Dax-Sentiment: Kaufen? Anleger werden optimistischer – eine Gefahr wächst
Skulpturen von Bulle und Bär vor der Börse Frankfurt data-portal-copyright=
Nach dem Ausverkauf der vergangenen Woche steigt die Kaufbereitschaft, zeigt eine Handelsblatt-Umfrage. Allerdings fehlt für eine Trendwende nach oben noch eine Bedingung.
Hinter dem Dax liegt die bislang schwächste Handelswoche in diesem Jahr. Drei Prozent verlor der deutsche Leitindex an Wert. Doch offensichtlich glauben Anlegerinnen und Anleger, dass dies nur eine vorübergehende Phase ist. Das zeigt das Ergebnis der wöchentlichen Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment. Diese Einstellung birgt jedoch eine Gefahr.
Für das Dax-Sentiment befragt das Handelsblatt jeden Freitag mehr als 8000 Privatanlegerinnen und -anleger nach ihrer aktuellen Markteinschätzung. Die Ergebnisse wertet Stephan Heibel, Geschäftsführer des Analysehauses AnimusX, aus und ergänzt sie um weitere Indikatoren.
Die Ergebnisse für diese Woche zeigen, dass die Anlegerstimmung (Sentiment) von plus 0,5 Punkten auf minus 4,1 Punkte eingebrochen ist – ab vier Punkten sprechen wir von Extremwerten.
Der Verlust zur Vorwoche von 4,6 Punkten ist das größte Wochenminus seit Mitte April. Damals verlor der Dax in den folgenden fünf Handelstagen ein Prozent an Wert, ehe er wieder nach oben drehte und sogar auf ein neues Rekordhoch stieg.
Der große Wochenverlust hat auch viele Umfrageteilnehmer überrascht. Fast jeder zweite gibt an, dass sich seine Erwartungen kaum oder gar nicht erfüllt haben.
Verunsicherung nach Europa-Wahl
Das sorgt für Verunsicherung unter den Befragten. Der dazugehörige Wert fiel von plus 1,0 Punkte auf minus 3,8 Punkte. Das ist der größte Wochenverlust seit Ende September des vergangenen Jahres. In den folgenden vier Wochen verlor der Dax damals weitere 4,5 Prozent.
Heibel führt das auf die Verunsicherungen nach der Europawahl zurück, in der rechte Parteien viele Stimmen gewannen und nach der Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Parlaments-Neuwahlen ausrief. „Die Regierung in Frankreich scheint auf wackeligen Füßen zu stehen. Es ist völlig unklar, wie sich Neuwahlen in Frankreich auswirken werden, wenn Macron seine Mehrheit verliert“, sagt Heibel.
Doch offensichtlich halten Anleger den Kurseinbruch für ein „vorübergehendes Gewitter“, erklärt der Sentimentexperte: „Für den Dax in drei Monaten erwarten die meisten Umfrageteilnehmer bereits wieder steigende Notierungen.“
Anleger werden optimistischer
Der dazugehörige Wert der „Zukunftserwartung“ sprang auf plus 2,2 Punkte an. Das ist der höchste Wert seit dem vergangenen November, als der Dax die Jahresendrally startete.
Parallel dazu ist die Kaufbereitschaft auf plus 2,5 Punkte gestiegen. Das ist der höchste Wert seit Ende Januar, als der Dax nach einer vorherigen Verschnaufpause seine Rally wieder aufnahm.
Dazu passt auch die Entwicklung des Euwax-Sentiments der Börse Stuttgart. Hier können Privatanleger am Terminmarkt auf steigende Kurse setzen oder sich gegen weitere Kursverluste absichern.
Dort kaufen Privatanleger aktuell deutlich mehr Call-Optionen, mit denen sie von steigenden Kursen profitieren können, als Put-Optionen, die bei fallenden Kursen im Wert steigen.
Sind die Kurse bereits stark genug gefallen?
Der Überhang ist auf das höchste Niveau seit neun Monaten gestiegen, berichtet Heibel: „Damit zeigt auch der Euwax-Indikator, dass Anleger in dem aktuellen Ausverkauf große Kurschancen für die Zukunft sehen und sich auf Long-Spekulationen einlassen.“
Der Marktexperte, der auch einen Börsenbrief mit dem Namen Heibel-Ticker herausgibt, beobachtet die Entwicklung aber skeptisch: „Grundsätzlich ist es gefährlich, wenn im Rahmen eines Ausverkaufs die Zukunftserwartung frühzeitig stark anspringt. Dies könnte dazu führen, dass der Ausverkauf zwar frühzeitig aufgefangen wird, allerdings wäre dann ein sich anschließender Aufwärtstrend nicht sehr nachhaltig.“
Seiner Einschätzung nach fehlt eine Bedingung für eine nachhaltige Trendwende: Es müsste einmal richtig Panik aufkommen, damit die „schwachen Hände“ aus ihren Positionen gedrängt werden. „Dies ist bei einer so zarten Verschnaufpause, wie wir es vergangene Woche gesehen haben, noch nicht ausreichend geschehen“, sagt Heibel.
Die Stimmung bei skeptischen Anlegern, die ohnehin über einen Verkauf nachdenken, muss also so schlecht werden, dass sie tatsächlich verkaufen. Dann wäre mit einem Schlag der Großteil der verkaufswilligen Anleger aus dem Markt und der Dax könnte nachhaltig steigen.
Auch angesichts der steil gestiegenen Zukunftserwartung und der Kaufbereitschaft rät Heibel zur Vorsicht: „Es kommt mir eher so vor, als würden durch den Rücksetzer endlich diejenigen zum Zuge kommen, die seit Dezember traurig der Rally zuschauen. Wirkliche Überzeugung für eine Fortsetzung der Rally sieht anders aus.“
Sein Fazit lautet daher: „Vorsicht. Spekulativ kann man derzeit gerne die eine oder andere Position eingehen, um auf eine schnelle Erholung in den kommenden Tagen zu setzen. Doch für den Aufbau von langfristigen Positionen kommen vermutlich im Laufe der kommenden Wochen nochmals bessere Kurse.“
Sie wollen an der Umfrage teilnehmen? Dann lassen Sie sich automatisch über den Start der Sentimentumfrage informieren, und melden Sie sich für den Dax-Sentiment-Newsletter an. Die Umfrage startet jeden Freitagmorgen und endet Sonntagmittag.