Wagenknecht-Partei hat ihre erste Fraktion in Berlin-Lichtenberg

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Die Vorsitzende des BSW: Sahra Wagenknecht.

Rund zwei Wochen sind vergangen, seitdem das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in Berlin seinen Gründungsparteitag veranstaltete.

Im früheren DDR-Kino Kosmos wählten knapp 400 Mitglieder ihren Bundesvorstand, sie beschlossen das Programm für die Europawahl und eine Kandidatenliste.

Das war ein erster, großer Schritt für die Partei, doch in den nächsten Monaten stehen weitere Aufgaben an. Das BSW muss Strukturen in Ländern und Kommunen aufbauen, auch in Parlamenten.

In Berlin kann die Partei nun einen Erfolg vermelden: Nach Informationen der Berliner Zeitung wird sich an diesem Montag in Lichtenberg die erste BSW-Fraktion auf Bezirksebene bilden.

Die „BSW-Lichtenberg“ soll sich aus den Abgeordneten Norman Wolf, Michael Niedworok und Tinko Hempel zusammensetzen. Alle drei sind bereits Mitglieder der neuen Partei, Anfang des Jahres hatten sie die Linke verlassen. Am Abend soll die neue Fraktion konstituiert und ihre Anerkennung in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) beantragt werden. Vorsitzender will Norman Wolf werden. Die Linke-Fraktion schrumpft damit auf elf Mitglieder.

Ihren Wechsel begründen die Abgeordneten in einer Mitteilung vor allem mit dem bundespolitischen Kurs der Linken. „Trotz mitunter großer Differenzen im Bezirksverband in grundlegenden politischen Fragen hat uns das gemeinsame Ziel einer friedlichen, solidarischen und gerechteren Gesellschaft auch durch schwere Krisen getragen“, heißt es in dem Schreiben, das der Berliner Zeitung vorliegt. „Hätte sich die Bundespartei daran ein Vorbild genommen, wäre es nie zu einer Spaltung gekommen und wir hätten diesen Schritt nicht gehen müssen.“

Zwar hätten sich die Spitzen der Partei regelmäßig in Lichtenberg gezeigt, schreiben die Abgeordneten, denn der Bezirk habe für eine erfolgreiche Linke gestanden. „Das Rezept des Erfolges – sowohl inhaltlich als auch strategisch – hat die Bundesspitze der Partei dagegen seit Jahren nicht übernehmen wollen. Stattdessen mussten wir ihre zunehmende Hinwendung zum großstädtischen akademischen Milieu erleben, dessen Sichtweisen und Werte, dessen Lebensstil und Sprache man zur einzigen Richtschnur der eigenen politischen Agenda machte.“

Die Kritik gleicht in vielen Punkten früheren Aussagen von Sahra Wagenknecht. Die heutige BSW-Vorsitzende hatte die Linke nach einem langen parteiinternen Streit im Oktober verlassen, gemeinsam mit neun weiteren Bundestagsabgeordneten. Die neue Partei wurde am 8. Januar gegründet.

Moralische Haltungen hätten in der Linken immer häufiger die Analyse gesellschaftlicher Entwicklungen und den Austausch von Argumenten ersetzt, schreiben Wolf, Niedworok und Hempel. „Der Korridor des Sagbaren wurde zunehmend verengt.“ Spürbar sei das bereits während der Corona-Krise gewesen, „fatal wurde diese Verengung dann in der Friedensfrage nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine“, heißt es in der Mitteilung.

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„Ein sehr guter Tag“, sagt Alexander King vom Bündnis Sahra Wagenknecht.

In ganz Berlin hat das BSW bislang rund 50 Mitglieder. Einen Landesverband gibt es noch nicht, er könnte aber vor dem kommenden Sommer gegründet werden. In der Hauptstadt organisiert Alexander King den Parteiaufbau. King ist Mitglied des Abgeordnetenhauses und war dort zuletzt medienpolitischer Sprecher der Linken.

Seit seinem Wechsel zum Bündnis Sahra Wagenknecht im Oktober sitzt King als Fraktionsloser im Parlament. Bislang ist er das einzige BSW-Mitglied im Abgeordnetenhaus.

Das sei „ein sehr guter Tag für das Bündnis Sahra Wagenknecht in Berlin“, sagt Alexander King zum Wechsel der Lichtenberger Abgeordneten. „Ich halte es durchaus für möglich, dass auf der Bezirksebene berlinweit weitere Mandatsträger zum BSW wechseln. Wenn sie politisch zu uns passen, sind sie herzlich willkommen.“

Vor allem in den Außenbezirken gebe es eine politische Repräsentationslücke, viele Menschen fühlten sich durch das bisherige Parteienspektrum nicht mehr vertreten. „Momentan laufen die ersten regionalen Kennenlerntreffen“, sagt King. „Als Nächstes werden wir lokale Kiez-Treffen für interessierte Nachbarn veranstalten und Unterstützerunterschriften für den Europawahlantritt des BSW sammeln.“ Für den Antritt bei der Wahl braucht das BSW deutschlandweit 4000 Unterschriften.

Bei der Europawahl im Juni will das Bündnis Sahra Wagenknecht mit 20 Kandidaten antreten. Angeführt wird die Liste vom früheren Bundestagsabgeordneten Fabio De Masi und dem ehemaligen Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel.

Bis dahin, so die Hoffnung der Parteigründer, dürften sich auf kommunaler Ebene weitere Fraktionen bilden. In den vergangenen Wochen gab es in mehreren Bundesländern vereinzelte Wechsel zum BSW. Eine große Welle aus Abspaltungen von der Linken blieb bislang allerdings aus. Das dürfte auch daran liegen, dass das BSW kontrolliert wachsen will, die Aufnahme von Mitgliedern läuft langsam.

In ihrer neuen BVV-Fraktion wollen sich die Lichtenberger Abgeordneten offenbar besonders der Verkehrspolitik widmen. „Als BSW stehen wir für Vernunft und Gerechtigkeit – auch kommunal“, heißt es in der Mitteilung. „So besteht für uns eine vernünftige Verkehrspolitik nicht darin, eine rigide ‚Pollerkultur‘ zu pflegen, die keine Verkehrsprobleme löst, sondern lediglich ideologisch aufgeheizte Debatten befeuert.“

Die drei Abgeordneten wollen „die Verkehrssicherheit und Lebensqualität für alle Anwohner z.B. durch Spielstraßen erhöhen“ und sich für sichere Radwege einsetzen. „Ein Sonderrecht auf absolute Ruhe in der Großstadt und auf abgeschirmte, eingehegte Quartiere gibt es aus unserer Sicht nicht“, schreiben Wolf, Niedworok und Hempel.

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