Flugsicherheit: GPS-Spoofing macht Fliegen unsicherer – über 10.000 Störungen 2023

flugsicherheit: gps-spoofing macht fliegen unsicherer – über 10.000 störungen 2023

Zwei Piloten sitzen am 05.06.2014 auf dem Flughafen in Hamburg im Cockpit eines Lufthansa-Airbus A38 data-portal-copyright=

Immer häufiger wird versucht, die Navigation von Flugzeugen zu beeinflussen. Das führt zum Teil zu gefährlichen Situationen. Die Vorfälle weisen auf eine Schwachstelle in der Luftfahrt hin.

Die Zahl ist erschreckend. Mehr als zehntausendmal wurde die Navigation von Flugzeugen im vergangenen Jahr gestört oder manipuliert. Das geht aus Daten hervor, die die europäische Luftfahrtbehörde EASA dem Handelsblatt auf Nachfrage mitteilte. Tatsächlich dürfte die Zahl noch höher liegen, denn es gibt keine Pflicht, GPS-Störungen zu melden. Vor der Pandemie wurden im Schnitt nur rund 100 Vorfälle gemeldet.

Häufig sind die Angriffe Teil der Auseinandersetzung in Krisengebieten. Die OPS Group, in der sich Piloten, Flugplaner und Controller zusammengeschlossen haben, zeigt in einem Live-Tracker die am stärksten betroffenen Regionen: Es sind unter anderem das Schwarze Meer und die Region rund um den Libanon. Betroffen ist damit vor allem der Umweg, den viele Fluggesellschaften gen Asien nehmen, weil sie Russland und die Ukraine wegen des Krieges umfliegen müssen.

In einem Teil der Fälle, dem sogenannten Jamming, fällt das GPS-Signal komplett aus. Problematischer ist aber noch das „Spoofing“. Dabei werden den Systemen im Jet gefälschte GPS-Daten geschickt. Im schlimmsten Fall kann der Flug dadurch in militärische Sperrzonen geraten. Weltweit arbeiten Behörden wie die EASA oder die FAA in den USA, aber auch der Airline-Verband IATA und Hersteller wie Airbus daran, GPS-Manipulationen besser zu erkennen.

Zwar sei die Situation bei entsprechender Vorwarnung und mit gut geübten Piloten beherrschbar, heißt es bei der deutschen Pilotenvertretung Vereinigung Cockpit (VC). Doch Piloten berichten von durchaus kritischen Situationen. Zudem weisen die Störungen auf eine grundsätzliche Schwachstelle in der Luftfahrt hin: Flugzeuge nutzen bei der Kommunikation mit dem Boden häufig unverschlüsselte Daten.

Kurzfristig werde es dafür keine technische Lösung geben, sagt Vivianne Rehaag, Vorstandsmitglied der VC: „Mittelfristig erhoffen wir uns von der Forschung und den Herstellern eine Verschlüsselung der zur Navigation benutzten Daten.“

Probleme mit dem GPS: Viele Falschmeldungen im Cockpit

Rehaag erlebt regelmäßig, wie die GPS-Navigation gestört wird. Sie ist Pilotin bei Lufthansa auf den Langstrecken-Flugzeugen Airbus A330 und A340. „Ich persönlich fliege oft in Richtung Dubai, Bahrain, Saudi-Arabien. Auf dem Weg dorthin sind Probleme mit dem GPS fast schon Standard“, erzählt sie. Das gelte vor allem für das Jamming, also die Blockierung des Systems, weniger für das Spoofing.

In solchen Situationen kann es schon mal lauter werden im Cockpit. GPS-Signale werden zum Beispiel vom Bodennäherungssystem (GPWS) verarbeitet. Es warnt die Cockpitbesatzung vor Bodenkontakt – zum Beispiel bei hohen Bergen und schlechter Sicht. Bei Kollisionsgefahr ruft das System vernehmlich und mit großer Frequenz „terrain pull up“. So bleibt noch genug Zeit, den Jet hochzuziehen.

„Wir bekommen Fehlermeldungen des erweiterten Bodennäherungs-Warnsystems“, berichtet Rehaag. Dessen Datenbank nutze die derzeit berechnete Position. Wenn die aber wegen der Manipulationen oder der Ausfälle nicht stimme, komme es zu Falschmeldungen.

Auch an anderer Stelle kann sich laut Rehaag zeigen, dass etwas nicht stimmt: „Wenn die Position des Flugzeugs auf dem Navigations-Display plötzlich springt, ist das ein Hinweis auf Manipulationen des Signals.“

Ein anderer Pilot berichtet davon, dass plötzlich die Position des eigenen Flugzeugs auf der elektronischen Karte einfriert: „Das Problem: Das System meldet nicht, wann das passiert ist. Wir wissen dann nicht, ob noch in etwa die aktuelle Position oder eine veraltete gezeigt wird.“

Businessjet flog fast ohne Erlaubnis in den iranischen Luftraum

Was passieren kann, wenn die Störung nicht rechtzeitig erkannt wird, zeigt der Flug eines Businessjets vom Typ Embraer Legacy 650 im Herbst vergangenen Jahres. Im Luftraum über Bagdad verloren die Piloten das GPS-Signal im Flugzeugsystem und auch auf ihren iPads. Gleichzeitig versagte das sogenannte Inertial Reference System (IRS) seinen Dienst. Auch das zeigt die Position an. Infolgedessen arbeitete der Autopilot nicht mehr richtig.

Die Cockpitbesatzung erfragte daraufhin bei der Flugsicherung die aktuellen Positionsdaten. Und war überrascht, als sie feststellte, dass sie sich bereits mehr als einhundert Kilometer von ihrer geplanten Route entfernt hatte. Der iranische Luftraum war nicht mehr weit. Für den hatte die Besatzung aber keine Genehmigung. Eine gefährliche Situation, die wohl das dortige Militär auf den Plan gerufen hätte. Sofort wurde der Kurs korrigiert.

Für Niklas Ahrens, Leiter der Arbeitsgruppe Aircraft Design and Operation bei der Pilotenvertretung VC, sind die GPS-Störungen Teil eines viel größeren Themas. „Wir haben in der Luftfahrt das grundsätzliche Problem, dass wir nicht authentifizierte, nicht verschlüsselte Signale nutzen“, beklagte er Mitte Mai in einem Podcast der Gewerkschaft: „GPS ist nur eines davon. Wir sehen: Dieses Signal kann gefälscht werden. Also können auch andere gefälscht werden.“

Wir haben in der Luftfahrt das grundsätzliche Problem, dass wir nicht authentifizierte, nicht verschlüsselte Signale nutzen.

Da in Flugzeugen immer mehr digitale Technologen zum Einsatz kommen, wird schon seit vielen Jahren über das Thema Cybersecurity von Flugzeugen diskutiert. Das US-Ministerium für innere Sicherheit (DHS) zeigte schon 2016, dass es möglich ist, in die Systeme einer in Atlanta geparkten Boeing 757 zu kommen.

Nach Ansicht der amerikanischen Cybersecurity-Behörde CISA ist eine der größten Schwachstellen die lange Lebenszeit der Systeme. Es dauert lange, um für neue Technologien die Zulassung zu bekommen. Also werden sie auch lange genutzt. Viele Systeme in den Jets sind vor Jahren entwickelt worden, als Cyberangriffe noch kein großes Thema waren. Dazu zählt auch GPS.

Auch Reeder melden immer häufiger Störungen des GPS-Signals. Schiffe setzen wie die Luftfahrt auf GPS als Navigationswerkzeug. Nach Angaben von Lloyd’s List Intelligence, eine Organisation des Londoner Versicherungsmarktplatzes Lloyd’s, kommt es vor allem rund ums östliche Mittelmeer zu Problemen mit GPS.

GPS steht für Global Positioning System und ist eine Satellitennavigation, die in den 70er-Jahren vom US-Militär entwickelt wurde. Seit vielen Jahren darf es auch für zivile Zwecke genutzt werden. In der Luftfahrt ist es mittlerweile eine der wichtigsten Quellen für die Navigation geworden. Deshalb sind die aktuellen Störungen ein ernstes Problem für die Branche.

Müssen sich Fluggäste Sorgen machen?

„Das Thema ist uns seit Längerem aus unterschiedlichen Weltregionen bekannt“, heißt es bei Lufthansa. Durch das Prinzip der Redundanz und regelmäßiges Training lasse sich dem aber im Sinne der Flugsicherheit gut begegnen. Das bestätigt Pilotin Rehaag: „Wir arbeiten in der Luftfahrt stets mit redundanten Systemen. Fluggäste müssen sich also keine Sorgen machen.“

Dennoch ist klar: Wird das GPS-Signal in irgendeiner Form gestört, ist von der Cockpitbesatzung eine hohe Aufmerksamkeit gefordert. So schalten die Piloten in einigen Fällen nach Absprache mit dem Flugzeughersteller und der Fluggesellschaft das GPS-System ab.

„Grundsätzlich gleichen wir in solchen Fällen die Positionen mit anderen Navigations-Möglichkeiten ab“, beschreibt Rehaag das weitere Vorgehen. Eine Möglichkeit ist die Trägheitsnavigation, ein traditionelles Instrument in der Luftfahrt. Einfach ausgedrückt wird die Startposition genommen, und das System berechnet aus der Geschwindigkeit in die verschiedenen Richtungen den korrekten Kurs.

Der Nachteil: Dieses Vorgehen ist weniger zielgenau als GPS. Man könne schon mal drei Meilen versetzt in den USA ankommen, erzählt ein Pilot. Das könne dann aber wieder mit anderen Navigationsmitteln korrigiert werden.

Eine weitere Möglichkeit sind die Funkfeuer am Boden. „Wir können den Abstand zum nächsten Bodenfunkfeuer nehmen“, sagt Rehaag. In manchen Fällen würden die Piloten zudem statt der GPS-Uhr die interne im Flugzeug nehmen, um die Position zu berechnen.“

Nachteil hier: Teilweise wurden diese Funkfeuer abgebaut. Zudem haben sie nur eine Reichweite von rund 350 Kilometern, die Pilotinnen und Piloten müssen ständig neue suchen.

Das lernen die Flugzeugführer auch heute noch in ihrer Ausbildung. Aber sie wenden es in der Praxis eher selten an. Deshalb ist Training so wichtig.

„Erfahrung und viel Routine sind immer gute Begleiter, denn der Workload im Cockpit nimmt in solchen Situationen zu“, sagt Rehaag. Die Probleme seien mittlerweile aber so verbreitet, dass auch weniger erfahrene Kolleginnen und Kollegen sensibilisiert sind.“

Die meisten Fluggesellschaften informieren die Cockpitcrew zudem vor Flugantritt über konkrete Gefahren. Bei Lufthansa bekäme man zum Beispiel vor dem Flug die sogenannten Notams, in denen potenzielle Regionen mit GPS-Manipulationen vermerkt seien, so Rehaag.

Erfahrung und viel Routine sind immer gute Begleiter, denn der Workload im Cockpit nimmt in solchen Situationen zu.

Trotz der redundanten Navigationsmöglichkeiten bleibt ein Problem: Das GPS-Signal wird von mehreren Systemen im Flugzeug verarbeitet. Viele Handbücher seien noch mangelhaft, klagt Ahrens im VC-Podcast: „Wir wissen zum Beispiel nicht, wenn wir das GPS abschalten, ob das Signal noch in anderen Systemen zum Einsatz kommt.“ Da müssten die Hersteller und Flugbetriebe ran. „Wir müssen als Piloten wissen: Wo kommen die Positionsdaten im Flieger her.“

Sicheres Fliegen: Neue Technologien brauchen Zeit

Eine technische Lösung – sicherlich die beste Variante im Sinne der Flugsicherheit - wird dagegen noch viel Zeit benötigen. „Airbus arbeitet an künftigen Design-Standards, um GPS-Beeinträchtigungen besser zu erkennen und operative Störungen zu minimieren“, heißt es beim europäischen Flugzeugkonzern. Selbst wenn neue Technologien da sind, die Navigation sicherer zu machen, dauert es oft Jahre, bis sie von den Aufsichtsbehörden zugelassen und in die Jets eingebaut sind.

Eine dieser technischen Möglichkeiten ist es, die GPS-Daten zu verschlüsseln. Denn vorerst bleibt die Luftfahrt von GPS abhängig. Galileo, das europäische Satelliten-System, mit dem Europa unabhängiger von GPS werden will, steht noch nicht flächendeckend zur Verfügung. Vor allem aber ist auch Galileo bisher nicht verschlüsselt.

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