Ist der Gipfel erst ruiniert, baut sich’s weiter ungeniert
Ist der Gipfel erst ruiniert, baut sich’s weiter ungeniert
An manchen Stellen enttarnt sich die Einsamkeit der Berge als romantisches Konstrukt. Wandernd fällt man der Verklärung selbst oft anheim. Wo doch stundenlang nichts als Heidelbeerschläge, Zirben und Hochmoor den Weg säumen. Wo Kuhglockengeklingel und Wildbachgerausche sich in die Stille mischen, zart behaucht vom Sommerwind. Wo ein schöner Rastplatz nach dem anderen auftaucht – große, glatte Steine zwischen Feldern aus Almrosen. Und wo Schwärmerei über die Überzeitlichkeit der Natur aufkommt, weil es in der Steinzeit hier oben wohl nicht viel anders ausgesehen haben kann als in diesem Moment. Und dann das! Baulärm.
Einmal noch um die letzte Bergkante dieser alpinen Weitwanderetappe marschiert, schon zeigen sich erste Liftstützen, die Silhouette eines großen Baukomplexes rückt näher. Ein weißes Band durchschneidet den Hang – keine sommerliche Piste (so weit ist das Snowfarming dann doch nicht gediehen), nein, eine Straße samt Bagger und Betonmischer. Muss man da hin? Ja, meinen Karte, Markierung und die Routen-App. Also muss man da durch.
Die Berginfrastruktur vom Winter im Sommer voll zu nutzen ist eine gute Sache, zumal sie schon existiert. Besser, sie auszulasten, zu warten und nachhaltig umzurüsten, als sie brachliegen zu lassen. Touristisch hat es auch Sinn, Wanderer und Mountainbiker dem Wegenetz in der Höhe ein Stück näherzubringen – und Gäste in die Hütten.
Schöner ist das Ambiente dadurch selten geworden. Frei nach dem Motto „ist der Gipfel erst ruiniert, baut sich’s weiter ungeniert“ folgt quer durch den Alpenbogen die Industrialisierung einzelner Berge meist keinem erkennbaren Masterplan oder ästhetischen Prämissen. Wie zufällig scheint da oben zu wachsen, was der Markt angeblich verlangt: Plattformen, Themenmuseen, Abenteuerspielplätze, Teiche, Shops, Riesenglocken, Megaschaukeln, Ziplines, Downhilltrails etc. Das mischt sich oft bezugslos unter das, was bereits da ist: von der Liftstation bis zum Glasiglu. Der Winter ist da gnädig – weil Schnee ein Weichzeichner der Bausünden. Im Sommer lassen sich diese schwer unter den Teppich kehren. Wie wär’s mit einmal Gras darüber wachsen lassen?