Keuchhusten: Zahl der Fälle in Deutschland und Europa deutlich gestiegen - was steckt dahinter?
In Deutschland und Europa erkranken seit Jahresbeginn viele Menschen an Keuchhusten. Eine Expertin erklärt die möglichen Ursachen – und wo es beim Impfen Nachholbedarf gibt.
Keuchhusten: Zahl der Fälle in Deutschland und Europa deutlich gestiegen - was steckt dahinter?
In diesem Jahr sind in Deutschland bislang deutlich mehr Menschen an Keuchhusten erkrankt als im Vergleichszeitraum der Vorjahre. Bis Mitte Mai wurden dem Robert Koch-Institut (RKI) rund 4500 Fälle gemeldet. 2023 waren es im gleichen Zeitraum nur etwa 1500 Fälle. Auch europaweit sind die Zahlen stark gestiegen. Nach Angaben des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) lag die Zahl mit rund 32.000 gemeldeten Fällen in den ersten drei Monaten dieses Jahres nur knapp unter dem Ganzjahresdurchschnitt der Jahre 2012 bis 2019 (rund 38.100).
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Laut Kinderärztin und RKI-Epidemiologin Viktoria Schönfeld kann das mehrere Ursachen haben. »Es gibt natürliche Schwankungen, durch die alle drei, vier, fünf Jahre deutlich höhere Zahlen zu beobachten sind. Es kann sein, dass wir jetzt auch in so etwas reinrutschen«, sagt die Expertin. Laut RKI gebe es auch in anderen westlichen Ländern Jahre mit deutlich erhöhten Keuchhusten-Fällen.
Schönfeld zufolge hängt der Anstieg auch mit sogenannten Nachholeffekten zusammen. Während der Coronapandemie hatten viele Menschen wegen der Infektionsschutzmaßnahmen keinen Kontakt mit dem Keuchhusten-Erreger, wie die Expertin erklärte. Die Immunität in der Bevölkerung sei deswegen niedriger, und der Erreger könne sich besser verbreiten. Auch bei anderen Infektionskrankheiten sei das zu beobachten. Ein weiterer Grund könne sein, dass heute häufiger auf Keuchhusten getestet werde.
Für besonders besorgniserregend hält die Expertin die Entwicklung in Deutschland aber nicht. »Wir haben ein Jahr mit vielen Keuchhusten-Erkrankungen, aber es gab auch schon Jahre, die mehr Keuchhusten-Erkrankungen in den ersten Quartalen hatten.«
Impfen ist die beste Prävention
Keuchhusten wird durch das Bakterium Bordetella pertussis verursacht. Die Erkrankung beginnt häufig mit ein bis zwei Wochen andauernden leichten Erkältungsbeschwerden wie Schnupfen, Husten und Schwächegefühl. Danach folgt typischerweise ein langwieriger, trockener Husten, bei dem es vor allem nachts zu krampfartigen Hustenstößen kommt. Die Infektion dauert in der Regel vier bis sechs Wochen. Nur im Frühstadium lässt sie sich erfolgreich mit Antibiotika bekämpfen.
Für gesunde Erwachsene ohne Risikofaktoren wie hohem Alter sei eine Infektion nicht besonders bedrohlich, erklärt Schönfeld. Für Neugeborene hingegen schon: »Richtig gefährlich ist Keuchhusten für Säuglinge, und zwar für die, die sehr klein, also unter einem halben Jahr alt sind.«
Wenn Säuglinge erkrankten, kämen viele von ihnen zur Beobachtung oder Behandlung ins Krankenhaus. »Das Risiko bei Säuglingen ist, dass sie nicht unbedingt mit Husten auffallen, sondern wie bei vielen anderen Erkrankungen aufhören zu trinken und schlapp sind.« Anstelle von Hustenattacken hätten sie häufig Atemaussetzer. Todesfälle gebe es in Deutschland aber selten.
Zur Vorbeugung schwerer Erkrankungen ist vor allem die Impfung wichtig. Für Neugeborene werden in Deutschland drei Impfungen im Alter von zwei, vier und elf Monaten empfohlen. »Das Problem ist, dass die Impfung nach einigen Jahren nicht mehr so gut wirkt«, erklärt Schönfeld. Auffrischungsimpfungen sind daher wichtig, vor allem um Säuglinge vor einer Ansteckung durch Erwachsene zu schützen. »Keuchhusten ist wahnsinnig ansteckend«, sagt Schönfeld.
Erwachsene sollten ihren Impfschutz laut Impfkalender des RKI alle zehn Jahre auffrischen. In Deutschland lag die Impfquote bei Schulanfängern im Jahr 2018 nach RKI-Angaben bei etwa 93 Prozent. Bei Jugendlichen und Erwachsenen aber ist die Quote laut Schönfeld deutlich verbesserungswürdig und bei Schwangeren mit einem Anteil von etwa 40 Prozent »deutlich zu niedrig«.
Der Schrecken, den Keuchhusten vor der Einführung einer Schutzimpfung in den Dreißigerjahren hatte, ist fast vergessen. Damals sind in Deutschland jedes Jahr Tausende Säuglinge an der hochansteckenden Infektionskrankheit gestorben. Die Bakterien verbreiten sich durch Husten, Niesen oder Sprechen über winzige Tröpfchen aus dem Nasen-Rachen-Raum.