Fußball-Kunst: Welches EM-Design aus Berlin-Prenzlauer Berg kommt
Pierre Jorge Gonzales und Judith Haase mischen bei dieser EM mit.
Eine kleine Statue, eine Büste, eine chinesische Vase vielleicht – und darunter, immer wieder, eine Säule, ein Podest. Im Museum fristen solch hölzerne oder steinerne Quader ein tristes Dasein, auf ewig zum stummen Diener verdammt.
Rumstehen, bloß nicht auffallen, der wahre Star, das Kunstwerk, sitzt schließlich obenauf. Dass es aber durchaus interessant sein kann, wenn ausnahmsweise mal die tragende Struktur selbst zur Kunst erhoben wird, ist heute Abend ausgerechnet beim Eröffnungsspiel der EM zu sehen.
Natürlich tragen die Ballsäulen auch hier den eigentlichen Star – den Fußball nämlich, der im Kontext der Europameisterschaft hübsch eingedenglischt „Matchball“ heißt.
Beziehungsweise, zu dieser Europameisterschaft: „Fußballliebe“ – das ist der Name, den die Sportmarke Adidas als offizieller Ausstatter der offiziellen Spiele ihrem offiziellen Spielball gegeben hat.
24 Farben sollen 24 beteiligte Mannschaften symbolisieren.
Bedruckt mit dem „Uefa Euro 2024“-Logo nebst verzerrten schwarzen Dreiecken und Details in Rot und Grün und Gelb, so sieht er aus, für Fans kostet der Ball rund 150 Euro im Verkauf. Darunter aber soll zu dieser Meisterschaft ein nicht minder üppig dekorierter Quader leuchten.
Für den Entwurf der Säulen, auf denen vor dem Anpfiff eines jeden EM-Spiels der übers Feld zu kickende Ball präsentiert wird, hat Adidas drei europäische Designerinnen und Designer engagiert. Und neben der Niederländerin Sabine Marcelis sind auch zwei Berliner Kreative dabei.
Pierre Jorge Gonzales und Judith Haase haben jene Ballsäule gestaltet, die für das Eröffnungsspiel, das Halbfinale und das Finale genutzt wird; an den restlichen Spielen der Gruppenphase kommen dann Marcelis’ Säulendesigns zum Einsatz. Ohnehin ist das 1999 gegründete Studio Gonzales Haase ASS mit Sitz in der Kastanienallee für prestigeträchtige Engagements bekannt.
Mit Schwerpunkten auf Architektur, Szenografie und Beleuchtung entwickelt das Duo etwa Galerieräume oder Store-Designs, für Kunden wie die Marken Acne Studios, Birkenstock und Balenciaga oder Galeristen wie Thomas Schulte und Konrad Fischer – auch der legendäre Stil-Tempel von Andreas Murkudis auf der Potsdamer Straße sowie das Sternerestaurant Ernst in Wedding gehen auf ihre Kappe.
Und nun also die Fußballsäule made in Prenzlauer Berg: Sie besteht aus 24 klingenähnlichen Metallblättern, zum rundlichen Podest zusammengefügt, jedes Blatt in einer anderen Farbe, die eine der 24 beteiligten Nationalmannschaften symbolisiert. „Es war uns wichtig, dass das Objekt spielerisch mit Raum umgeht und sich auch mit dem Raum ringsherum verbindet“, wird das Design-Duo in einer Mitteilung zitiert.
Neben dem Berliner Duo hat auch die Niederländerin Sabine Marcelis Ballsäulen entworfen.
Will sagen: Die Säule soll nicht nur als solitäres Kunstwerk, sondern als bindendes Glied zwischen Stadion und Spielfeld, Mannschaft und Fans funktionieren.
„Dadurch, dass wir mit einzelnen Blättern gearbeitet haben, konnten wir Licht in das Objekt bringen“, so Gonzales und Haase.
„Durch die Reflexion des Lichts wird jede einzelne Farbe lebendig und sieht je nach Lichteinfall immer anders aus“, heißt es weiter; jede farbige Klinge reflektiere letztlich auch die Farbe der nächsten, „sodass sich jede Farbe in jeder anderen Farbe wiederfindet“.
Farbe, Farbe, Farbe, eine rundliche Silhouette, das Spiel mit Licht und Schatten. „Wir gehen an Designs heran, wie es ein Bildhauer tun würde“, so die beiden Berliner. Nur dass ihr Kunstwerk in diesem Fall nicht obenauf – sondern untendrunter steht.