Und dann sagt Lindner, wo er 34 Milliarden Euro einsparen könnte
Bei seinem Auftritt auf dem Branchentreffen der Industrie weist der Bundesfinanzminister Forderungen nach zusätzlichen Schulden zurück. Der reguläre Haushalt reiche für den Investitionsbedarf vollkommen aus, sagt Lindner – und präsentiert den Wirtschaftsvertretern eine Idee.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) beim Tag der deutschen Industrie in Berlin dpa/Bernd von Jutrczenka
Er sei nicht gekommen, um irgendjemandem nach dem Mund zu reden, sagte Christian Lindner (FDP). Das machte der Finanzminister dann auch nicht bei seinem Auftritt auf dem Branchentreffen des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) in Berlin.
Lindner erteilte der BDI-Forderung nach einem 400-Milliarden-Euro-Sondervermögen zur Modernisierung der Infrastruktur in den kommenden zehn Jahren eine Absage. Er habe den Vorschlag „sehr aufmerksam“ gelesen. Doch er könne klar sagen, dass es mit ihm keinen weiteren Schuldentopf geben werde.
Die Erklärung war die gleiche, die auch die Koalitionspartner von SPD und Grünen zu hören bekommen, wenn sie auf eine Aussetzung oder Umgehung der Schuldenbremse drängen: „Wir können aus dem regulären Haushalt den Investitionsbedarf decken“, erklärte Lindner den versammelten Wirtschaftsvertretern. Der Staat verfüge über enorme Mittel. „Uns fehlt kein Geld. Uns fehlt der Mut, klare Prioritäten zu setzen.“
Als Prioritäten nannte Lindner Bildung, Investitionen, Impulse für Kaufkraft und Wettbewerbsfähigkeit sowie die Stärkung innerer und äußerer Sicherheit. „All das müssen wir leisten, ohne europäische oder nationale Fiskalregeln zu brechen, ohne der jungen Generation, dem zukünftigen Steuerzahler zusätzliche Lasten aufzuerlegen“, sagte er.
Das erfordere harte Gespräche. Es sei aber alle Mühen wert, nach einem Jahrzehnt des Konsums und der Umverteilung jetzt die Weichen neu zu stellen.
Mehr Mut und Mühen verlangte Lindner auch von den Interessenvertretern der Wirtschaft. Wer sei beispielsweise in Zusammenhang mit dem notwendigen Netzausbau bereit, für die günstigeren Freileitungen zu werben statt der teuren Erdkabel, fragte Lindner in die Runde. Dadurch ließen sich 34 Milliarden Euro an Ausbaukosten sparen.
Neuer Termin für den Bundeshaushalt 2025
„Wenn das Land ein Industrieland bleiben will, können wir nicht dauernd den Goldstandard fordern“, sagte er. In dieser Diskussion erwarte er sich mehr Unterstützung, statt immer neue Ansprüche auf staatliche Subventionen zu formulieren – in diesem Fall ging es um die Abschaffung von Netzentgelten für energieintensive Betriebe.
Mit Blick auf die Wachstumsschwäche in Deutschland sagte der Finanzminister, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und er darin übereinstimmten, dass etwas geschehen müsse. „Das ist ein Fortschritt.“ Es müsse aber noch über den „Grad der Ambition“ gesprochen werden. Es reiche nicht, nur Defizite zu beheben, die wir beklagen. „Wir müssen nicht nur besser werden, sondern das auch schneller als andere Länder.“ Diese blieben schließlich auch nicht stehen.
Für den Versuch, das Ambitionsniveau seiner Kollegen zu steigern, hat Lindner nun noch ein paar Tage mehr Zeit als ursprünglich geplant. Wie aus Regierungskreisen verlautete, wird das Kabinett den Bundeshaushalt 2025 nicht am 3. Juli verabschieden. Neuer Stichtag ist der 17. Juli.
Allzu viel Zeit bleibt trotz der Terminverschiebung nicht. Schließlich soll Mitte Juli nicht nur der Entwurf des Bundeshaushalts verabschiedet werden, sondern auch ein Entlastungsprogramm für die Wirtschaft – beides muss vor der Verabschiedung im Kabinett noch zu Papier gebracht werden. Deshalb müsse es eigentlich bis Ende nächster Woche zu einer groben Einigung zwischen Scholz, Habeck und Lindner kommen, verlautete aus Regierungskreisen. Bundeskanzler Scholz hatte zu Wochenbeginn an gleicher Stelle vor den Industrievertretern gesagt, er könne sich vorstellen, „in Sachen Abschreibung und Forschungsförderung noch eine Schippe“ draufzulegen. Zudem solle freiwilliges, längeres Arbeiten deutlich attraktiver gemacht werden.
Lindner ergänzte einen Tag später, dass es natürlich auch um eine effektivere Steuerbelastung der Unternehmen gehe, die sei für die Qualität des Standorts zu hoch. Das habe der Kanzler bei seiner Rede nicht erwähnt.
Lindner äußerte sich trotz allem optimistisch, dass die Ampel-Partner zu einem Ergebnis kommen. „Ich habe keine Anzeichen, dass irgendjemand sich Sorgen machen sollte hinsichtlich der Regierungsstabilität in unserem Land.“ Auch damit dürfte Lindner den Wirtschaftsvertretern nicht nach dem Mund geredet haben – zumindest nicht allen.