Ökonom Daron Acemoğlu: „Die Demokratie hat versagt“

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Harte Auseinandersetzung: Protest gegen die Rentenreform in Frankreich im Januar 2023

Der am Massachusetts Institute of Technology (MIT) lehrende Ökonom Daron Acemoğlu hat sich bei einem Besuch in Europa besorgt über den schwindenden Rückhalt für die Demokratie gezeigt. „Wenn man sich in der Welt umschaut, sieht man, dass die Unterstützung für die Demokratie sehr gering ist“, sagt er im Gespräch mit der F.A.Z. Besonders gering sei der Zuspruch in den Vereinigten Staaten. Ein wesentlicher Grund seien viele nicht eingelöste Versprechen. Acemoğlu würde sogar so weit gehen, zu sagen: „Die Demokratie hat versagt.“

„Seit 40 Jahren stagniert das mittlere Einkommen, die Ungleichheit ist viel größer geworden, die Lebenserwartung ist in den vergangenen zehn Jahren gesunken. Die Menschen werden also unzufrieden“, sagte Acemoğlu mit Blick auf die USA weiter. In Europa sei es im Grunde nicht viel anders: In Italien gebe es seit 30 Jahren kaum noch Wachstum und in Frankreich sei die Jugendarbeitslosigkeit sehr hoch. „Ich glaube, es gibt einfach ein allgemeines Gefühl, dass die Demokratien nicht so gut funktionieren, wie es versprochen wurde“, sagt Acemoğlu am Rande des Amundi World Investment Forums in Paris.

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Lehrt am Massachusetts Institute of Technology: der Ökonom Daron Acemoğlu

Mehr Einsatz für Gemeinwohl und Mittelschicht

Für den MIT-Professor, der zu den meistzitierten Ökonomen der Welt zählt und bahnbrechende Arbeiten etwa zur Bedeutung von Institutionen für den Wirtschaftsprozess oder zum Verhältnis von Demokratie, Wirtschaftserfolg und Freiheit veröffentlicht hat, steht fest: Die Demokratie muss besser werden. Sie müsse sich mehr für das Gemeinwohl und das Wohlergehen der Mittelschicht einsetzen. Das System könne nicht lange überleben, wenn es nur für Milliardäre gut sei.

Aber auch die Kommunikation müsse sich verbessern, wie das Beispiel Frankreich zeige. Die von Präsident Emmanuel Macron lancierte Rentenreform sei „sehr notwendig“ gewesen, „aber nicht sehr gut kommuniziert“ worden. „Sie ist von den Menschen als etwas empfunden, das ihnen aufgezwungen wurde, und das ist ein Versagen der Politik“, sagt Acemoğlu. Zumal die „sozialen“ Medien die Bevölkerung zugleich polarisierten und immer mehr junge Menschen in einer Blase lebten, in der sie sich nicht mit Politik beschäftigen und unwahre Informationen erhielten.

„Die Grundprinzipien der demokratischen Staatsbürgerschaft, das heißt gemeinsames Wissen, Engagement, ein gewisser Glaube an das Gemeinwohl oder an eine Politik von allgemeinem Interesse, sind meiner Meinung nach heute viel schwächer als früher“, sagt der 56 Jahre alte, türkisch-amerikanische Professor armenischer Abstammung. Das habe ebenfalls zur Folge, dass die Menschen die Demokratie nicht als ein unterstützenswertes System ansähen. „Ich denke, wenn die Menschen die Demokratie wirklich unterstützen, werden sie viel vorsichtiger sein, wenn es zum Beispiel darum geht, den Rassemblement National zu wählen“, sagte er und verwies auf die anti-demokratische Vergangenheit der Partei um Marine Le Pen.

Sorgen vor einer zweiten Trump-Präsidentschaft

Klar müsse sein: Demokratien brächten manchmal Parteien an die Macht, die „extremer“ seien. „Dann ist es sehr wichtig, dass es andere Kontrollmechanismen im System gibt, um das System zu schützen“, erklärte Acemoğlu. In den USA zum Beispiel seien diese Kontrollen und Gegengewichte nicht stark genug. Eine zweite Trump-Präsidentschaft bereitet ihn vor diesem Hintergrund Sorgen. Er nennt das „schrecklich“ für die US-Institutionen. Auch eine Wahl von Le Pen an Frankreichs Staatsspitze bereitet ihm wegen der starken Stellung dieses Präsidentenamts Unwohlsein.

Das deutsche System sei dagegen besser gewappnet, weshalb er sich über den Aufstieg der AfD weniger besorgt zeigt. Und auch wirtschaftlich steht Deutschland für Acemoğlu nicht so schlecht da, wie mit Blick auf die Wachstumsdifferenz zu den Vereinigten Staaten aktuell viele meinen. „Die USA waren die vergangenen zehn Jahre besser. Aber wenn man sich die vergangenen 20 Jahre anschaut, hat Deutschland auch ganz gut abgeschnitten“, sagte er. Es stimme also nicht, „dass die USA eindeutig das beste System haben“. Deutschland habe einen dynamischen Industriesektor gehabt, wobei die Nachfrage aus China und der schwache Euro geholfen hätten. Trotz gestiegener Ungleichheit seien die Löhne infolge dieses guten Abschneidens stärker gestiegen als in den USA.

„Das bessere Abschneiden der USA im Vergleich zu Europa liegt hauptsächlich an Europa“, bilanziert Acemoğlu die vergangenen Jahre. Die USA hätten nach der Finanzkrise nicht wirklich höhere Wachstumsraten gehabt. Europa dagegen habe nach der Finanzkrise und auch nach der Corona-Krise viel schlechter abgeschnitten. Der Ökonom nennt für dieses Auseinanderdriften zwei Gründe: Die USA hätten in beiden Krisen die Steuerausgaben stärker erhöht und sie hätten das Bankensystem etwas besser saniert. Acemoğlu diagnostiziert Deutschland eine übertriebene Sparpolitik nach der Finanzkrise. Deshalb gehe es Deutschland nun „nicht sehr gut“. Deutschland hätte sich von 2008 an mehr Geld leihen und nicht zuletzt mehr für die Infrastruktur ausgeben sollen.

„Den USA geht es auch nicht besonders gut“

Natürlich sei ein weiterer Faktor für die Wachstumsdifferenz das Silicon Valley als Anziehungspunkt für Investitionen und Innovationen, etwa in der Biotechnologie. „Aber all diese Dinge gab es auch schon vorher in den USA“, sagt Acemoğlu. Für ihn ist es vielmehr ein „großes Rätsel“ in den USA, warum das Produktivitätswachstum trotz der enormen Investitionen in das Silicon Valley und Technik so langsam ist. In den 1950er-, 1960er- und frühen 1970er-Jahren habe die sogenannte totale Faktorproduktivität bei 2,5 Prozent gelegen, in den 2000ern dagegen bei weniger als einem Prozent.

„Den USA geht es also auch nicht besonders gut“, schlussfolgert der Ökonom. China bereitet ihm in dem Kontext allerdings keine allzu großen Sorgen. „Die chinesische Wirtschaft verlangsamt sich stark, und sie wird sich noch mehr verlangsamen“, zeigt er sich überzeugt. Es gebe eine Menge Innovation in China, aber ein großer Teil davon sei „von geringer Qualität“. Wenn man sich zum Beispiel akademische Aufsätze oder Patente in China ansehe, dann seien sie nicht so innovativ, wie die Zahlen vermuten ließen. „Die akademische Forschung ist in China sehr bürokratisch, sodass sie keine großen Durchbrüche hervorbringt“, sagt Acemoğlu. Das sei unweigerlich mit den Vorgaben der Politik verbunden.

Besorgt zeigt sich der Ökonom über die Dominanz des Silicon Valley und der Internetgiganten wie Apple, Microsoft & Co. „Die Menschheit hat noch nie so große Konzerne gesehen wie diese“, sagte er. Einiges davon sei „wirklich innovativ“, etwa Nvidia mit seinen Grafikprozessoren. Richtig groß und dominant seien die Konzerne aber erst durch den Aufkauf kleiner Rivalen geworden. „Es ist also das Fehlen von Kartellrecht und von Regulierung, das sie so groß gemacht hat“, sagt Acemoğlu. Man müsse das Wachstum der Internetgiganten stoppen und sie teilweise auch zerschlagen. Die Politik in den USA bewege sich in die Richtung, sei aber noch nicht so weit.

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