„Julian Nagelsmann ist jetzt wieder sehr bei sich“: ARD-Experte Thomas Broich und seine Vorrundenbilanz

Der frühere Fußballprofi Thomas Broich ist bei der Europameisterschaft als Experte der ARD im Einsatz. Im Interview zieht er eine Bilanz der EM-Vorrunde.

„julian nagelsmann ist jetzt wieder sehr bei sich“: ard-experte thomas broich und seine vorrundenbilanz

Luxusproblem. Bundestrainer Nagelsmann muss sich entscheiden, ob er Niclas Füllkrug (links) im Sturm spielen lässt oder Kai Havertz.

Herr Broich, die Vorrunde der Europameisterschaft liegt hinter uns. Wie ist Ihr EM-Gefühl bisher?

Auf jeden Fall gut. Ich habe das Turnier als überwiegend positiv wahrgenommen. Es war – die England-Gruppe mal ausgeklammert – schon geprägt von dem Willen, das Spiel zu gestalten. Ich fand‘s auch schön zu sehen, dass es im Spiel wieder eine breitere Palette an Lösungen gibt.

Was meinen Sie damit?

In der Vergangenheit gab es im Fußball ja ein paar Tabus, Flanken oder Fernschüsse zum Beispiel. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Viele Teams stellen sich ja in einem tiefen Block hinten rein. Aber dagegen entwickeln die gegnerischen Mannschaften auf einmal wieder Lösungen. Es ist super, dass die Tore auf so vielfältige Art und Weise entstehen.

Man muss sich nur die Treffer der deutschen Mannschaft anschauen: Da wurde durchs zentrale Nadelöhr kombiniert, da gab es Flanken auf den zweiten Pfosten, aber auch Distanzschüsse von der Sechzehnerkante.

Die Häufung an Fernschusstoren war auffällig.

Ja, aber diese Fernschüsse sind keine Verzweiflungstaten. Die sind gut vorbereitet. Wenn der Gegner so nah ans eigene Tor heranrückt, muss ja woanders Platz entstehen. In der Vergangenheit hat man oft versucht, trotzdem irgendwie da durchzukommen, auch wenn es hinter der Verteidigung kaum noch Schnittstellen oder Räume gab. Natürlich hat das nicht geklappt. Jetzt gibt es eben auch noch die Lösungen C, D und E. Fernschüsse sind eine davon.

Ist das eine Entwicklung, die erst bei der EM eingesetzt hat?

Im Vereinsfußball ist das schon länger zu beobachten, und zwar ganz extrem. Wenn man sich die letzten hundert Tore von Manchester City anschaut, dann wird das schon super deutlich. Bei einer Mannschaft, die von Pep Guardiola trainiert wird, würde man ja denken, bei denen sind Flanken und Fernschüsse eigentlich verpönt. Dabei macht City wahnsinnig viele Tore nach genau diesem Muster, gerade weil die Spieler gezwungen sind, immer wieder ganz dicke Bretter zu bohren.

Man spielt sich halt nah am Tor, in 16, 18 Meter Entfernung und zentraler Position, doch noch frei. Oder man kommt nach einer abgewehrten Flanke zum Schuss, der Ball wird von einem Abwehrspieler abgefälscht, der Torhüter sieht etwas nicht richtig. Dass der Distanzschuss als Mittel wieder wichtig geworden ist, ist keine Erfindung dieser EM.

Auffällig ist auch die hohe Zahl an Eigentoren. Zufall? Oder auch erklärbar?

Ich glaube, auch das hängt mit dem zusammen, was ich gerade skizziert habe. Die Weigerung, Raum hinter der Kette freizugeben, führt dazu, dass sehr viele Abwehrbeine sehr nah am Tor sind. Und dann passieren halt genau diese Dinge: dass Donyell Malen den Ball gegen Österreich ins eigene Tor grätscht, Maximilian Wöber eine Flanke der Franzosen mit dem Kopf erwischt oder Riccardo Calafiori den Ball ins eigene Tor stolpert.

Wer oder was hat Sie in der Vorrunde am meisten begeistert?

Tatsächlich waren das die Spanier. Weil sie wieder Komponenten in ihrem Spiel haben, die sie lange nicht hatten. Dieses Sich-tot-Spielen und das strikte Festhalten an einer bestimmten Kultur, das ist offenbar weg.

Ich fand’s super, dass sie vertikaler spielen, Bälle hinter die Abwehr legen, Diagonalbälle schlagen, mit viel Tempo über außen kommen, und das auch noch mit klassischen Flügelspielern. Es hat mich auch total überrascht, wie gut die Spanier im Gegenpressing und im Pressing waren.

Gegen die Kroaten, die ja echt ballsicher sind, haben sie extrem viele Bälle extrem hoch gewonnen. Diese Griffigkeit gegen den Ball habe ich bei ihnen so lange nicht gesehen.

Kritik gab es hingegen an Frankreich und England, denen vorgeworfen wird, viel zu wenig aus ihren überragenden Möglichkeiten gemacht zu haben. Ist die Kritik aus Ihrer Sicht berechtigt?

Ich würde Frankreich und England nicht in einen Topf werfen. Ich finde, dass die Franzosen durchaus eine gewisse Abenteuerlust offenbaren. Es ist nicht so, dass sie völlig unterkühlt, total pragmatisch und nur im zweiten Gang Fußball spielen. Die hatten viele explosive Momente, auch gute Torchancen. Ja, es hat noch nicht Klick gemacht. Trotzdem hätten die Franzosen in jedem Spiel deutlich mehr Tore machen können.

Die meisten Mannschaften wollen Fußball spielen, um zu gewinnen. England nicht. England möchte einfach nur nicht geschlagen werden.

Thomas Broich über die bisherigen Auftritte des englischen Teams

Auch machen müssen.

Ja, total. Aber wenn die so weiterspielen wie bisher, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Tore fallen. Die Franzosen sind so vielseitig, so brutal gefährlich. Sie haben eine unglaubliche Athletik und Körperlichkeit in ihrem Kader, aber auch überragende Zocker. Frankreich ist auf allen Positionen gut aufgestellt. Ich finde, die sind voll im Turnier. Noch haben sie nicht geglänzt, aber das wird kommen, aller Voraussicht nach.

Und bei den Engländern?

Da sehe ich es anders. Aber das tun wir wahrscheinlich alle. Die meisten Mannschaften bei dieser EM wollen Fußball spielen, um zu gewinnen. England nicht. England möchte einfach nur nicht geschlagen werden.

Für ein erfolgreiches Abschneiden bei einem solchen Turnier ist das vielleicht gar nicht so verkehrt, oder?

Genau darauf wollte ich hinaus. Im Moment wird das Auftreten der Engländer superkritisch gesehen, und mir macht es auch keine Freude, denen zuzuschauen. Ich glaube aber, dass diese Herangehensweise durchaus weit tragen könnte.

Es sei mal dahingestellt, ob es wirklich für den Titel reicht, wenn du so wenige eigene Lösungen entwickelst. Aber ich halte es für denkbar, mit dieser pragmatischen Art, mit Spielen ohne oder mit nur einem Gegentor, das Achtelfinale oder auch das Viertelfinale zu überstehen. Dann steht England wie vor drei Jahren mit dieser sehr fantasielosen Art plötzlich wieder im EM-Halbfinale.

Gab es in der Vorrunde Spieler, die Ihnen besonders aufgefallen sind?

Bislang eigentlich noch nicht. Es hat bei dem Turnier natürlich immer wieder Leute gegeben, die gute Spiele gemacht haben. Aber ich saß noch bei keinem und habe gedacht: Wow, bei dem klappt aber gerade alles. Da ist einer in Über-Form.

Ich finde, dass es bei vielen Einzelkönnern geile Momente gab. Aber es ist nicht so, dass ich sage: Da hat schon in der Gruppenphase einer dem Turnier komplett seinen Stempel aufgedrückt.

Wie hat Ihnen die deutsche Mannschaft bisher gefallen?

Gut. Ich mag es total, wie die Mannschaft seit einigen Wochen oder Monaten auftritt. Ich halte es für möglich, dass sie jedes Spiel gewinnt, egal gegen wen. Ich halte es aber dummerweise auch für möglich, dass wir jedes Spiel verlieren können. Auch egal gegen wen.

Die Mannschaft wirkt sehr eingespielt, es ist eine klare Spielidee erkennbar.

ARD-Experte Thomas Broich über die deutsche Nationalmannschaft

Selbst gegen Dänemark, den Gegner im Achtelfinale?

Auch Dänemark ist ein gefährlicher Gegner. So wie es in der Vorrunde Ungarn und die Schweiz waren. Auch die hatten unangenehme Momente für uns parat. Wir stehen mit Sicherheit noch nicht über den Dingen. Das können wir auch gar nicht nach der jüngeren Vergangenheit.

Trotzdem ist die Entwicklung sehr positiv. Die Mannschaft wirkt sehr eingespielt, es ist eine klare Spielidee erkennbar. Und ich finde auch, dass Julian Nagelsmann wieder sehr bei sich ist.

Wie meinen Sie das?

Der Bundestrainer ist von der Systematik wieder bei dem Fußball, der ihn erfolgreich gemacht hat. Auch die TSG Hoffenheim …

… Nagelsmanns erster Verein als Cheftrainer …

… hatte unter ihm diesen Dreieraufbau, dazu die Wingbacks. Bei Leipzig war es mit Lukas Klostermann und Marcel Halstenberg auf den Außenverteidigerpositionen genauso. Sonst war das Spiel sehr zentrumslastig, mit dieser Schlinge, die Nagelsmann immer wieder auslegt im Gegenpressing. Genau das passiert jetzt wieder. Das Zentrum ist komplett überladen, dazu der Dreieraufbau, diesmal mit Toni Kroos in der speziellen Rolle …

... der sich für die Spieleröffnung aus dem defensiven Mittelfeld links neben die beiden Innenverteidiger fallen lässt.

Die Flügelspieler, die dem eigenen Spiel Breite geben, das sind wieder die Außenverteidiger. Da ist Nagelsmann komplett bei sich und seinen Stärken.

Das war zu Beginn seiner Zeit als Bundestrainer noch nicht so.

Stimmt. Er hat einiges ausprobiert, Kai Havertz als Schienenspieler zum Beispiel, der dann unterschiedliche Rollen ausfüllen sollte. Das waren Experimente, die sich eher als Rohrkrepierer erwiesen haben. Aber jetzt hat Nagelsmann eine Statik gefunden, die den Spielern total zupasskommt – die aber auch ihm als Trainer total zupasskommt.

Wie bewerten Sie die Debatte um die Erstbesetzung im Angriff, die nach dem Spiel gegen die Schweiz entbrannt ist? Die Frage, ob statt Kai Havertz lieber Niclas Füllkrug als Mittelstürmer spielen sollte?

Die sehe ich vollkommen tiefenentspannt. Ich finde, dass Kai Havertz der Mannschaft durch sein Spielerprofil total viel gibt. Er ist technisch sehr sauber, macht super Tiefenläufe, hat viel Tempo. Und kopfballstark ist er auch noch. Mit etwas Glück macht Havertz gegen die Schweiz auch schon zwei Kopfballtore. Für mich ist er ein super Starter.

Und trotzdem ist es geil, einen Typen mit diesem unbändigen Willen und diesem X-Faktor wie Niclas Füllkrug von der Bank bringen zu können. Einen, der sich keine Platte macht, der torgeil ist ohne Ende und sich einfach in alles reinknallt. Für mich ist dieses Jobsharing-Modell eine Super-Lösung.

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