Samstag: Spanien gegen Kroatien als erster Kracher der Endrunde
Supertalent: Der erst 16-jährige Lamine Yamal spielt für Spanien.
Berlin - Als sich Luka Modric das erste Mal das Nationalmannschaftstrikot, der "Vatreni", der Feurigen, überzog, war Lamine Yamal noch nicht einmal geboren. Nun ruhen Spaniens Hoffnungen auf den vierten Europameisterschaftstitel nach 1964, 2008 und 2012 zumindest zum Teil auf dem Wunderkind - und doch kann sich Yamal kurz vor dem wegweisenden Duell mit der geballten Erfahrung Kroatiens nicht ganz den Pflichten eines ganz normalen 16-Jährigen entziehen. "Ich muss meine Hausaufgaben online machen und an den Lehrer schicken", sagte das offensive Juwel des FC Barcelona in einem Interview mit der Sportzeitung AS. Der Lehrer werde ihn doch aber nicht durchfallen lassen, lautete die Nachfrage."Ich hoffe nicht", sagte Yamal und ließ, verlegen lächelnd, seine Zahnspange blitzen.
Allzu viele Gedanken dürfte der in Barcelonas Vorort Esplugues de Llobregat aufgewachsene Sohn einer Frau aus Äquatorialguinea und eines Marokkaners derzeit jedoch nicht an die Schule verlieren. Schließlich winkt ihm mit einem Einsatz am Samstagabend im Berliner Olympiastadion gegen Kroatien ein Rekord. Im Alter von 16 Jahren und 338 Tagen wäre er der bisher jüngste Spieler, der bei einer Europameisterschaft auflaufen darf. Auf der Gegenseite ist sich Yamals, nun ja, Gegenstück seines Einsatzes sicher. Luka Modric hat nur noch vier Monate bis zu seinem 39. Geburtstag, ist aber trotz seines Alters bereit wie eh und je. "Er kann es kaum erwarten, für Kroatien zu spielen und unser Anführer zu sein", sagte Trainer Zlatko Dalic über den Mittelfeldstrategen. Modric wird es zum ältesten EM-Spieler aller bisherigen Zeiten nicht mehr schaffen. Die Rekordliste, in der Ivica Vastic seit seinem ersten Einsatz beim Heimturnier 2008 auf Platz sechs zu finden ist (damals Jahre 38 und 257 Tage), führt der ungarische Torhüter Gábor Király seit der EM 2016 mit immerhin knapp mehr als 40 Jahren an.
Letztes Hurra
Für Kroatiens Dauerbrenner beginnt am Samstag das wohl letzte große Turnier im Nationaltrikot. Auch das erste fand in Deutschland statt: 2006, damals spielte der Mann aus Zadar im Team um Kapitän Niko Kovač allerdings nur eine Nebenrolle. Wie heute bei Real, was dem Regisseur nicht besonders behagt. "Er ist nicht glücklich darüber, dass er nur 15 oder 20 Minuten Spielzeit bekommt", sagte Dalic. Mit ausreichend Rhythmus bei der Europameisterschaft erwarte er "große Dinge" von Modric. Beim letzten Test, der einen beachtlichen 2:1-Erfolg gegen Mitfavorit Portugal in Oeiras brachte, erzielte er im 175. Einsatz per Elfmeter sein 25. Tor für die Kroaten.
Für Glanzlichter hat der Weltfußballer von 2018 im Nationalteam oft gesorgt, auch wenn es bisher noch nicht zu einem Titel gereicht hat. "Ich werde spielen, bis Kroatien etwas Wichtiges gewinnt - oder mich ein Besserer verdrängt", hatte Modric noch vor der WM 2022 gesagt. Beides ist offensichtlich noch nicht passiert, doch die Zeit der "Goldenen Generation", die 2021 im Achtelfinale der EM an Spanien scheiterte, ein Jahr später bei der WM in Katar allerdings Brasilien im Viertelfinale aus dem Turnier entfernte, im Halbfinale zwar dem späteren Weltmeister Argentinien unterlag, dann aber gegen Marokko Platz drei holte, könnte in den kommenden Tagen endgültig zu Ende gehen.
"Dad’s Army"
Der Respekt beim Gegner vor den alternden Kroaten ist jedenfalls groß. "Sie haben einen unglaublichen Hunger. Wir haben alle gesehen, wie sie auf diesem Niveau performen können", sagte Dani Olmo über "Dad’s Army", wie das Portal The Athletic der New York Times Kroatiens Routiniers scherzhaft nennt. Dass es gegen Modric und die anderen Antiquitäten wie Domagoj Vida (35), Andrej Kramaric (32) oder Ivan Perisic (35) nicht einfach wird, weiß auch Jungspund Yamal. "Sie haben viel Erfahrung, und uns ist klar, dass es eines der schwierigsten Spiele sein wird." Natürlich spricht nicht nur Yamals Frische für die Spanier. Die Furia Roja hat sich vor der EM mit einem 5:0 gegen Andorra und dem 5:1 bei der Generalprobe auf Mallorca gegen Nordirland eingeschossen. Coach Luis de la Fuente hat beinahe alle Mann an Bord, darunter eben auch Yamal, den Barça nicht auch noch für das anschließende Olympiaturnier freistellen wird. Dem jungen Mann hätte es nach eigenem Bekunden nicht viel ausgemacht, "die EM auf dem Sofa zu sehen, mit meiner Mutter". Jetzt will er "weit kommen. Dann schaue ich Olympia im Fernsehen."
Titelverteidiger Italien steigt ein
Titelverteidiger Italien ist vor dem Auftakt eine unbekannte Größe. Die vergangenen Jahre waren ein Auf und Ab für die stolzen Azzurri - zwei fehlgeschlagene WM-Qualifikationen, ein überraschender Trainerwechsel, Skandale und Verletzungsprobleme sind Ausdruck davon. Ein starkes Kollektiv ohne große Namen soll Italien in Deutschland tragen, Albanien am Samstag (21.00 Uhr/live ServusTV) in Dortmund kein Stolperstein sein.
Im Jahr 2021 bestritt Italien bei der Europameisterschaft das erste und das letzte Spiel. Zum Start gelang ein klarer 3:0-Sieg gegen die Türkei in Rom, anschließend gewann das Team von Trainer Roberto Mancini auch die beiden weiteren Partien in der Gruppe und kam bis ins Finale. In London triumphierten die Italiener schließlich im Elfmeterschießen über England und machten sich damit zum zweiten Mal zum Europameister.
Schweiz startet gegen Ungarn
Hinten dicht, vorne zahm, so hat sich die Schweizer Nationalmannschaft in den vergangenen Monaten präsentiert. Zum Start in die EURO am Samstag (15.00 Uhr/live ORF 1) in Köln gegen die formstarken Ungarn hofft Teamchef Murat Yakin, dass endlich auch in der Offensive der Knoten platzt. Ein Auftaktsieg soll den Weg in die K.o.-Phase ebnen, die die Eidgenossen bei jedem großen Turnier seit 2014 erreicht haben.
Die Schweizer, die in der Gruppe A als Topkandidat für den zweiten Aufstiegsplatz hinter Gastgeber Deutschland gelten, sind in diesem Jahr noch ungeschlagen. Nimmt man das wenig aussagekräftige Spiel gegen Estland (4:0) aus, haben sie in den jüngsten sechs Spielen aber nur vier Tore erzielt. "Die Defensive war gut, in der Offensive fehlten mir im letzten Drittel ein bisschen die kreativen und unberechenbaren Ideen", befand Yakin nach dem 1:1 gegen Österreich. Ein Befund, der nicht nur auf die EM-Generalprobe zutraf. Seit der bescheidenen Qualifikation mit nur vier Siegen in zehn Spielen ist Yakin daher nicht unumstritten. (Sigi Lützow, APA; 14.6.2024)
Gruppe A, 1. Runde:
Ungarn - Schweiz (Köln, 15.00 Uhr/live ORF 1, SR Slavko Vincic/SLO)
Ungarn: 1 Gulacsi - 2 Lang, 6 Orban, 4 Szalai - 14 Bolla, 8 A. Nagy, 17 Styles, 11 Kerkez - 20 Sallai, 10 Szoboszlai - 19 Varga
Schweiz: 1 Sommer - 22 Schär, 5 Akanji, 13 Rodriguez - 2 Widmer, 6 Zakaria, 10 Xhaka, 19 Ndoye - 23 Shaqiri, 17 Vargas - 7 Embolo/25 Amdouni
Fraglich: 6 Zakaria, 7 Embolo, 14 Zuber (alle angeschlagen)
Gruppe B, 1. Runde:
Spanien - Kroatien (Berlin, 18.00 Uhr/live ORF 1 und ARD, SR Michael Oliver/ENG)
Spanien: 23 Simon - 2 Carvajal, 3 Le Normand, 4 Nacho, 12 Grimaldo - 6 Merino, 16 Rodri - 20 Pedri - 19 Yamal, 7 Morata, 17 Williams
Fraglich: 14 Laporte (muskuläre Probleme)
Kroatien: 1 Livakovic - 2 Stanisic, 6 Sutalo, 3 Pongracic, 4 Gvardiol - 11 Brozovic - 10 Modric, 8 Kovacic - 7 Majer, 16 Budimir, 9 Kramaric
Gruppe B, 1. Runde:
Italien - Albanien (Dortmund, 21.00 Uhr/live ServusTV, ARD, SR Felix Zwayer/GER)
Italien: 1 Donnarumma - 2 Darmian, 4 Buongiorno, 23 Bastoni - 2 Di Lorenzo, 8 Jorginho, 18 Barella, 3 Dimarco - 7 Frattesi, 14 Chiesa - 9 Scmacca
Fraglich: 18 Barella, 21 Fagioli (beide Muskelverletzung)
Albanien: 1 Berisha - 4 Hysaj, 6 Djimsiti, 5 Ajeti, 3 Mitaj - 21 Asllani, 20 Ramadani, 10 Bajrami - 15 Seferi, 9 Asani, 11 Broja