Der Londoner Garrick Club sieht sich zur Zulassung von Frauen gezwungen

der londoner garrick club sieht sich zur zulassung von frauen gezwungen

„Let Women In!“: Frauen demonstrieren im März vor dem Garrick Club in London, in den bislang nur Männer aufgenommen werden.

Unter den zahlreichen Londoner Gentlemen-Clubs hat sich der „Garrick“ stets zugutegehalten, ein wenig unkonventioneller zu sein als andere. Er ist erstens im Theaterviertel unweit des Opernhauses von Covent Garden gelegen und nicht in St. James’s, wo die meisten anderen Clubs ihren Sitz haben. Zweitens hat er seinen Namen nicht einer Tätigkeit oder Neigung entlehnt, die den Mitgliedern gemeinsam ist, wie es etwa für den „Fliegenfischer-Club“ oder den „Beefsteak-Club“ gilt. Stattdessen ist er nach einem Schauspieler benannt: David Garrick, der im achtzehnten Jahrhundert Maßstäbe in der dramatischen Unterhaltung setzte.

der londoner garrick club sieht sich zur zulassung von frauen gezwungen

Ein Mann betritt am Donnerstag den Garrick Club in London.

Noch heute stehen viele Künstler in der Mitgliederliste wie die Schauspieler Stephen Fry und Benedict Cumberbatch. Allerdings finden sich unter den 1300 Beitragszahlern, zu denen auch König Charles gehört, auch viele prominente britische Richter, Kronanwälte, Rechtsberater und hohe Beamte. Dieser Umstand ist nun zum Hebel einer feministischen Initiative geworden.

Denn Garrick hat seit seiner Gründung vor knapp 200 Jahren ausschließlich Männer als Mitglieder zugelassen – wie es übrigens die Freunde des Fliegenfischens, die Beefsteak-Liebhaber und fast ein Dutzend weiterer Clubs bis heute auch tun – unter ihnen der White’s Club, der als älteste derartige Institution gilt. Frauen haben im Garrick lediglich als Gäste männlicher Mitglieder eine Aufenthaltserlaubnis im klassizistischen Ambiente des Clubhauses.

Die Angreiferinnen (und Angreifer), die gegen diese Konvention kämpfen, argumentieren nicht mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz, sondern zielen auf die hohen Juristen bei Garrick. Sie setzen auch nicht bei den Statuten des Clubs an, sondern bei den „Verhaltensregeln des Justizwesens“, einer vom Lord Chief Justice, dem obersten Richter für England und Wales, publizierten Anleitung für korrektes Verhalten von Repräsentanten der Rechtsprechung.

der londoner garrick club sieht sich zur zulassung von frauen gezwungen

A person walks past the entrance to the Garrick Club, a private member’s club in London, Britain, April 4, 2024 REUTERS/Suzanne Plunkett

Von innen reformieren statt von außen kritisieren?

Im Vorwort heißt es, dass sich die Anleitung auch ehemalige Angehörige dieses Standes zu Herzen nehmen sollten. Die Statuten konstatieren unter anderem, die Prinzipien von Gleichheit und Fairness seien immer eine Verhaltensgrundlage für die Angehörigen der Justiz in ihren Ämtern gewesen und seien eingebettet in ihren juristischen Eid. Diese Prinzipien sollten auch in ihrem Verhalten außerhalb des Gerichts bedacht werden. Und an anderer Stelle heißt es, da Ämter in der Justiz besonderer öffentlicher Aufmerksamkeit unterlägen, seien Amtsträger Beschränkungen in ihrem Privatleben unterworfen, die für andere nicht gälten. Sie hätten natürlich das Recht auf ein Privatleben, sollten aber nicht in einer Weise handeln, die die Achtung für ihr juristisches Amt verkleinern oder gar ihre Unabhängigkeit, Unparteilichkeit oder Integrität in Zweifel ziehen könne.

„Wir glauben, dass ein Richter, der Mitglied eines Clubs ist, welcher Frauen ohne besonderen Grund ausschließt, nicht im Einklang mit den Prinzipien von Gleichheit und Fairness handeln kann“, heißt es in einem offenen Brief, den mittlerweile Hunderte Juristinnen und Juristen – unter ihnen mehr als hundert Kronanwälte – und zehn Parlamentsabgeordnete unterschrieben haben. Das Schreiben zeigte Wirkung: Mehrere Spitzenjuristen verließen seither den Club. Auch der Chef des Auslandsgeheimdienstes MI6, Richard Moore, gab angeblich seine Mitgliedschaft auf.

Der oberste Beamte Großbritanniens, der Staatssekretär in der Regierungszentrale, versuchte zuerst, seine Mitgliedschaft zu verteidigen: Es sei doch leichter, eine rein männliche Institution „von innen heraus zu reformieren, statt von außen Steine auf sie zu werfen“, erläuterte Simon Case einem Ausschuss des Unterhauses. Er war von einem Abgeordneten spitz gefragt worden, wie er als Beamter eine „aufrichtige Kultur der Inklusion fördern“ könne, wenn er Mitglied eines exklusiven Herrenclubs sei. Case setzte, ein wenig überheblich, hinzu, das sei auch eine „Frage der Mathematik“. Denn: „Jede einzelne Person, die den Club verlässt, die aber eigentlich diese vorsintflutliche Haltung ändern möchte, trägt dazu bei, dass solche Institutionen sich nicht ändern.“

Zu den mathematischen Fakten zählt im Falle des Garrick auch, dass in jüngerer Zeit unter den Mitgliedern zwei Erhebungen zu der Frage unternommen wurden, ob künftig weibliche Mitglieder zugelassen werden sollten. 2015 stimmte eine knappe absolute Mehrheit der Herren dafür, eine zweite Abstimmung erbrachte vor einem Jahr ein ähnliches Ergebnis. Die Satzung des Clubs verlangt jedoch Zweidrittelmehrheiten für eine derartige Änderung der Statuten.

Generisches Maskulinum keine Rechtfertigung für Frauen-Ausschluss

Der Sturm der Entrüstung über den Ausschluss von Frauen trifft den Garrick Club deswegen, weil viele seiner Angehörigen sich als Schauspieler, Schriftsteller oder bildende Künstler eigentlich nicht in eine chauvinistisch-reaktionäre Ecke gestellt sehen wollen. Der Schauspieler Hugh Bonneville (der Earl of Grantham in Downton Abbey) versuchte schon vor mehr als einem Jahrzehnt, seine Kollegin Joanna Lumley als Mitglied zu nominieren – ein Vorstoß, der dramatischen Ärger heraufbeschwor und damit endete, dass ein Unbekannter die Seite mit ihrem Namensvorschlag aus dem Bewerbungsregister riss.

Es war ein Jurist, der Kronanwalt Michael Beloff, der im vergangenen Jahr auf eine Idee verfiel, der jetzt der Vorstand des Garrick offenbar zu folgen geneigt ist. In Abänderung früherer Ansichten argumentierte Beloff, dass die Verwendung der männlichen Form in der Clubsatzung ebenso wie in der Gesetzgebung durchaus weibliche Wesen gleichberechtigt meinen könne – dass also das generische Maskulinum keine Rechtfertigung für den Ausschluss von Frauen liefere.

Der Schauspieler Stephen Fry und andere Clubmitglieder haben schon damit angefangen, diese Probe aufs Exempel zu machen: Sie schrieben sieben Namen von Frauen in das Vorschlagsbuch für neue Mitglieder, unter ihnen die frühere Innenministerin Amber Rudd, die Journalistin Cathy Newman und die Althistorikerin Mary Beard. Nach den geltenden Aufnahmeregeln können Novizen nur von zwei Mitgliedern nominiert werden, sie brauchen dann die Unterschriften weiterer Unterstützer, bevor der Mitgliedsausschuss sich mit den Vorschlägen befasst. Der Club folgt dabei nach eigenem Bekunden stolz der Regel, „dass es besser wäre, zehn einwandfreie Männer würden abgewiesen, als ein schrecklicher Langeweiler zugelassen“.

Ob diese Vorschrift die Zulassung von Frauen beeinflussen würde, müsste die Praxis zeigen. Eine andere Bestimmung wird eher einen verzögernden Effekt haben: Sie besteht darin, die Mitgliederzahl möglichst konstant zu halten. Das führt bei Neuaufnahmen zu Wartefristen von drei bis fünf Jahren. Es könnte aber sein, dass die jüngsten Austritte von hochrangigen Richtern diese Frist mathematisch ein wenig verkürzt haben.

News Related

OTHER NEWS

Ukraine-Update am Morgen - Verhandlungen mit Moskau wären „Kapitulationsmonolog" für Kiew

US-Präsident Joe Biden empfängt Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus. Evan Vucci/AP/dpa Die US-Regierung hält Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zum jetzigen Zeitpunkt für „sinnlos”. Bei einem Unwetter in Odessa ... Read more »

Deutschland im Wettbewerb: Subventionen schaden dem Standort

Bundeskanzler Olaf Scholz am 15. November 2023 im Bundestag Als Amerikas Präsident Donald Trump im Jahr 2017 mit Handelsschranken und Subventionen den Wirtschaftskrieg gegen China begann, schrien die Europäer auf ... Read more »

«Godfather of British Blues»: John Mayall wird 90

John Mayall hat Musikgeschichte geschrieben. Man nennt ihn den «Godfather of British Blues». Seit den 1960er Jahren hat John Mayall den Blues geprägt wie nur wenige andere britische Musiker. In ... Read more »

Bund und Bahn: Einigung auf günstigeres Deutschlandticket für Studenten

Mit dem vergünstigten Deutschlandticket will Bundesverkehrsminister Wissing eine junge Kundengruppe dauerhaft an den ÖPNV binden. Bei der Fahrkarte für den Nah- und Regionalverkehr vereinbaren Bund und Länder eine Lösung für ... Read more »

Die Ukraine soll der Nato beitreten - nach dem Krieg

Die Ukraine soll nach dem Krieg Nato-Mitglied werden. Die Ukraine wird – Reformen vorausgesetzt – nach dem Krieg Mitglied der Nato werden. Das hat der Generalsekretär des Militärbündnisses, Jens Stoltenberg, ... Read more »

Präsidentin droht Anklage wegen Tod von Demonstranten

Lima. In Peru wurde eine staatsrechtlichen Beschwerde gegen Präsidentin Dina Boluarte eingeleitet. Sie wird für den Tod von mehreren regierungskritischen Demonstranten verantwortlich gemacht. Was der Politikerin jetzt droht. Perus Präsidentin ... Read more »

Novartis will nach Sandoz-Abspaltung stärker wachsen

ARCHIV: Das Logo des Schweizer Arzneimittelherstellers Novartis im Werk des Unternehmens in der Nordschweizer Stadt Stein, Schweiz, 23. Oktober 2017. REUTERS/Arnd Wiegmann Zürich (Reuters) – Der Schweizer Pharmakonzern Novartis will ... Read more »
Top List in the World