Nico Rosberg: „Erstaunlich, dass Formel 1 noch mal so einen Schub bekommt“
„Ich profitiere enorm vom Boom der Formel 1“, sagt Nico Rosberg.
„Wenn ich anrufe“, erzählt Nico Rosberg, „geht jeder ans Telefon.“ Einen Formel-1-Weltmeister drückt niemand weg. Nicht mehr. „Ich war erst neulich wieder im Silicon Valley“, sagt er: „Vor fünf Jahren hätte mir niemand die Tür aufgemacht. Aber jetzt? Stehen sie alle offen. Weil ich der Formel-1-Weltmeister bin.“
Es ist zwar eine Weile her, dass der heute 38 Jahre alte Rosberg im „Krieg der Sterne“ genannten Mercedes -Duell mit Lewis Hamilton triumphierte und sich zum König der Kreisfahrer aufschwang. Doch acht Jahre danach ist die Motorsport-Eliteklasse, die an diesem Sonntag (15.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Formel 1 und bei Sky) in Österreich kreist, so populär wie selten zuvor. Dank Social Media – dem alten Eigner Bernie Ecclestone mit seinem Fokus aufs Fernsehen noch ein Dorn im Auge – und dank Netflix sogar in Amerika. Rosberg, klar, den kennen sie jetzt im Tal der Träume. „Ich profitiere enorm vom Boom der Formel 1“, sagt er.
„Damals haben mich viele ausgelacht“
Gefragt als TV-Experte: Rosberg während des Großen Preises von China
Während sein einstiger Rivale Hamilton noch immer den Mercedes steuert, betrachtet Rosberg – geboren in Wiesbaden, aber aufgewachsen in Monaco – die Formel 1 heute als Werbeplattform für sich selbst. Er, der im Dezember 2016 fünf Tage nach dem Titelgewinn zurücktrat vom aktiven Sport, managt keinen Rennstall und berät auch keinen Fahrer. Taucht er ab und zu als TV-Experte oder Interviewer auf, dient das allein seiner „neuen Weltmeisterschaft“: Der ehemalige Rennfahrer Rosberg ist heute Investor – und das schon eine ganze Weile.
Schampus für den Champion: Nico Rosberg gewinnt 2016 den Titel in der Formel 1.
Sein erstes Investment abseits von Immobilien sei eine Beteiligung an der Formel E gewesen, „2017, direkt als ich aufgehört habe, weil ich überzeugt bin, dass E-Autos die Zukunft sind“, sagt er. „Damals haben mich viele noch ausgelacht, ich kam ja als Weltmeister von der Formel 1, und es war noch nicht klar, dass die Elektromobilität sich durchsetzen würde, aber die Formel E hat ihren Platz gefunden.“ Seiner alten Heimat Formel 1 den Rang abgelaufen hat die Serie freilich nicht. Kein Topfahrer aus der Königsklasse würde einen Platz in einem Formel-1-Cockpit gegen einen in einem Formel-E-Wagen eintauschen.
Auf Mercedes wurde Rosberg Weltmeister – und bezwang dafür Lewis Hamilton.
„Wir werden bald alle elektrisch fahren“
Von Michael Schumacher hat sich Nico Rosberg einiges abgeschaut.
„Wenn man bedenkt, dass die junge Generation noch mehr Wert auf Nachhaltigkeit legt, ist es schon erstaunlich, dass die Formel 1 am Ende des Verbrennerzeitalters noch einmal so einen Schub bekommt“, muss auch Rosberg konstatieren.
Die Formel E habe mit den Rennen in Stadtzentren aber ein Alleinstellungsmerkmal und wachse weiter. Und die Formel 1 bemühe sich, in Sachen Nachhaltigkeit voranzukommen, „mit dem Fokus auf synthetische Kraftstoffe und anderen Initiativen“.
„Zu viel Angst“: Eine Rückkehr ins Renncockpit reizt Nico Rosberg nicht.
Generell seien die Erwartungen an die E-Mobilität wohl etwas zu hoch gewesen. Außerdem habe sich das Zinsumfeld geändert, was sich im Leasing bemerkbar mache. „Aber wenn sich eine gesamte Branche umstellt und eine ganz neue Infrastruktur entstehen muss, ist es ja ganz normal, dass das in Wellen passiert“, sagt er. „Die aktuellen Herausforderungen ändern nichts an der Tatsache, dass wir alle bald elektrisch fahren werden.“
Damals auf dem Hockenheimring: Nico Rosberg und Vater Keke anno 1995.
Solche Sätze hört und liest man oft von ihm: Nachhaltigkeit ist sein großes Thema. Auf dem Karrierenetzwerk Linkedin, das er sehr rege nutzt, präsentiert er sich unter anderem als „Sustainability Entrepreneur“ und natürlich als Formel-1-Weltmeister.
35 direkte Beteiligungen
Rosberg ist breit präsent. Er zählt zu den Mitgründern des „Greentech“-Festivals in Berlin und tritt als Markenbotschafter für EnBW in Werbespots für deren E-Ladeinfrastruktur auf. Fünf Staffeln lang saß er zudem als Investor in der Gründer-TV-Show „Die Höhle der Löwen“.
Mehr als 35 direkte Start-up-Beteiligungen seien es mittlerweile, „und jeden Monat kommt eine dazu“, sagt Rosberg. Meist gehe es dabei um Summen im mittleren fünfstelligen Bereich, so wie auch bei anderen Angel-Investoren. Nicht zuletzt (Ex-)Sportler machen hier gerne von sich reden. Solche Deals sind teils auch ein Imageding – für beide Seiten.
Den Start-up-Sprech hat Rosberg längst voll verinnerlicht. Er redet von seiner „Mission“ – englisch ausgesprochen. Manche Begriffe fallen ihm auf Anhieb ohnehin erst einmal nur auf Englisch ein. Sein Team helfe, aber über die Jahre habe er auch mit vielen erfahrenen Leuten gesprochen, um sich Wissen anzueignen, Podcasts gehört und möglichst viel aufgesaugt.
Auch da hilft seine Vergangenheit: „Eine halbe Stunde redet fast jeder mit mir, weil ich eben Formel-1-Weltmeister bin“, sagt er. Doch mittlerweile könne er auch „mit inhaltlichem Mehrwert“ punkten, der mehr und mehr deutlich werde. Denn Einzelinvestments sind längst nicht mehr Rosbergs alleiniger Fokus.
Ein Wagniskapital-Dachfonds ist sein neuestes Projekt. Bis Ende des Jahres will er 75 Millionen Euro einsammeln, da sei er auf gutem Weg. Knapp 50 Millionen sind es Stand Ende Juni, die zweite Finanzierungsrunde steht kurz vor dem Abschluss.
Im April waren es im Zuge der ersten Runde 30 Millionen Euro. Auch eigenes Vermögen steckt darin, vor allem aber Geld von „diversen großen Familien aus der deutschen Wirtschaft“, wie er sagt. Namen könne er leider keine nennen, zumindest derzeit. Die Familien suchten nicht die Öffentlichkeit.
Den „Everest im Venture Capital“ erklimmen
„Über ein Investment in die weltbesten Wagniskapitalfonds bist du im Boot mit den besten Investoren“, sagt er. „Die diversifizieren – jeder einzelne Fonds teilweise über 50 Start-ups hinweg –, und dann kommst du in ein spannendes Risiko-Rendite-Profil.“ Allein komme er da nicht rein, wohl aber über den Dachfonds, und die „Verknüpfung von hochkarätigen Start-ups und der deutschen Industrie“ sei auch für die großen Wagniskapitalgesellschaften reizvoll.
Und überhaupt, es sei doch „bedenklich, dass statt europäischem so viel US-Geld in den Wagniskapitalfonds steckt, die die Innovationen von morgen nach vorne bringen“. Sein Fonds ist nach Informationen der F.A.Z. unter anderem in Fonds von Andreessen Horowitz investiert. Die weltgrößte Wagniskapitalgesellschaft verwaltet ein Vermögen in Höhe von 42 Milliarden Dollar.
Den „Everest im Venture Capital“ will er so erklimmen, gibt Rosberg das (natürlich) ambitionierte Ziel aus. Für den Weg zum Gipfel der Motorsportwelt, den sein Vater Keke schon 1982 erklommen hatte, brauchte er 25 Jahre und 206 Grands Prix. Aus dieser Zeit bringe er das Netzwerk und das Interesse an seiner Person mit in die „neue Welt“ der Fonds und Start-ups. „Aber auch die Attribute eines Weltklassesportlers“, sagt Rosberg und zählt auf: Kampfgeist, Fokus, soziale Kompetenz: „Du musst dich um die Leute kümmern, mit denen du zu tun hast.“
Gelernt habe er das von Michael Schumacher, mit dem er drei Saisons für Mercedes fuhr. „Der war ein Leader wie kein anderer“, erzählt Rosberg, „perfektionistisch in allen Belangen.“ Dabei war Schumacher längst Rekordweltmeister der Formel 1: „Als er schon sieben Titel gewonnen hatte, lernte er mit einem Zettel immer noch die Namen aller Mechaniker und anderen Teammitglieder auswendig. Wie Vokabeln. Er wusste ihre Namen, wann sie Geburtstag haben und konnte sie jeden Tag persönlich begrüßen.“ 90 Leute seien das teils gewesen. Das habe ihn geprägt.
„Als Fahrer schauen alle auf dich“, sagt er. „Und wenn die Leute sehen, der Nico gibt sich so viel Mühe in jedem Detail – das merken alle, und das inspiriert sie im Idealfall.“ Das sei mit seinem Team heute nicht anders. „Als Formel-1-Fahrer gehörst du zur Chefetage und musst die Richtung vorgeben. Das Mercedes-Team hatte damals 1500 Mitarbeiter, ein riesiges Unternehmen, das im Jahr 350 Millionen Euro ausgegeben hat.“
Auch sein damaliger Teamchef Toto Wolff sei eine Inspiration gewesen, sagt er. Der Österreicher war als Rennfahrer weit weniger erfolgreich als Rosberg, ist aber seit Ende der 1990er Jahre als Investor und Unternehmer umtriebig. Wolff hält auch ein Drittel der Anteile am Mercedes-Team, eine Beteiligung, die dank des Formel-1-Booms einige Hundert Millionen Euro wert sein dürfte. Im Gegensatz zu Rosberg reist Wolff als Mercedes-Teamchef weiterhin mit dem Rennzirkus um die Welt.
Formel 1 „etwas zu viel Show“
Für Rosberg scheint das keine Option zu sein: „Der Workload ist jetzt mit der Begeisterung wieder stark gewachsen, aber die Familie geht absolut vor“, sagt er. „Ich stehe zum Beispiel an manchen Tagen extra früh auf, arbeite bis 15 Uhr und habe ab dann einen Blocker im Kalender, weil die Kinder aus der Schule kommen.“
Eine Rückkehr auf die Strecke reizt ihn nicht: „Ich habe nicht vor, noch einmal Rennen zu fahren, das ist durch.“ Schon gar nicht auf der Nordschleife des Nürburgrings, dem legendären wie schwierigen Kurs in der Eifel, der viele Rennfahrer fasziniert. „Da hätte ich viel zu viel Angst.“
So gerne er die große Bühne Formel 1 heute in eigener Sache nutzt und von ihr profitiert – Rosberg, den Fahrer, hätte sie wohl nicht nur begeistert: „Es ist mir persönlich etwas zu viel Show“, sagt er. „Vor allem aber sehe ich ja in Monaco, wie Fans teilweise unter den Wohnhäusern der Fahrer warten.“
Wenn da 25 Leute vor der Tür von Ferrari-Pilot Charles Leclerc säßen, sei das „echt zu viel, das gab es zu meiner Zeit so nicht“. Es habe viele Vorteile, Formel-1-Fahrer zu sein, „aber es wird problematisch, wenn die Privatsphäre so eingeengt wird“.