Experte zu US-Vorstoß - Ukraine soll Russland beschießen dürfen – die Folgen wären „unkontrollierbar“
Ukrainische Soldaten feuern auf die russischen Streitkräfte an der Frontlinie. Iryna Rybakova/Iryna Rybakova/AP
US-Außenminister Antony Blinken bricht mit alten Grundsätzen im Ukraine-Krieg. Er will der Ukraine erlauben, russische Ziele mit amerikanischen Waffen anzugreifen. Ein gefährliches Spiel, das eine unkontrollierbare Eskalation des Krieges riskiert, meint unser Experte Gerhard Mangott.
Lange Zeit herrschte Konsens unter den Unterstützern der Ukraine, was den Beschuss Russlands mit vom Westen gelieferten Waffen angeht. Nun öffnet US-Außenminister Antony Blinken eine Tür, die im Ukraine-Krieg lange Zeit fest verschlossen war.
Laut einem Bericht der „New York Times“ arbeitet das US-Außenministerium an einem Plan, Raketen- und Artilleriestellungen auf russischem Territorium zu identifizieren.
Diese Stellungen sollen dann mit US-Waffen angegriffen werden können. Mehrere hochrangige Beamte in Washington bestätigten diese Pläne gegenüber der „New York Times“.
Neue mögliche Ziele: Öllager, Flughäfen, Energieanlagen, Eisenbahnknotenpunkt
Gerhard Mangott, Professor für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt auf internationalen Beziehungen und Sicherheit im postsowjetischen Raum, sieht in dem Vorstoß eine Stärkung der ukrainischen Verteidigungsfähigkeit, „sollte sich die Biden-Administration entscheiden, ukrainische Angriffe auf russisches Territorium zuzulassen“.
Nach Angaben der „New York Times“ sei der Vorschlag dem Präsidenten noch nicht unterbreitet worden. Biden gilt zwar als starker Befürworter der Hilfe für die Ukraine, ist aber sehr vorsichtig, was eine mögliche Eskalation des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine angeht.
Sollte er sich dennoch dazu entscheiden, dem Vorschlag zuzustimmen, könnten ukrainische Truppen sowohl militärische als auch militärisch genutzte zivile Ziele in Russland wie etwa Öllager, Flughäfen, Energieanlagen, Eisenbahnknotenpunkte zerstörten, sagt Mangott zu FOCUS online.
„Ukraine könnte Truppenkonzentrationen in Aufmarschgebieten bekämpfen“
„Die Ukraine könnte damit auch Truppenkonzentrationen in Aufmarschgebieten bekämpfen und erschweren“, so der Experte. „Das wäre vor allem angesichts der jüngsten Offensive der russischen Armee im Raum Charkiw hilfreich gewesen.“
Mangott warnt jedoch vor den Folgen. Sollte Biden den Vorstoß seines Verteidigungsministeriums abnicken, wäre dies eine weitere Eskalationsstufe in einer gefährlichen Dynamik, die außer Kontrolle geraten könnte.
„Es wäre eine Eskalation des Krieges durch den Westen, die am Ende unkontrollierbar werden könnte.“ Entscheidend sei dann, wie Russland darauf reagiere.
„Der wechselseitige Zerstörungswille würde noch ungezügelter“, so Mangott. Putin könnte dann „im schlimmsten Fall mit der Verlegung taktischer Nuklearwaffen an die ukrainische Grenze reagieren“.