Baustelle für ein neues Windrad in Schleswig-Holstein: data-portal-copyright=
Obwohl die Strompreise immer weiter fallen, erhalten Erzeuger erneuerbarer Energien unverändert hohe Einspeisevergütungen. Für den Bund kann das teuer werden.
Schon im Januar hatten die Übertragungsnetzbetreiber vor zu knappen Mitteln für die Zahlung der EEG-Vergütung gewarnt. Jetzt werden ihre Rechnungen nochmals unterboten. Das könnte sich zu einer erheblichen Belastung für den Bundeshaushalt entwickeln.
Ursprünglich waren in diesem Jahr 10,6 Milliarden Euro im Bundeshaushalt eingeplant, um die Differenz zwischen den Vergütungen für die Betreiber von Windparks oder Photovoltaikanlagen und dem Verkauf des erzeugten Stroms auszugleichen. Im Januar verlangten die Betreiber der Übertragungsnetze 50Hertz, Amprion, Tennet und TransnetBW weitere 7,8 Milliarden Euro für dieses sogenannte EEG-Konto. Weil die Strompreise weiter sinken, dürfte jedoch auch dies nicht ausreichen, um die Kosten für das ganze Jahr zu decken.
Ein Brancheninsider sagt daher, das EEG-Konto entwickle sich zu einem unkalkulierbaren Risiko für den Bundeshaushalt. Wahrscheinlich sei, dass sich der Nachschlag im laufenden Jahr auf einen zweistelligen Milliardenbetrag summiere.
Mit dem EEG-Konto wird die Differenz zwischen den Vergütungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für Windräder oder Photovoltaikanlagen und den Einnahmen ausgeglichen, die im Großhandel mit dem Verkauf des Stroms aus erneuerbaren Quellen erzielt werden. Weil die Strompreise im Großhandel sinken, wird die Differenz zu den EEG-Vergütungen, die für 20 Jahre festgeschrieben sind, immer größer.
Früher wurde das EEG-Konto im Umlageverfahren von den Stromverbrauchern ausgeglichen, seit 2023 bestreitet der Bund die Kosten komplett aus Haushaltsmitteln. Bereits 2022 hatte der Bund einen Teil der Kosten übernommen.
Kanzler Scholz lobt Abschaffung der EEG-Umlage
Bundeskanzler Olaf Scholz preist die Übernahme der EEG-Kosten durch den Bund seit Monaten immer wieder als vorbildliche Entscheidung zugunsten der Stromverbraucherinnen und Stromverbraucher. Vor Wirtschaftsvertretern sagte er kürzlich, er habe allein mit der Abschaffung der EEG-Umlage für Entlastungen in Höhe von 20 Milliarden Euro gesorgt, aber bis heute habe sich niemand bei ihm dafür bedankt.
Für den Bundeshaushalt indes könnte die Entscheidung zur schweren Hypothek werden. Denn inzwischen gelten am Markt andere Preise. Daher geht die ursprüngliche Rechnung nicht auf.
Die Annahme, man werde 2024 mit Bundesmitteln in Höhe von 10,6 Milliarden Euro auskommen, fußte auf einer Prognose für 2024, die die Übertragungsnetzbetreiber im Herbst 2023 vorgelegt hatten. Dafür verwendeten sie Marktdaten aus dem Sommer vergangenen Jahres.
„Die Terminmarktstrompreise für das Jahr 2024 lagen im Juli 2023 noch rund ein Drittel höher als zu Ende 2023“, sagt Nicolai Herrmann, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Enervis, das die Prognose für die Netzbetreiber erstellte. Nun werde durch die Vermarktung des EEG-Stroms deutlich weniger Geld eingenommen, entsprechend steige die Differenz zu den gesetzlich definierten EEG-Vergütungen, auf die Anlagenbetreiber einen Anspruch hätten und die aus dem EEG-Konto bezahlt würden.
„Auf der Basis unserer Mittelfristprognose von Sommer vergangenen Jahres haben die Übertragungsnetzbetreiber für 2024 einen Finanzierungsbedarf von 10,6 Milliarden Euro für das EEG-Konto ermittelt. Dieser Wert wird auf Basis aktueller Marktentwicklungen nicht ausreichen“, ist sich auch Herrmann sicher.
„Solarpaket“ verschärft das Problem weiter
Verstärkt werden die Effekte durch politische Entscheidungen der Ampelkoalition aus den vergangenen Tagen: So einigten sich die Koalitionspartner am 15. April auf das „Solarpaket I“. Es soll dazu beitragen, den Ausbau der Photovoltaik weiter zu beschleunigen.
Schon im vergangenen Jahr hatte es einen Rekordzubau bei Solarstromanlagen gegeben, in diesem Jahr dürfte es entsprechend weitergehen. Dadurch würden aber häufiger Situationen entstehen, in denen der Solarstrom die Strombörsen flutet und die Preise fallen lässt, warnen Experten. Die Lücke im EEG-Konto würde dadurch nochmals größer.
Das treibt die Gesamtkosten für die Förderung, ohne irgendeinen Nutzen für die Stromversorgung zu bringen.
Im Extremfall führt der Preisverfall sogar zu negativen Preisen: Stromverkäufer müssen den Käufern dann Geld dafür zahlen, dass diese den Strom abnehmen, der in höherer Menge in den Markt drückt als nachgefragt wird. Alternativen gibt es in diesen Situationen nicht, weil man den Strom nur in begrenztem Umfang lagern kann, es fehlen die entsprechenden Speicherkapazitäten.
Christof Bauer, Professor für Energiewirtschaft an der TU Darmstadt, hält die Entwicklung für problematisch. Die Senkung des allgemeinen Strompreisniveaus möge man für vorteilhaft halten, aber es belaste das EEG-Konto über die Maßen. „Das treibt die Gesamtkosten für die Förderung massiv in die Höhe, ohne irgendeinen Nutzen für die Stromversorgung zu bringen“, kritisiert der Experte.
Die Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Amprion, Tennet und TransnetBW erklären, sie befänden sich wegen der gestiegenen EEG-Kosten in engem Austausch mit dem Bundeswirtschaftsministerium. Das Konto würden sie „rein treuhänderisch“ verwalten, Entscheidungen lägen allein bei der Politik.
Aus dem Bundeswirtschaftsministerium heißt es, die Kosten für die Förderung der Erneuerbaren seien „sehr volatil, weil sie sehr stark von der Entwicklung der Strompreise, aber auch zum Beispiel vom Wetter abhängen“. Die Zahlen könnten sich daher kurzfristig ändern, „auch in relevanten Größenordnungen“. Seiner Rechtsverpflichtung gegenüber den Übertragungsnetzbetreibern zum Ausgleich der Lücke im EEG-Konto komme der Bund nach.
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