Evangelische Kirche: Gemeinden haben den Pfarrer nicht mehr für sich allein

evangelische kirche: gemeinden haben den pfarrer nicht mehr für sich allein

Stadtkirchenarbeit an prominenter Stelle: die Alte Nikolaikirche gegenüber dem Römer, dem Frankfurter Rathaus.

Als „grässlich“ hat ein Synodaler das bezeichnet, womit sich das Kirchenparlament der evangelischen Christen in Frankfurt und Offenbach am Mittwochabend befasst hat. „Es tut weh“, sagte auch Stadtdekan Holger Kamlah, als er den Mitgliedern von Dekanatssynode und Regionalversammlung den künftigen Stellenplan erläuterte, der bis 2029 Kürzungen um 25 Prozent vorsieht.

Die Zahl der Pfarrstellen in den Gemeinden sinkt in zwei Schritten von 68 auf 49,5, aus den 21 regionalen Pfarrstellen sowie den Profil- und Fachstellen werden 16,5. Die Kürzungen sind Teil des Reformprozesses „ekhn2030“, mit dem die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) auf sinkende Mitgliederzahlen und Einnahmen reagiert.

Die Stellenzuweisung orientiert sich an der Mitgliederzahl der Gemeinden. Eine Stelle für 2400 Gemeindeglieder, lautet der Schlüssel. Die Städte Frankfurt und Offenbach bilden das mit Abstand größte Dekanat in der EKHN und haben auch sonst manche Besonderheit. Etwa, dass fast alle Stellen besetzt seien und sich das Pfarrpersonal stark verjüngt habe, wie die für den Nordwesten zuständige Prodekanin Stefanie Brauer-Noss erläuterte. Daher sei es nicht vollständig gelungen, unbefristete Stellen von den Kürzungen auszunehmen.

Ausnahmestellung bei der Kirchenmusik

Bei der Verteilung werden die zehn Nachbarschaftsräume betrachtet, zu denen sich die 60 Gemeinden bis Ende 2026 zusammenschließen. „Es wird nicht so sein, dass einzelne Gemeinden niemanden mehr haben“, sagte ­Brauer-Noss. Auch wenn, wie in der Gemeinde Frieden und Versöhnung im Gallus, der Pfarrer und die Pfarrerin dort in den nächsten Jahren in den Ruhestand gingen.

Eine Ausnahmestellung hat das Dekanat auch bei der Kirchenmusik. „Außergewöhnlich reichlich“ sei hier die Personalausstattung, sagte Amina Bruch-Cincar, die Prodekanin für den Süden und Osten. Die gute Nachricht ist, dass der kirchenmusikalische Stellenplan unverändert bleibt. „Nach denselben Kriterien wie beim Pfarrdienst hätten wir sonst die Hälfte aller kirchenmusikalischen Stellen verloren“, hatte Kamlah zuvor gesagt. Beim gemeindepädagogischen Dienst reduziert sich die Stellenzahl dagegen von 17,5 auf 15. Der sehr gut versorgte Nachbarschaftsraum im Westen verliere zwar Stellenanteile, sagte Bruch-Cincar. Dafür sei es anders als im alten System möglich, in jedem Nachbarschaftsraum gemeindepädagogische Arbeit anzubieten.

Jenseits der Gemeinden machen sich die Kürzungen der Landeskirche bemerkbar. Weil es dabei um „für die Stadtgesellschaft wichtige Themen“ geht, bemühe sich das Dekanat, sie auszugleichen, sagte der Stadtdekan. So sei die Pfarrerstelle für das Frauenbegegnungszentrum Eva an der Saalgasse ebenso aus dem gesamtkirchlichen Stellenplan gestrichen worden wie die von Pfarrer David Schnell am Museumsufer organisierte Begegnung von Kunst und Kirche und die des Stadionpfarrers. „Wir würden diese Arbeit aber gerne fortsetzen“, sagte Kamlah. Zusammen mit der Prodekanin führe er deshalb Gespräche mit den jeweiligen Nachbarschaftsräumen. Dort gebe es eine große Offenheit dafür. Einen „dramatischen Verlust“ nannte er, dass das 1997 am Markuskrankenhaus gegründete Zentrum für Ethik in der Medizin geschlossen werde, wenn dessen Leiter Kurt Schmidt nächstes Jahr in den Ruhestand gehe.

Auch bei der Klinikseelsorge wird gekürzt

Kritische Wortmeldungen aus dem Plenum gab es, weil die 1,25 Stellen der Altenheimseelsorge entfallen sollen. „Wir werden Menschen, die sterben, nicht mehr in dieser Form begleiten können“, sagte Kamlah. Allerdings seien die bisherigen Stellen im Frankfurter Osten „hochgradig selektiv“ gewesen, denn an vielen anderen Altenheimen, auch evangelischen, gebe es bisher keine zusätzliche Stelle. „Die Pfarrer sind trotzdem präsent.“

Als einen Verlust an exponierter Stelle beklagte eine Vertreterin der Sankt Paulsgemeinde, dass eine halbe Stelle für die Stadtkirchenarbeit an der Alten Nikolaikirche wegfällt. Die Kirche am Römerberg sei das „Gesicht der evangelischen Kirche in Frankfurt“ und werde von mehr als 100.000 Menschen im Jahr besucht. „Wir wollen die Alte Nikolaikirche nicht zumachen“, sagte der Stadtdekan und verwies auf die gute Personalausstattung des Nachbarschaftsraums Innenstadt, zu dem neben der Nikolai- auch die Katharinenkirche mit einer vollen Stelle für die Stadtkirchenarbeit gehöre.

Von 10,75 auf acht Stellen gekürzt wird bei der Klinikseelsorge. Deren Problem werde künftig nicht das Geld, sondern der Nachwuchs sein, sagte Kamlah. „Wir brauchen dafür ein neues Berufsbild.“ Eine einzige zusätzliche Stelle ist im Plan vorgesehen, der zwar beraten, aber noch nicht beschlossen wurde. Und zwar für das neue Onlineangebot „Main-Segen“, das Hochzeiten, Taufen und andere Wünsche nach Segen übergemeindlich vermittelt. Bei 80 Stellen sei dies ein „homöopathischer“ Zuwachs, sagte Kamlah.

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