Dass die Menschen protestieren, ist schön – als Nächstes müssen wir „deutsch“ sein neu denken

dass die menschen protestieren, ist schön – als nächstes müssen wir „deutsch“ sein neu denken

Alhaji Allie Bangura ist in Darmstadt aufgewachsen. Mit ADAN Careers hat er eine Karriereplattform für Schwarze und PoC gegründet.

Alhaji Allie Bangura ist in Darmstadt aufgewachsen. Mit ADAN Careers hat er eine Karriereplattform für Schwarze und PoC gegründet.

Meine persönliche Geschichte startet damit, dass ich 1997 nur auf das Gymnasium gekommen bin, weil meine Mutter gegenüber meiner Grundschullehrerin beharrlich war. Meine Mutter hatte gehört, das Gymnasium sei das „Beste“. Und das wollte sie für mich. Meine Grundschullehrerin gab mir eine Realschul-Empfehlung. Wie es bei vielen Kindern mit Migrationsgeschichte der Fall ist. Auf dem Gymnasium in Darmstadt angekommen war ich, wie ich es später merkte, der einzige Schwarze Junge bei über 1000 Schülerinnen und Schülern. Nicht weiter schlimm, es ist ja Deutschland.

Die Eltern meiner Mitschüler waren teilweise selbst schon auf dem Gymnasium gewesen und hatten in der Regel mittlerweile Akademiker-Berufe. Anders bei mir: Meine Eltern waren Arbeiter, die 1988 nach Deutschland eingewandert waren. Ich kämpfte mich im wahrsten Sinne des Wortes zum Abitur. Nicht nur, was die Noten anging.

Mir ist in Erinnerung geblieben, wie ich von meinen deutschen Mitschüler:innen immer wieder zu spüren bekommen habe, dass ich doch anders aussehe und somit nicht zwingend dazu gehöre, nicht deutsch bin. Ich habe das gar nicht verstanden, weil ich die Heimat meiner Eltern, Sierra Leone, nicht kannte. Deutschland war meine Heimat. Und so wollte ich in meiner Jugend nicht auffallen und habe mich angepasst. So Deutsch werden wie möglich war die Devise. Auch meine Eltern sagten mir immer wieder: “Fall’ bloß nicht (negativ) auf, du bist kein Deutscher!”

Viele Migranten kennen diesen Anpassungsdruck, er begleitet sie ihr ganzes Leben. Die AfD hat erschreckend hohe Zustimmungswerte. Jetzt, wo ihre Pläne bekannt geworden sind, wünsche ich mir, dass die Mehrheitsgesellschaft sich stark macht für ein neues Deutschland. Ein Deutschland, in dem es keinen Anpassungsdruck mehr gibt und klar ist, dass wir Menschen mit Migrationsgeschichte alle hier hergehören, hier zuhause sind. Wo selbstverständlich ist, dass wir auch eine weitere Kultur haben.

Deutsche sind nicht mehr nur blond und blauäugig, sondern auch Schwarz und PoC. Diese Einstellung muss in Deutschland Platz finden. Schon allein, weil wir sonst als Volkswirtschaft in einer globalisierten Welt nicht überleben.

Das schaffen wir nur gemeinsam, wenn sich sogenannte „Bio-Deutsche“ aus der Mitte der Gesellschaft auch dazu bekennen und uns Deutschen mit Migrationsgeschichte den Rücken stärken. Uns neben Demonstrationen auch in Räumen, in denen wir bislang noch nicht sehr präsent sind, verteidigen, also ganz konkret zum Beispiel im Berufsleben. Menschen der Mehrheitsgesellschaft sollten Ausgrenzung und Rassismus als solche benennen und als falsch einordnen und vor allem rechtem Gedankengut den Kampf ansagen.

Es sind nicht die Menschen mit Migrationsgeschichte schuld an Wohlstandsverlust oder Arbeitslosigkeit, mögliche Motive, um rechts zu wählen. Es mangelt in Deutschland an Innovationskraft und dem Willen, sich neu zu erfinden. Und dafür wird es in der Zukunft auch Menschen brauchen, die nicht “bio-deutsch” sind. Deutschland ist längst ein Einwanderungsland und wird in der Zukunft noch mehr Zuwanderung brauchen.

Alhaji Allie Bangura ist Gründer von ADAN e.V. und Geschäftsführer der ADAN Impact GmbH, die die Karriereplattform ADAN Careers, eine Karriereplattform für Schwarze und People of Color, betreibt.

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