Wahlen in Frankreich: Warum Macron Machtpoker richtig ist

wahlen in frankreich: warum macron machtpoker richtig ist

Wahlen in Frankreich: Warum Macron Machtpoker richtig ist

Der französische Präsident scholzt nicht. Alle Welt fragt sich, warum er die Atombombe der Verfassung gezündet hat? Die Antwort: Handlungsfähigkeit.

Das Gedächtnis der Wähler ist erschreckend kurz: 2017, bei seiner ersten Wahl zum französischen Präsidenten, bekam Emmanuel Macron im ersten Wahlgang gerade 24 Prozent, also nicht einmal ein Viertel der Wählerstimmen. Marine Le Pen kam auf 21 Prozent.

Wenn die jetzigen Umfragen also gerade ungünstig für den französischen Präsidenten zu stehen scheinen, dann muss man sie im Verhältnis zu diesen 24 Prozent bewerten, nicht im Verhältnis zu den über 50 Prozent, die Macron in seinen beiden zweiten Wahlgängen bekam, als die Wähler zwischen ihm und der rechtsextremistischen Marine Le Pen zu wählen hatten.

Wieder einmal sind sich die Kommentatoren einig

Emmanuel Macron ist tatsächlich nie ein besonders beliebter Präsident gewesen. Dafür fordert er die Franzosen viel zu sehr und schmeichelt ihnen viel zu wenig.

Dafür ist er zu intellektuell, zu kühl, zu jung, zu wenig Landesvater; dazu wirkt er viel zu sehr wie ein Yuppie, wie ein Banker, der er de facto nur zwei Jahre lang war, wie der Uni-Assistent von Paul Riceur, der der Hochbegabte auch gewesen, ist, wie ein Klassenprimus, der seine Masterarbeit über Machiavelli und Hegel schrieb.

Die Zweifel an Macron und am Kontrast zwischen seinen schönen, großen Worten und seinen vermeintlich kleinen hässlichen Taten begleiten diesen Politiker seine ganze Karriere.

Wieder einmal sind sich die politischen Kommentatoren jetzt nicht nur diesseits des Rheins, also die romantisch vernebelten Deutschen, sondern auch die kühlen Franzosen gerade einig, dass der Präsident in diesem Fall zu weit gegangen ist.

Nichts war überraschend

Aber stimmt das wirklich? Das Auflösung des Parlaments – in Frankreich gern als die "Atombombe der Verfassung" bezeichnet (SZ) – hat als solche nicht überrascht.

Schon vor den Europawahlen hatten politische Beobachter mit diesem Schritt gerechnet. Allerdings nicht derart früh. Der Zeitpunkt der Ankündigung kam überraschend; denn man glaubte Macron, werde erst die Entscheidungen in Brüssel über eine neue EU-Kommission abwarten, sowie die Olympischen Spiele in einem Monat, in der Hoffnung, die Begeisterung des Publikums könne womöglich auf jene der Wähler überspringen.

Gibt es nun einen Plan dahinter oder nur die Wut, das Beleidigtsein des Meister-Politikers, dass man seine Verdienste nicht würdigt? Ein sehr verständliches Beleidigtsein. Denn wenn sich die Wähler sehr gern herausnehmen, ihre Wut an den Regierenden auszulassen, warum eigentlich sollen es nicht auch mal die Regierenden umgekehrt tun?

Warum also hat Macron Neuwahlen ausgerufen?

Warum also hat Macron Neuwahlen ausgerufen? Viel spricht dafür, dass es sich um ein kühl berechnetes kalkuliertes Risiko handelt. Macron erhöht sein eigenes Risiko, um damit zugleich das Risiko seiner Gegner zu erhöhen. Im Englischen spricht man in so einem Fall von "Brinkmanship".

Der Begriff stammt aus dem Kalten Krieg. Im Konflikt zwischen zwei ideologisch vollkommen entgegengesetzten Blöcken schienen drastische Maßnahmen wie eben "Brinkmanship" der einzige Weg zu sein, um die Verhältnisse zu verändern. Genau diese ideologische Konfrontation kann man auf die innenpolitischen Konfrontationen in den westlichen Demokratien übertragen.

Es geht nicht mehr, wie in den Jahren 1945 bis 1979, um den Gegensatz zwischen Christdemokratie und Sozialdemokratie oder wie 1979 bis 2008, um den Gegensatz zwischen neoliberaler Deregulierung und wohlfahrtsstaatlicher Regulierung. Das waren relative Gegensätze auf Basis der gemeinsamen Überzeugung von der Alternativlosigkeit des Modell einer liberalen, demokratischen Republik. Diese Überzeugung besteht nicht mehr.

Heute geht es um den Gegensatz zwischen Demokratie und Autoritarismus, zwischen freiheitlicher und repressiver Ordnung, zwischen offener Gesellschaft und geschlossener Gemeinschaft.

Vor diesem Hintergrund ist Macrons Entscheidung zu verstehen.

Der Präsident als Sieger aus der "Cohabitation"

Versuchen wir kühl auf die Verhältnisse in Frankreich zu blicken, dann ist das Risiko dieser Entscheidung für Macron weitaus geringer als das für seine Gegner.

Schon seit zwei Jahren musste der Präsident mit einem Parlament ohne eigene Mehrheit, mit wechselnden Kurzzeit-Bündnissen regieren, immer abhängig von den ihm ganz und gar nicht gewogenen konservativen Republikanern und Postgaullisten, sowie von einer noch viel unberechenbareren Linken.

Diese Linke hat, auch das sollte nicht vergessen werden, bei den Europawahlen vor drei Wochen überdurchschnittlich gut abgeschnitten, und ausgerechnet die Sozialistische Partei hat eine Art Wiederauferstehung erlebt, wenn auch auf vergleichsweise niedrigen Niveau, das mit 14 Prozent ziemlich genau auf der Höhe der deutschen SPD liegt.

Und es ist diese Linke und sozialistische Partei, aus der Macron ursprünglich stammt. Seine ersten politischen Schritte tat er als Berater des sozialistischen Präsidenten François Hollande (2012-1014), sowie als dessen Wirtschaftsminister für zwei Jahre (2014-2016).

Nicht spricht dagegen, dass mit dieser Linken nicht grundsätzlich Bündnisse möglich sind. Vielleicht allerdings will Macron das gar nicht. Vielleicht möchte Macron genau die Cohabitation, die manchen Beobachtern jetzt schon als das "Ende des Macronismus" erscheint.

Aber auch hier lohnt ein Blick in die Vergangenheit: Dreimal hat es in der französischen Geschichte eine sogenannte Cohabitation gegeben. Zweimal unter dem Präsidenten François Mitterrand (1986-1988 und 1993-1995), einmal unter dem Präsidenten Jacques Chirac (1997-2002). In allen drei Fällen ging der Präsident als klarer Sieger aus der Konstellation mit einem ihm politisch gegnerischen Premierminister hervor.

Gut möglich, dass sich Macron aus einer neuerlichen Cohabitation den Anfang der tatsächlichen Selbstentzauberung der "Front National"-Nachfolgepartei verspricht. Er hat weniger zu verlieren als zu gewinnen. Denn die Macht eines französischen Präsidenten ist groß. Viele Gesetze kann er wie schon in den letzten zwei Jahren per Dekret durchsetzen. Selbst die kontroverse Rentenreform drückte er mit Hauruck-Dekreten durch.

Die wahrscheinlichste Variante ist die Fortsetzung der bisherigen Verhältnisse: ein Parlament ohne klare Mehrheit.

Die Entscheidung zur Parlamentsauflösung ist der Versuch des Präsidenten, das Heft des politischen Handelns wieder fester in den Griff zu bekommen. Es sei Zeit, Geschichte zu schreiben, statt sie einfach hinzunehmen, sagte Macron in jener Fernsehansprache, in der er am 9. Juni die Parlamentsauflösung verkündete.

Macron glaubt, dass Politik mit Handlungsfähigkeit zu tun hat

In einem langen Interview mit der Zeit erklärte der Philosoph Peter Sloterdijk, der als Gastprofessor am renommierten Collège de France in Paris lehrt, Macrons Entscheidung sei unbedingt "richtig, weil er den Wählern ihre eigene Verantwortungslosigkeit vor die Füße wirft".

Er hofft auf einen heilsamen Schock:

Die anderen Staats- und Regierungschefs verhalten sich eher, als wären sie Marionetten, an denen das Wählervolk die Strippen zieht. Macrons Entscheidung hat zwar Schockwirkungen ausgelöst, aber der Schock kann nützlich sein. Es gibt zu viel unpolitischen, doch politisierten Trotz, der durch mediale Belohnung hochgefahren wird. Wir haben es in Europa inzwischen allenthalben mit Trotzdemokratien zu tun. Um handlungsfähig zu bleiben, dürfen sich Politiker nicht von pseudopolitischen Stimmungen treiben lassen.

Peter Sloterdijk

Darum gehe Macron einem Politiker wie Olaf Scholz am meisten auf die Nerven:

Weil er sein Umkehrbild darstellt. Scholz ist der Zögerer – er tut nichts, wenn er es nicht im Windschatten der Amerikaner machen kann. Der Franzose Macron glaubt hingegen immer noch, dass Politik etwas mit Handlungsfähigkeit zu tun hat. Und zwar einer Handlungsfähigkeit, die nicht auf die Provokation wartet, sondern von sich aus den Ton setzt.

Peter Sloterdijk

"Wir lassen uns doch nicht zur Reife zwingen!"

Das Problem ist weniger, dass Macron, wie etwa die Süddeutsche Zeitung schreibt, die politische Linke nicht versteht, als dass er sie und die Wähler nicht verstehen will. Dass er sie überfordert, dass er ihnen zu viel zutraut.

Vielleicht belehren die Wähler ja schon heute auch den Autor dieses Beitrags eines Besseren, aber die Vermutung liegt nahe, dass die Linke destruktiver ist, als man denkt und die Wähler dümmer, als man wahrhaben möchte.

Auch Peter Sloterdijk hat im oben zitierten Interview seine Einschätzung von Macrons Überlegungen ähnlich skizziert und ähnliche Schlüsse gezogen:

Ich glaube, dass Macron mit diesem Schema rechnet. Er setzt darauf, dass die vernünftige Linke dann doch lieber seinen Kurs unterstützt als den des linksfaschistischen Krakeelers Mélenchon. Doch er unterschätzt die Macht der Aversionen. Die Linken ziehen Le Pen inzwischen Macron vor. ... natürlich sind jetzt alle aus dem Häuschen und sagen: Wir lassen uns doch nicht zur Reife zwingen!

Peter Sloterdijk

Was aktuelle Umfragen erwarten

Laut einem aktuellen Überblick von Umfragen über die Wahlabsichten in der heutigen ersten Runde liegt die Partei Le Pens, der Rassemblement National, mit Spitzenwerten bei 37 Prozent vorn, als zweite Kraft wird der Neuen Volksfront (Le Nouveau Front populaire) etwa 27 bis 29 Prozent zugesprochen.

Das Parteienbündnis, das hinter dem Präsidenten steht (Ensemble pour la République), kommt demnach auf etwa 20 Prozent, die konservativ-bürgerlichen Republikaner sieht man bei schwachen sechs bis sieben Prozent.

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