ist mehr Vergleichbarkeit erforderlich. Die Möglichkeiten der Digitalisierung müssen mit einer stärkeren Präsenz in den Regionen verknüpft werden. Das könnte, auch durch die kluge Nutzung der KI, zu einer messbaren Produktivitätssteigerung führen. Alles in allem ist das eine komplexe Aufgabe, deren Lösung die Gesellschaft von diesem System jetzt aber auch erwartet.

Wer kontrolliert die Umsetzung? In den letzten Jahren haben die Sender viele KEF-Empfehlungen nicht umgesetzt.

Die Länder wollen die Controlling-Funktion der KEF stärken. Sie benötigt mehr Kontroll- und Überprüfungsmöglichkeiten und soll auch auf Wirtschaftsprüfer zugreifen können. Eine wichtige Rolle sollten nach meiner Überzeugung künftig auch Bonus-Malus-Modelle spie­len, nach denen bestimmte Finanzmittel erst dann freigegeben werden, wenn vorab definierte Reformschritte erreicht worden sind.

Wenn jetzt kein neuer Finanzierungsstaatsvertrag erarbeitet wird, was sollte die Sender daran hindern, das Bundesverfassungsgericht anzurufen?

Den Anstalten steht es natürlich frei, das Bundesverfassungsgericht anzurufen, wenn sie der Meinung sind, nicht bedarfsgerecht finanziert zu sein. Sie hätten wahrscheinlich auch gute Erfolgsaussichten. Nach meiner Überzeugung wäre das aber ein Pyrrhussieg, weil die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch diesen Schritt weiter leiden würde. Ich werbe für einen gemeinsamen Reformweg, der hilft, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Zudem haben die Karlsruher Richter 2021 geurteilt, dass der gegenwärtige Rundfunkbeitrag von 18,36 Euro so lange Bestand hat, bis ein neuer Finanzierungsstaatsvertrag vorliegt. Es besteht aber auch keine Notwendigkeit, nach Karlsruhe zu gehen, denn für die Jahre 2025 und 2026 existieren Finanzreserven von 1,1 Milliarden Euro in Form einer Sonderrücklage. Diese Summe würde den Finanzbedarf, den die KEF aktuell ermittelt hat, decken. Die Rücklage, die bisher gesperrt ist, würde die KEF freigeben. Damit könnten die Anstalten die zwei Jahre, in denen der Reformstaatsvertrag wirksam wird, überbrücken und ihren Auftrag voll erfüllen. Für die Zeit ab 2027 würde es im Frühjahr 2026 eine neue Empfehlung der KEF geben.

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